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BGH - Entscheidung vom 31.03.2016

2 StR 116/15

Normen:
StGB § 22
StGB § 23
StPO § 261

BGH, Beschluss vom 31.03.2016 - Aktenzeichen 2 StR 116/15

DRsp Nr. 2016/8592

Anforderungen an die Beweiswürdigung bei der Billigung des Eintritts des Todes im Rahmen des bedingten Vorsatzes eines Totschlags

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 22 ; StGB § 23 ; StPO § 261 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei seinen Beihilfehandlungen mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Strafkammer hat die strafbare Teilnahme des Angeklagten darin gesehen, dass er das Tatopfer vor dessen Wohnung abgepasst und zu dem Grillplatz geführt hat, damit die Mitangeklagten B. und G. ihn dort "wie geplant verprügeln" und letztendlich töten konnten (UA S. 68). Dass der Angeklagte dabei den Eintritt des Todes des Tatopfers als mögliche Folge seines Handelns erkannt (Wissenselement) und den Eintritt des Todes billigend in Kauf genommen hat (Willenselement), hat das Landgericht nicht hinreichend festgestellt. Es ist schon zweifelhaft, ob der Angeklagte den Todeseintritt für möglich gehalten hat; allein aus der Tatsache, dass er in Kenntnis des Umstandes, dass Schlagwerkzeuge beigeschafft worden sind und "an dem Abend etwas passieren" sollte, lässt sich dies ohne Weiteres nicht herleiten. Dies kann aber letztlich dahin stehen, da es jedenfalls an der erforderlichen Gesamtwürdigung des Willenselements fehlt, bei der neben der konkreten, dem Täter bekannten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen sind (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; BGH NStZ 2016, 25 ; NStZ-RR 2009, 372). Die Strafkammer hat sich insoweit lediglich auf die nicht durch weitere Tatsachen belegte Feststellung beschränkt, der Angeklagte habe nicht darauf vertraut, dass der Tod des Tatopfers nicht eintreten werde. Er habe ihn vielmehr gebilligt (UA S. 62), ohne sich etwa mit dem Umstand, dass der leicht beeinflussbare Angeklagte, der das Tatopfer nicht kannte, deshalb auch kein eigenes Interesse hatte, auf es einzuwirken (UA S. 13), sich so lediglich zum "Werkzeug fremder Interessen" hat machen lassen (vgl. UA S. 76), auseinander zu setzen. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht auch nicht, dass der Angeklagte vor der Gewalteskalation des Streits noch beruhigend auf einen Mitangeklagten einsprach und ihn bat, vernünftig zu sein (UA S. 16). Dies aber wäre erforderlich gewesen, weil dies gewichtige Anhaltspunkte sind, die Rückschlüsse zulassen, wie der Angeklagte im Zeitpunkt seiner Unterstützungshandlungen, die das Landgericht zutreffend allein in der Veranlassung des Opfers, zum Grillplatz zu gehen, gesehen hat, einem möglichen Tod des Opfers gegenüber eingestellt ist.

2. Dieser Rechtsfehler führt - mit Ausnahme der objektiven Feststellungen zum Tatgeschehen, die die Strafkammer ohne Rechtsfehler getroffen hat - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei fehlerfreier Gesamtwürdigung zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der Tatrichter noch eingehender als bisher die Frage einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zu prüfen haben wird.

Vorinstanz: LG Kassel, vom 16.10.2014