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BGH - Entscheidung vom 09.11.2016

XII ZR 11/16

Normen:
HGB § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
HGB § 161 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 09.11.2016 - Aktenzeichen XII ZR 11/16

DRsp Nr. 2016/19277

Anspruch des Erstehers eines zwangsversteigerten Grundstücks auf eine Nutzungsentschädigung für die Zeit zwischen dem Zuschlag und der Räumung des Grundstücks

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Dezember 2015 zugelassen, soweit die Beklagten über den Betrag von 998,36 € nebst Zinsen hinaus zur Bewilligung der Herausgabe des hinterlegten Betrages an den Kläger und zur Zahlung verurteilt worden sind sowie die Widerklage abgewiesen worden ist.

Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil im Umfang der Revisionszulassung und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 30.003 €

Normenkette:

HGB § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ; HGB § 161 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger verlangt als Ersteher eines zwangsversteigerten Grundstücks von den Beklagten als Gesamtschuldner unter anderem eine Nutzungsentschädigung für die Zeit zwischen dem Zuschlag und der Räumung des Grundstücks. Das streitig geführte Räumungsverfahren, in dessen Verlauf die Beklagten 12.000 € zur Abwendung der Zwangsvollstreckung hinterlegt hatten, wurde letztlich durch Vergleich beendet. Der Kläger beansprucht für die Dauer der zwischenzeitlichen Nutzung durch die Beklagten täglich 150 € zzgl. USt. = 42.126 € unter Anrechnung der hinterlegten und herausverlangten Sicherheitsleistung von 12.000 € und abzüglich bereits gezahlter 3.750 €, somit insgesamt noch 26.376 €. Davon hat das Oberlandesgericht 18.002,91 € nebst Zinsen zuzüglich weiterer 998,36 € Schadensersatz nebst Zinsen zugesprochen, die Beklagten zur Bewilligung der Herausgabe des hinterlegten Betrags von 12.000 € an den Kläger verurteilt und die Widerklage der Beklagten auf Freigabe des hinterlegten Betrags an sie abgewiesen. Gegen die Verurteilung hinsichtlich des Nutzungsentgelts wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Zulassung der Revision und gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Oberlandesgericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) dadurch verletzt hat, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagten ein wirksamer Mietvertrag zugrundegelegen habe, entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten in rechtsfehlerhafter Weise nicht berücksichtigt hat.

In seinen Entscheidungsgründen hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass der Kläger eine Nutzungsentschädigung in angemessener Höhe aus Bereicherungsrecht verlangen könne, da ein wirksamer Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 nicht geschlossen worden sei. Auch die "Zusatzvereinbarung" vom 28. Januar 2010 sei nicht als wirksamer Mietvertrag anzusehen, da der Zeuge W. als Kommanditist der Gesellschaft und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH den Mietvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögen beider Gesellschaften nicht mehr mit Vertretungsmacht für die T. GmbH & Co. KG habe abschließen können.

Mit seinen Ausführungen hat das Oberlandesgericht den in beiden Instanzen gehaltenen Vortrag der Beklagten übergangen, der Zeuge W. habe bei Abschluss des Vertrags vom 28. Januar 2010 nicht im fremden, sondern im eigenen Namen gehandelt. Er habe den Mietvertrag wirksam als Eigengeschäft abschließen können, weil er zu dem Zeitpunkt verfügungsberechtigter Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Dieses Vorbringen ist entscheidungserheblich.

a) Vor der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der T. GmbH & Co. KG stand das Grundstück im Eigentum dieser Insolvenzschuldnerin. Mit der Insolvenzeröffnung am 30. Oktober 2009 wurde das Grundstück zunächst vom Insolvenzbeschlag erfasst.

b) Am 13. Dezember 2009 wurde das weitere Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH eröffnet. Dadurch schied die Komplementärin gemäß §§ 161 Abs. 2 , 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB mangels abweichender vertraglicher Bestimmung aus der Kommanditgesellschaft aus, wobei das Fehlen abweichender vertraglicher Bestimmungen - mangels dies betreffender tatrichterlicher Feststellungen - revisionsrechtlich zu unterstellen ist.

Da es sich bei der T. GmbH & Co. KG um eine zweigliedrige Kommanditgesellschaft handelte, führte der Wegfall der Komplementärin zur liquidationslosen Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft unter Gesamtrechtsnachfolge des verbliebenen Kommanditisten (BGH Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 247/01 - NZG 2004, 611 ), was die Beklagten in beiden Tatsacheninstanzen unter Hinweis auf die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt haben.

c) Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 gab der für die Kommanditgesellschaft bestellte Insolvenzverwalter das Grundstück gemäß § 32 Abs. 3 InsO aus der Insolvenzmasse frei. Dadurch fiel die Verfügungsbefugnis auf den Rechtsinhaber zurück. Dieser konnte anschließend im eigenen Namen über das Grundstück verfügen und einen Mietvertrag wirksam abschließen.

2. Das angefochtene Urteil beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens zu einer anderen Würdigung gelangt wäre. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO ).

Vorinstanz: LG Detmold, vom 26.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 306/13
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 14.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 69/15