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BGH - Entscheidung vom 21.11.2016

NotZ(Brfg) 3/16

Normen:
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 2. Var.
BNotO § 110a Abs. 1 S. 1
BNotO § 110a Abs. 3
BNotO § 111d S. 2

Fundstellen:
DNotZ 2017, 314

BGH, Beschluss vom 21.11.2016 - Aktenzeichen NotZ(Brfg) 3/16

DRsp Nr. 2017/941

Amtsenthebung eines Notars aufgrund einer zu beanstandenen Art der Wirtschaftsführung

1. Die Art der Wirtschaftsführung ist i.S.d. § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO zu beanstanden, wenn sich ein Notar wiederholt erst nach Beantragung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereitfindet oder in die Lage versetzt wird, gegen ihn gerichtete titulierte Forderungen zu begleichen. Dies begründet auch die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden infolge der Art der Wirtschaftsführung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob den Notar ein Verschulden an der Situation trifft, die zu der zu beanstandenden Art der Wirtschaftsführung geführt hat.2. Wenn es wegen (hier: 27) berechtigter Forderungen zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Notar gekommen ist, rechtfertigt dies schon die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO . Eine geordnete Wirtschaftsführung ist darauf gerichtet, Vollstreckungsmaßnahmen überhaupt zu vermeiden.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des 1. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2016 - 1 Not 2/13 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 2. Var.; BNotO § 110a Abs. 1 S. 1; BNotO § 110a Abs. 3 ; BNotO § 111d S. 2;

Gründe

I.

Der 1947 geborene Kläger ist seit 1975 als Rechtsanwalt zugelassen; im Dezember 1985 wurde er zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit dem Amtssitz in Frankfurt am Main bestellt. Nach vorläufiger Amtsenthebung durch Bescheid vom 4. April 2013, die Gegenstand des Parallelverfahrens NotZ(Brfg) 2/16 ist, enthob ihn der Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 24. September 2015 gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO seines Amtes.

Die gegen die Amtsenthebung gerichtete Anfechtungsklage sowie die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Leistungsklage, mit der der Kläger von der Beklagten zu 2 begehrt, im Wege der Folgenbeseitigung die von dem Beklagten zu 1 vorgenommene Amtsenthebung abzuwenden, blieben vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Der Kläger beantragt, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts die Berufung zuzulassen.

II.

Ein Grund zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ) besteht nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ) oder eine Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ) sind nicht ersichtlich. Der Rechtssache fehlt entgegen der Ansicht des Klägers auch die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ). Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ).

1. Das Oberlandesgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, auf die er die Unrichtigkeit des Urteils stützt, greifen nicht durch.

a) Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Art der Wirtschaftsführung im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO zu beanstanden ist, wenn sich ein Notar wiederholt erst nach Beantragung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bereitfindet oder in die Lage versetzt wird, gegen ihn gerichtete titulierte Forderungen zu begleichen. Dies begründet auch die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden infolge der Art der Wirtschaftsführung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob den Notar ein Verschulden an der Situation trifft, die zu der zu beanstandenden Art der Wirtschaftsführung geführt hat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 25. November 2013 - NotZ(Brfg) 1/13 Rn. 3; vom 22. Juli 2013 - NotZ(Brfg) 4/13, [...] Rn. 3; vom 26. November 2012 - NotZ(Brfg) 10/12, [...] Rn. 11).

b) Wie das Oberlandesgericht festgestellt hat, ist es im Zeitraum von 2007 bis 2012 wegen 27 berechtigter Forderungen zu - teilweise mehrfachen Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen. Das (allein) rechtfertigt schon die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO .

aa) Soweit der Kläger vorträgt, die den Vollstreckungen zugrunde liegenden Entscheidungen seien bisher nicht rechtskräftig (Fälle 10 und 15), die Forderungen seien zwischenzeitlich getilgt oder die Vollstreckungsaufträge anderweitig erledigt (Fälle 1 - 9, 11 - 14, 16 - 26, 28, 31, 33), sowie, die Maßnahmen in den Fällen 31 und 33 hätten keine Forderungen in erheblicher Höhe betroffen, kommt es darauf nicht an (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. November 2012 - NotZ(Brfg) 10/12, [...] Rn. 11; vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 17/13, DNotZ 2014, 548 Rn. 16). Eine geordnete Wirtschaftsführung ist darauf gerichtet, Vollstreckungsmaßnahmen überhaupt zu vermeiden.

bb) Das Oberlandesgericht durfte bei seiner Entscheidung die vor dem 18. Juli 2011 erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen berücksichtigen. Diese unterliegen, anders als der Kläger meint, nicht der Verjährung gemäß §§ 194 ff. BGB . Ihrer Berücksichtigung steht auch nicht die Entscheidung des Senats vom 18. Juli 2011 (NotZ(Brfg) 10/10, DNotZ 2012, 53 Rn. 16 f.) entgegen. Diese betrifft lediglich die Umstände des Einzelfalles hinsichtlich zweier Auskunftsverlangen des dort beklagten Präsidenten des Landgerichts, die im Hinblick auf die - zunächst rechtskräftige - strafgerichtliche Verurteilung des Klägers nicht weiterverfolgt wurden.

cc) Entgegen der Ansicht des Klägers durfte das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung auch die gegen den Kläger vor dem 18. Juli 2011 ergangenen disziplinarrechtlichen Verfügungen berücksichtigen.

(1) Gemäß § 110a Abs. 1 Satz 1 BNotO sind Eintragungen in den über den Notar geführten Akten über einen Verweis oder eine Geldbuße nach zehn Jahren zu tilgen. Die Frist endet allerdings nicht, solange gegen den Notar ein Strafverfahren, ein Disziplinarverfahren, ein anwaltsgerichtliches oder ein berufsgerichtliches Verfahren schwebt, eine andere Disziplinarmaßnahme oder eine anwaltsgerichtliche Maßnahme berücksichtigt werden darf, oder ein auf Geldbuße lautendes Urteil noch nicht vollstreckt ist, § 110a Abs. 3 BNotO .

(2) So liegt es hinsichtlich des Verweises vom 26. Februar 2001 hier, weil gegen den Kläger zwischenzeitlich die Disziplinarmaßnahmen vom 13. Mai 2009 und 6. Dezember 2012 ergangen waren. Es kommt auch nicht darauf an, ob - wie der Kläger meint - der Strafanspruch wegen aller Dienstvergehen aus der Zeit vor dem 9. Oktober 2010 verbraucht ist, weil es sich bei einer Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nicht um eine Disziplinarmaßnahme handelt. Sie soll vielmehr - wie bereits oben ausgeführt - Missständen, die eine geordnete Rechtspflege gefährden, entgegenwirken, ohne dass es dabei auf ein Verschulden des Notars ankommt (vgl. auch Bremkamp in Eylmann/Vaasen, BNotO , 4. Aufl., § 50 Rn. 1).

dd) Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Oberlandesgericht den nach § 153a StPO erfolgten Einstellungsbeschluss vom 9. Mai 2014 nicht verwertet. Es weist darauf lediglich im Rahmen der Erläuterung der Umstände der Vollstreckungsaufträge vom 14. November 2010 und 12. März 2011 hin, berücksichtigt den Beschluss aber - anders als die rechtskräftige Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung und die disziplinarrechtlichen Verfügungen - (gerade) nicht bei der von ihm vorgenommenen Gesamtbetrachtung.

ee) Auch geht das Oberlandesgericht nicht von einem Erfahrungssatz aus, dass ein Notar durch ein Strafverfahren und ein Strafurteil an der Ausübung seiner Amtsgeschäfte als Notar nur in der Zeit gehindert sei, in der der Amtsverlust gemäß § 24 BeamtStG eintritt. Es meint vielmehr, ein Zusammenhang zwischen dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren und der beanstandeten Art der Wirtschaftsführung sei in Bezug auf die zahlreichen bereits vor dem 25. März 2010 gegen den Notar eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen nicht ersichtlich. Selbst nach Wiederaufnahme seiner Amtsgeschäfte und erneuter Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der vorläufigen Amtsenthebung mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 habe der Kläger es in weiteren acht Fällen wegen berechtigter Forderungen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen lassen. Soweit der Kläger insoweit (wohl) darauf abstellen will, dass das seit dem Jahr 2000 laufende Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung ihn bei der Ausübung seiner Amtsgeschäfte beeinträchtigt habe, zeigt er einen Zusammenhang mit den gegen ihn ergangenen Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf; im Übrigen käme es darauf nach den oben genannten Grundsätzen auch nicht an.

c) Im vorliegenden Fall kann nicht - wie das Oberlandesgericht zu Recht annimmt - davon ausgegangen werden, dass die Gläubiger sich lediglich in einer kurzen, vorübergehenden und inzwischen überwundenen Phase der beruflichen Tätigkeit des Klägers veranlasst sehen mussten, ihre Forderungen zwangsweise beizutreiben.

aa) Auch wenn der Kläger nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts mittlerweile von seiner Auffassung abgerückt ist, wonach es sein gutes Recht sei, Gläubiger auf den Weg der Zwangsvollstreckung zu verweisen, und seit Juli 2013 keine erneuten Zwangsvollstreckungsanträge und seit Mai 2014 keine erneuten Abgabenrückstände bekannt geworden sind, so drohen ihm indes weitere Vollstreckungen wegen einer Forderung in Höhe von 150.841,88 € aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 22. August 2013 - 2- 30 O 371/12 - sowie wegen einer Forderung in Höhe von 1.739.143,29 € aus einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ). Dass die zugrunde liegenden Vollstreckungstitel zwischenzeitlich aufgehoben wären oder die Vollstreckung für unzulässig erklärt wäre, macht der Kläger nicht geltend. Soweit er meint, das Oberlandesgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger eigenes Vermögen unterhalten müsse, geht dies fehl. Das Oberlandesgericht hat bei seiner Prüfung, ob dem Kläger ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, um die weiterhin gegen ihn bestehenden Forderungen zu bedienen, zu Recht berücksichtigt, dass die Gläubiger des Klägers auf das von dem Sohn des Klägers zurückerworbene Grundstück in P. nicht zugreifen können. Vor diesem Hintergrund trifft schon nicht zu, dass der Beklagte zu 1 durch die vorläufige Amtsenthebung sowie die Amtsenthebung die gefährdenden wirtschaftlichen Verhältnisse erst schaffe, auf die er die Amtsenthebung stütze.

bb) Zu Recht und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, Beschluss vom 17. März 2014, aaO Rn. 8) hat das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung ferner berücksichtigt, dass der Kläger in dem vorliegenden Verfahren hinsichtlich einzelner Vollstreckungsmaßnahmen unzutreffend vorgetragen hat. Letzterem ist der Kläger in der Sache nicht entgegengetreten.

2. Das Oberlandesgericht hat die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers, kann er sich nicht auf einen durch eine etwaige Feststellung einer Menschenrechtsverletzung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufschiebend bedingten Anspruch stützen.

3. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO zuzulassen.

a) Eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts, mithin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG , ist nicht ersichtlich. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die von dem Kläger geäußerten Bedenken gegen die in den Beschlüssen über die Geschäftsverteilung für die Jahre 2013 und 2014 enthaltenen Regelungen über die Zuweisung von Verfahren kraft Sachzusammenhangs beträfen das vorliegende Verfahren nicht. Es weise die Endziffer 2 auf und sei daher ohnehin Teil des Dezernats des Berichterstatters. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Schon ausweislich des Aktenzeichens des Oberlandesgerichts trifft nicht zu, dass die Sache - wie der Kläger meint - zu den drei Neuzugängen des Jahres 2014 gehören könnte, von denen der Berichterstatter entlastet werden sollte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch einen Verstoß gegen § 109 VwGO rügt, kann das Urteil nicht auf der von dem Kläger vermissten Zwischenentscheidung beruhen.

b) Die pauschale Rüge des Klägers, das Oberlandesgericht habe den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt (§ 86 VwGO ), ihn aber jedenfalls unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) sowie unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG ) zum Nachteil des Klägers gewürdigt, greift nicht durch. Der Kläger zeigt eine Gehörsverletzung sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot nicht auf. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO . Die Wertfestsetzung ist gemäß § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO erfolgt.

Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 21.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Not 2/13
Fundstellen
DNotZ 2017, 314