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BFH - Entscheidung vom 12.10.2016

I R 80/14

Normen:
AStG i.d.F. des StVergAbG § 7 Abs. 6, Abs. 6a
EG Art. 56, Art. 57 Abs. 1
AEUV Art. 63, Art. 64 Abs. 1
AStG (i.d.F. des StVergAbG) § 7 Abs. 6
EG Art. 57 Abs. 1
AEUV Art. 64 Abs. 1
AStG (i.d.F. des StVergAbG) § 7 Abs. 6a
EG Art. 56
AEUV Art. 63

Fundstellen:
BB 2017, 660
BB 2018, 1817
BFH/NV 2017, 636
BFHE 256, 223
BStBl II 2017, 615
DB 2017, 12
DB 2017, 6
DStR 2017, 6
DStRE 2017, 534
DStZ 2017, 301
FR 2017, 642
GmbHR 2017, 538
HFR 2017, 372
IStR 2017, 316

BFH, Beschluss vom 12.10.2016 - Aktenzeichen I R 80/14

DRsp Nr. 2017/3724

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH betreffend die Wirksamkeit von Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 64 Abs. 1 AEUV ) dahin auszulegen, dass eine zum 31. Dezember 1993 im Zusammenhang mit Direktinvestitionen bestehende Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern durch einen Mitgliedstaat auch dann nicht von Art. 56 EG (jetzt: Art. 63 AEUV ) berührt wird, wenn die zum Stichtag bestehende, den Kapitalverkehr mit dritten Ländern beschränkende einzelstaatliche Rechtsvorschrift im Wesentlichen nur für Direktinvestitionen galt, aber nach dem Stichtag dahin erweitert worden ist, dass sie auch Portfoliobeteiligungen an ausländischen Gesellschaften unterhalb der Beteiligungsschwelle von 10 % erfasst? 2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Ist Art. 57 Abs. 1 EG dahin auszulegen, dass es als Anwendung einer am Stichtag 31. Dezember 1993 bestehenden einzelstaatlichen Rechtsvorschrift zur Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern in Zusammenhang mit Direktinvestitionen anzusehen ist, wenn eine der am Stichtag bestehenden Beschränkung im Wesentlichen entsprechende spätere Rechtsvorschrift zur Anwendung kommt, die zum Stichtag bestehende Beschränkung jedoch nach dem Stichtag aufgrund eines Gesetzes kurzzeitig wesentlich verändert worden ist, welches zwar rechtlich in Kraft getreten, in der Praxis aber nie zur Anwendung gekommen ist, weil es noch vor dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Anwendbarkeit auf einen Einzelfall durch die jetzt zur Anwendung kommende Rechtsvorschrift ersetzt worden ist? 3. Falls eine der ersten beiden Fragen zu verneinen ist: Steht Art. 56 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der in die Steuerbemessungsgrundlage eines in jenem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, der an einer in einem anderen Staat (hier: Schweiz) ansässigen Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist, die von dieser Gesellschaft erzielten positiven Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter anteilig in Höhe der jeweiligen Beteiligungsquote einbezogen werden, wenn diese Einkünfte einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 64 Abs. 1 AEUV ) dahin auszulegen, dass eine zum 31. Dezember 1993 im Zusammenhang mit Direktinvestitionen bestehende Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern durch einen Mitgliedstaat auch dann nicht von Art. 56 EG (jetzt: Art. 63 AEUV ) berührt wird, wenn die zum Stichtag bestehende, den Kapitalverkehr mit dritten Ländern beschränkende einzelstaatliche Rechtsvorschrift im Wesentlichen nur für Direktinvestitionen galt, aber nach dem Stichtag dahin erweitert worden ist, dass sie auch Portfoliobeteiligungen an ausländischen Gesellschaften unterhalb der Beteiligungsschwelle von 10 % erfasst?

2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Ist Art. 57 Abs. 1 EG dahin auszulegen, dass es als Anwendung einer am Stichtag 31. Dezember 1993 bestehenden einzelstaatlichen Rechtsvorschrift zur Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern in Zusammenhang mit Direktinvestitionen anzusehen ist, wenn eine der am Stichtag bestehenden Beschränkung im Wesentlichen entsprechende spätere Rechtsvorschrift zur Anwendung kommt, die zum Stichtag bestehende Beschränkung jedoch nach dem Stichtag aufgrund eines Gesetzes kurzzeitig wesentlich verändert worden ist, welches zwar rechtlich in Kraft getreten, in der Praxis aber nie zur Anwendung gekommen ist, weil es noch vor dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Anwendbarkeit auf einen Einzelfall durch die jetzt zur Anwendung kommende Rechtsvorschrift ersetzt worden ist?

3. Falls eine der ersten beiden Fragen zu verneinen ist: Steht Art. 56 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der in die Steuerbemessungsgrundlage eines in jenem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, der an einer in einem anderen Staat (hier: Schweiz) ansässigen Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist, die von dieser Gesellschaft erzielten positiven Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter anteilig in Höhe der jeweiligen Beteiligungsquote einbezogen werden, wenn diese Einkünfte einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen?

Normenkette:

AStG i.d.F. des StVergAbG § 7 Abs. 6 , Abs. 6a ; EG Art. 56, Art. 57 Abs. 1; AEUV Art. 63 , Art. 64 Abs. 1 ;

Gründe

I. Sach- und Streitstand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Inland ansässige GmbH, war zu 30 % an der im Juni 2005 gegründeten Y–AG, einer schweizerischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, beteiligt. Weitere Gesellschafterin war eine ebenfalls in der Schweiz ansässige anderweitige Kapitalgesellschaft.

Ende Juni 2005 schloss die Y–AG mit der (inländischen) Z–GmbH einen "Forderungskauf- und Übertragungsvertrag" (nachfolgend: Forderungskaufvertrag).

Der Forderungskaufvertrag enthält folgende Vorbemerkung: 
  "Die (Z–GmbH) hat mit vier (Sportvereinen) Verträge abgeschlossen, nach denen die (Z–GmbH) berechtigt ist, von den Vereinen für die Dauer der jeweiligen Verträge die Zahlung von den Vertragsparteien als 'Erlösbeteiligungen' bezeichnete(r) Beträge zu verlangen. Die Erlösbeteiligungsverträge enthalten verschiedene, uneinheitliche Regelungen zu Sicherheiten, welche die Vereine der (Z–GmbH) zur Sicherung der zu zahlenden Erlösbeteiligungen einräumten. Die Erlösbeteiligungsverträge sind in der heute gültigen Form allesamt darauf ausgelegt, dass die von der (Z–GmbH) an die Vereine einmalig oder in mehreren Teilbeträgen bezahlten, verlorenen und nicht rückzahlbaren Zuschüsse aufseiten der (Z–GmbH) als Abschreibungsdarlehen behandelt werden, aufseiten des jeweils betroffenen Vereins jedoch effektiv als unmittelbare Einnahmen verbucht werden konnten, denen keine in den jeweiligen Jahresabschlüssen unmittelbar auszuweisende, direkte Verbindlichkeit entgegen steht. Die in den jeweiligen Verträgen geregelten verlorenen Zuschüsse sind nach dem Willen der jeweiligen Parteien die Gegenleistung und die Rechtfertigung zur Einräumung der jeweiligen Erlösbeteiligung an die (Z–GmbH). Die jeweils konkret bezifferten Mindestbeträge der zu zahlenden Erlösbeteiligungen entsprechen in der Summe über die jeweilige Vertragslaufzeit hinweg exakt der Höhe der von der (Z–GmbH) an den jeweiligen Verein vormals bezahlten verlorenen Zuschüsse. Die (Z–GmbH) stellte dem jeweiligen Verein mittels der verlorenen Zuschüsse Liquidität zur Verfügung, die von dem Verein über die Vertragslaufzeit hinweg aus der Sicht der (Z–GmbH), abgesehen vom Risiko der Insolvenz des jeweiligen Vereins und dem damit verbundenen Ausfall, mit den vereinbarten Mindesterlösbeteiligungen im ungünstigsten Falle zinslos zurückzuführen war. Der unternehmerische Reiz der Verträge für die (Z–GmbH) besteht in zwei Teilbereichen: 
  Je nach dem sportlichen Erfolg des jeweiligen Vereins und dessen Einnahmen insbesondere aus (in den jeweiligen Verträgen näher definierten) medialen Verwertungsrechten und der darauf aufbauenden, höheren variablen Erlösbeteiligung der (Z–GmbH) konnte und kann die (Z–GmbH) aus den jeweiligen Verträgen attraktive Renditen erzielen. 
  gleichzeitig enthalten die Verträge jeweils Komponenten zur Erbringung weiterer Dienstleistungen durch die (Z–GmbH) im Rahmen der Verwertung der Sportrechte der jeweiligen Vereine, welche der (Z–GmbH) durch die Vereine aus dem jeweils selben Vertrag, wirtschaftlich jedoch auf anderer Grundlage separat zu vergüten sind. 
  Für die Zwecke dieses Vertrages sind 'Erlösbeteiligungen' als diejenigen Beträge zu verstehen, die sich aus den tabellarischen Erlösbeteiligungsstaffeln ... als Berechnungsgrundlage ergeben. Sie erfassen ausdrücklich nicht konkret tätigkeitsbezogene Vergütungsansprüche der (Z–GmbH) aus den betreffenden Verträgen —seien sie dort auch teilweise als 'Erlösbeteiligungen' bezeichnet—, solange und soweit diese das konkrete Entgelt für eine bestimmte, noch von der (Z–GmbH) zu erbringende Leistung sind und nicht im direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Zahlung verlorener Zuschüsse durch die (Z–GmbH) stehen." 

Als Kaufpreis für die Abtretung der "Erlösbeteiligungen" zahlte die Y–AG an die Z–GmbH einen Gesamtbetrag von X €, den sie in voller Höhe fremdfinanziert hatte. Die Klägerin gewährte der Y–AG im November 2005 ein Darlehen über X €.

Die Verträge der Z–GmbH mit den Vereinen wiesen folgende Grundstruktur auf: Neben einem "Agenturvertrag" für die Vermarktung medialer Verwertungsrechte des jeweiligen Vereins gewährte die Z–GmbH dem Verein ein "Abschreibungsdarlehen" bzw. einen Zuschuss ("signing fee"). Als "Gegenleistung" sollte der Verein die Z–GmbH für die Dauer der Vertragslaufzeit an den Einnahmen beteiligen, die er aus Marketing- und medialen Verwertungsrechten erzielen würde.

Mit dem Forderungskaufvertrag trat die Z–GmbH die Forderungen auf Zahlung der Erlösbeteiligungen an die Y–AG ab. Die sich aus den Agenturverträgen ergebenden Rechte und Pflichten waren nicht Vertragsgegenstand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah in der Y–AG eine Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6 und 6a des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen ( Außensteuergesetz ) i.d.F. des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz —StVergAbG—) vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660 , BStBl I 2003, 321 ) —nachfolgend: AStG 2006—. Er stellte zum 1. Januar 2006 gegenüber der Klägerin (für das Wirtschaftsjahr 2005) einen verbleibenden Verlustabzug für Verluste, die bei Einkünften entstanden sind, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, in Höhe von 95.223 € gesondert fest (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG 2006, § 10d des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung —EStG—). Zum 1. Januar 2007 stellte das FA gemäß § 18 Abs. 1 AStG 2006 Einkünfte aus passivem Erwerb einer ausländischen Gesellschaft in Höhe von 546.651 € fest, die mit dem für das Vorjahr festgestellten Verlust verrechnet wurden.

Die gegen beide Bescheide gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat sie mit Urteil vom 21. Oktober 2014 als unbegründet abgewiesen.

Gegen das FG-Urteil richtet sich die —vom FG zugelassene— Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel geltend macht.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Beurteilung nach deutschem Recht

1. Im Hinblick auf den das Wirtschaftsjahr 2005 betreffenden Feststellungsbescheid, mit dem das FA zum 1. Januar 2006 einen verbleibenden Verlustabzug i.S. des § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG 2006 von 95.223 € festgestellt hat, ist die Revision unbegründet und wird deshalb unabhängig von der Unionsrechtslage gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zurückzuweisen sein. Denn die diesbezügliche Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Klägerin ist durch jenen Bescheid nicht beschwert.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Klage gegen einen Verlustfeststellungsbescheid, mit der ein niedrigerer Verlust geltend gemacht wird, als von der Finanzbehörde festgestellt, unzulässig (Senatsurteil vom 21. Oktober 2014 I R 1/13, BFH/NV 2015, 690 ; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 I R 55/12, BFH/NV 2014, 903 ), weil dem Steuerpflichtigen durch die Feststellung eines zu hohen Verlusts kein Nachteil entsteht. Entsprechendes muss für den streitgegenständlichen Bescheid über die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG 2006, § 10d EStG gelten. Dass die Klägerin hier geltend macht, es sei mangels hinzurechenbarer Zwischeneinkünfte kein Raum für positive wie negative Feststellungsbescheide, ändert nichts daran, dass sie durch den angefochtenen Bescheid keine Nachteile erlitten hat oder noch erleiden könnte.

2. Hinsichtlich des Feststellungsbescheids betreffend das Wirtschaftsjahr 2006 ist die Revision auf der Grundlage innerstaatlichen Rechts ebenfalls unbegründet. Zwar ist die Klage insoweit zulässig, weil sie sich gegen die Feststellung eines positiven Hinzurechnungsbetrags richtet. Doch hat das FG die aus dem Forderungsabtretungsvertrag resultierenden Einkünfte der Y–AG ohne durchgreifenden Rechtsfehler als Zwischeneinkünfte mit Kaitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6 und 6a AStG 2006 beurteilt.

a) Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des Körperschaftsteuergesetzes ( KStG ), die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind gemäß § 7 Abs. 1 AStG 2006 die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (§ 8 AStG 2006), bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt.

Ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. des § 7 Abs. 6a AStG 2006 und ist ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt, sind gemäß § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG 2006 die Zwischeneinkünfte bei diesem Steuerpflichtigen in dem in Abs. 1 bestimmten Umfang steuerpflichtig, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 im Übrigen nicht erfüllt sind. Nach § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG 2006 gilt dies auch bei einer Beteiligung von weniger als 1 %, wenn die ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge erzielt, die Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen, es sei denn, dass mit der Hauptgattung der Aktien der ausländischen Gesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Nach § 7 Abs. 6 Satz 2 AStG 2006 greift die vorgenannte Steuerpflicht nicht, wenn die den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegenden Bruttoerträge nicht mehr als 10 % der den gesamten Zwischeneinkünften zugrunde liegenden Bruttoerträge der ausländischen Zwischengesellschaft betragen und die bei einer Zwischengesellschaft oder bei einem Steuerpflichtigen hiernach außer Ansatz zu lassenden Beträge insgesamt 120.000 DM (entspricht 61.355 €) nicht übersteigen.

Die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind in § 7 Abs. 6a AStG 2006 definiert. Danach sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft (§ 8 AStG 2006), die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG 2006 genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass sie aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG 2006 fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient, ausgenommen Tätigkeiten i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Kreditwesengesetzes .

b) Die Y–AG war für die Klägerin Zwischengesellschaft i.S. von § 7 Abs. 6 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG 2006. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz handelte es sich bei der Y–AG um eine ausländische (Schweizer) Gesellschaft i.S. von § 7 Abs. 1 AStG 2006, an der die Klägerin im Jahr 2006 zu 30 % beteiligt war. Diese Beteiligungsquote reicht —da weitere unbeschränkt Steuerpflichtige nicht beteiligt waren— zwar nicht zur Erfüllung des allgemeinen Tatbestands der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG 2006, der eine Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger in Höhe von mehr als 50 % voraussetzt. Jedoch übersteigt die Beteiligungsquote der Klägerin 1 % und ist damit ausreichend, um die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG 2006 auszulösen.

c) Die von der Y–AG aufgrund des Forderungsabtretungsvertrags erzielten Einkünfte sind Zwischeneinkünfte i.S. von § 7 Abs. 6 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG 2006. Nach der letztgenannten Bestimmung ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und die nicht aus einer der im Katalog des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG (i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006, BGBl I 2006, 2782 , BStBl I 2007, 4 ) aufgeführten (sog. aktiven) Tätigkeiten stammen.

aa) Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz unterlagen die Einkünfte der Y–AG —auch soweit sie aus dem Forderungsabtretungsvertrag mit der Z–GmbH resultierten— in der Schweiz einer niedrigen Besteuerung i.S. von § 8 Abs. 1 und 3 AStG 2006, nämlich einer Ertragsbesteuerung von weniger als 25 %.

bb) Die aus den von der Z–GmbH abgetretenen Forderungen erzielten Einkünfte stammen nicht aus einer der in § 8 Abs. 1 AStG 2006 aufgeführten "aktiven" Tätigkeiten. Soweit die Klägerin geltend macht, die Y–AG habe im fraglichen Zeitraum auch als "Dienstleisterin" für die vier Vereine fungiert, ist diesem Vorbringen kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass die aus der Forderungseinziehung resultierenden Einkünfte solche aus Dienstleistungen i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG 2006 sind oder solchen Einkünften zumindest funktional zuzuordnen sein könnten (vgl. zur funktionalen Betrachtungsweise im Rahmen des § 8 Abs. 1 AStG , z.B. Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 I R 61/09, BFHE 231, 152 , BStBl II 2011, 249 ). Die insoweit von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ) und des Übergehens von Beweisanträgen (Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO ) bleiben daher ohne Erfolg.

Den Feststellungen im angefochtenen Urteil ist nichts dafür zu entnehmen —und die Klägerin hat solches auch nicht vorgetragen—, dass die Y–AG im Streitjahr 2006 neben den hier streitigen Einnahmen aus der Einziehung der von der Z–GmbH abgetretenen Forderungen auf Erlösbeteiligung weitere Einkünfte (etwa aus mit den Vereinen bestehenden Dienstleistungsverträgen) erzielt hat. Soweit sie behauptet, das Geschäftsmodell der Y–AG sei darauf ausgerichtet gewesen, die Vereine sowohl bei der Aufrechterhaltung der Zentralvermarktung als auch bei der Stärkung ihres sportlichen Erfolgs zu unterstützen, ist anhand dieses Vorbringens nichts dafür ersichtlich, dass die Gesellschaft dieses Geschäftsmodell im Jahr 2006 bereits durch den Abschluss konkreter Beratungs- oder Agenturverträge mit einzelnen Sportvereinen in die Tat umgesetzt und aus dieser Tätigkeit Einkünfte erzielt hat, die als aus einer "aktiven" Tätigkeit i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG 2006 stammend angesehen werden könnten. So ist auch nicht erkennbar, dass die von der Klägerin behauptete Tätigkeit des Geschäftsführers und Verwaltungsrats der Y–AG zugunsten eines der Vereine über den Zweck, den Wert der streitbefangenen Erlösbeteiligung zu erhöhen, hinaus Gegenstand eines konkreten Dienstleistungsvertrags zwischen der Y–AG und jenem Verein gewesen ist, aus dem diese Einkünfte bezogen hat.

Entgegen der Darstellung der Klägerin hat der Abschluss des Forderungskaufvertrags auch keineswegs dazu geführt, dass die Z–GmbH die Agenturverträge mit den vier Vereinen ab diesem Zeitpunkt als "Subunternehmerin" der Y–AG ausgeführt hat. Vielmehr waren die Rechte und Pflichten der Z–GmbH und der vier Vereine (die nicht an dem Forderungskaufvertrag beteiligt waren) aus den Agenturverträgen nach den auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des FG nicht Gegenstand des Forderungskaufvertrags. Die Z–GmbH ist folglich im Hinblick auf die Agenturverträge unverändert und auf eigene Rechnung Vertragspartnerin der Vereine geblieben. Nichts anderes ergibt sich aus den Vertragsklauseln, denen zufolge die Z–GmbH sich gegenüber der Y–AG verpflichtet hat, ihre Unterstützungsverpflichtungen (Beratungs- und Vermittlungsleistungen) aus den Agenturverträgen gegenüber den Vereinen auch künftig vollständig und mangelfrei zu erbringen. Diese vertragliche Nebenpflicht sollte —wie die Klägerin selbst vorträgt— der Werterhaltung bzw. -erhöhung der abgetretenen Erlösforderungen dienen; die Y–AG ist dadurch indessen weder zivilrechtlich noch aus wirtschaftlicher Sicht selbst zur Dienstleisterin hinsichtlich der Pflichten aus den Agenturverträgen geworden.

d) Die aus dem Forderungskaufvertrag resultierenden Einkünfte der Y–AG —das sind die von den Vereinen auf die abgetretenen Forderungen an die Y–AG geleisteten Zahlungen— sind solche mit Kapitalanlagecharakter. Sie stammen aus dem Halten bzw. der Verwaltung von "Forderungen" i.S. der Legaldefinition des § 7 Abs. 6a AStG 2006.

aa) Ob die an die Y–AG abgetretenen (Geld-)Forderungen Vergütungsansprüche für i.S. von § 8 Abs. 1 AStG 2006 "aktive" Tätigkeiten der ursprünglichen Forderungsinhaberin Z–GmbH gewesen sind oder nicht, ist für die Frage des Kapitalanlagecharakters der streitigen Einkünfte nicht von Bedeutung. Denn durch die Veräußerung und Übertragung der isolierten Geldforderungen auf die Klägerin sind diese aus dem ursprünglichen Zusammenhang gelöst geworden. So wird z.B. zu Recht grundsätzlich auch das sog. Factoringgeschäft unter § 7 Abs. 6a AStG 2006 subsumiert (Bundesministerium der Finanzen —BMF—, Anwendungserlass zum Außensteuergesetz —AEAStG— vom 14. Mai 2004, BStBl I 2004, SonderNr. 1/2004, 3, Tz. 7.6.4; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld —F/W/B/S—, Außensteuerrecht, § 7 AStG Rz 197).

bb) Auch steht dem Kapitalanlagecharakter —anders als die Klägerin meint— nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Forderungskaufvertrags die Höhe der künftigen Erlösbeteiligungen noch ungewiss war, weil diese wesentlich vom sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg der vier Vereine und —so die Klägerin— vom Weiterbestand der Vermarktungsrechte der Vereine abhängig gewesen ist. Eine bestehende Ungewissheit hinsichtlich der Höhe einer Kapitalforderung beeinflusst den Kapitalanlagecharakter nicht, wie z.B. aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG zu ersehen ist. Nach dessen Halbsatz 2 sind Erträge aus "sonstigen Kapitalforderungen" ausdrücklich auch dann den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen, wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.

cc) Auch die von der Klägerin vorgetragenen Aktivitäten der Y–AG im Zusammenhang mit dem Versuch, die aufgrund des Forderungskaufvertrags erhaltenen Erlösbeteiligungen gewinnbringend an die betreffenden Vereine selbst oder an Dritte weiter zu veräußern, vermögen den Kapitalanlagecharakter der erzielten Einkünfte nicht zu widerlegen. Wie das FG zu Recht angenommen hat, zählt auch die Veräußerung der in § 7 Abs. 6a AStG 2006 aufgeführten Wirtschaftsgüter zu den von der Vorschrift erfassten Tätigkeiten (AEAStG Tz. 7.6.4; Protzen in Kraft, AStG , § 7 Rz 298); offenbleiben kann dabei, ob die Veräußerung als gleichsam letzter Akt noch dem "Halten" des Gegenstands zugeordnet werden kann (so Wassermeyer in F/W/B/S, a.a.O., § 7 AStG Rz 193) oder ob sie nur unter den allgemeineren Begriff der "Verwaltung" fällt (so Haase/Reiche, AStG/DBA, 3. Aufl., § 7 AStG Rz 146).

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, das FG habe ihr diesbezügliches Vorbringen und die von ihr vorgelegten Belege für die Veräußerungsaktivitäten und den dadurch in dem Fall eines Vereins im Oktober 2007 tatsächlich erzielten Veräußerungserlös verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Denn etwaige Verfahrensmängel in Form eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 FGO ) oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO ) wären auf der Grundlage des soeben geschilderten —insoweit maßgeblichen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2008 I B 162/07, BFH/NV 2008, 1353 , m.w.N.)— materiell-rechtlichen Standpunkts des FG nicht ursächlich für die angefochtene Entscheidung und könnten daher eine Aufhebung des FG-Urteils nicht rechtfertigen.

Zweifelhaft wäre der Kapitalanlagecharakter allenfalls dann, wenn die Y–AG an dem späteren Zufluss der Erlösbeteiligungen kein Interesse gehabt hätte, sondern es ihr dabei von vornherein allein darum gegangen wäre, die Forderungen als Handelsobjekte kurzfristig gewinnbringend weiter zu veräußern. Von einem solchen Sachverhalt kann aber auch auf der Grundlage des Revisionsvorbringens nicht ausgegangen werden. Die Klägerin trägt dort vielmehr vor, es sei Ziel der Y–AG gewesen, mit dem Erwerb der Erlösbeteiligungen nach dem Vorbild der Z–GmbH "nachhaltig" in das Geschäft der Beratung und Promotion von Sportvereinen einzusteigen; mit dem Erlös aus etwaigen Weiterveräußerungen habe sie Kapital für den Erwerb weiterer Erlösbeteiligungen an anderen Vereinen generieren wollen.

e) Die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter gemäß § 7 Abs. 6 und Abs. 6a AStG 2006 können nicht —wie die Klägerin meint—, im Wege der teleologischen Reduktion auf Fälle beschränkt werden, in denen die Gesellschafter der Auslandsgesellschaft dieser tatsächlich Kapitalvermögen zuführen und die Erträge hieraus durch die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft der inländischen Besteuerung entziehen. Die Hinzurechnung von Einkunftsteilen ausländischer Zwischengesellschaften nach Maßgabe von §§ 7 ff. AStG 2006 bezweckt die Abschöpfung sog. passiver Einkünfte im niedrig besteuernden Ausland; sie dient als solche einer typisierten Missbrauchsabwehr (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 I R 114/08, BFHE 227, 64 , BStBl II 2010, 774 ). Das gilt auch für die Hinzurechnungsbesteuerung im Hinblick auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter. Dem gesetzgeberischen Konzept der typisierten Missbrauchsabwehr würde das Erfordernis einer Missbrauchsprüfung im jeweiligen Einzelfall zuwiderlaufen. Dies kann auch daran ersehen werden, dass der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz ( JStG ) 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150 , BStBl I 2008, 218 ) in § 8 Abs. 2 AStG aus unionsrechtlichen Gründen —zunächst allerdings nicht für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter— für die Gesellschafter von in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ansässigen Zwischengesellschaften gezielt die Möglichkeit eines Gegenbeweises für eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der Auslandsgesellschaft in jenem Staat eingeführt hat. Außerhalb dessen ist nach dem gesetzgeberischen Konzept für eine Einschränkung der Hinzurechnungstatbestände kein Raum.

f) Die zuvor erwähnte Ausnahmebestimmung des § 8 Abs. 2 AStG i.d.F. des JStG 2008 kommt im Streitfall nicht zur Anwendung, weil sie gemäß § 21 Abs. 17 Satz 1 AStG i.d.F. des JStG 2008 erst auf Zwischeneinkünfte aus Wirtschaftsjahren nach dem 31. Dezember 2007 anwendbar ist, außerdem die Schweiz als Ansässigkeitsstaat der Y–AG nicht Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR ist und die Bestimmung ursprünglich nur für jene Steuerpflichtigen galt, die i.S. von § 7 Abs. 2 AStG i.d.F. des JStG 2008 —d.h. zu mehr als der Hälfte— an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.

III. Vereinbarkeit mit Unionsrecht

Die sonach im Streitfall steuerbegründenden Rechtsvorschriften über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter nach § 7 Abs. 6 und 6a AStG 2006 gelten nur für Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften und könnten deshalb gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union , der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte —EG—, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1, jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —AEUV—, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) verstoßen.

1. Nach der zu einer britischen Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verstößt es gegen die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, jetzt Art. 49 AEUV ), dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen; von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht (EuGH-Urteil Cadbury Schweppes vom 12. September 2006 C–196/04, EU:C:2006:544, Slg. 2006, I–7995; s. zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf §§ 7 ff. AStG Senatsurteil in BFHE 227, 64 , BStBl II 2010, 774 , Rz 25 ff.). Der deutsche Gesetzgeber hat auf die EuGH-Rechtsprechung mit der durch das Jahressteuergesetz 2008 in das Gesetz eingefügten Bestimmung des § 8 Abs. 2 AStG reagiert, der dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumt nachzuweisen, dass die jeweilige Zwischengesellschaft —soweit sie in der EU oder dem EWR ansässig ist— einer tatsächlichen Tätigkeit in dem betreffenden ausländischen Staat nachgeht (sog. Motivtest). § 8 Abs. 2 AStG ist mit dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz —AmtshilfeRLUmsG— vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809 , BStBl I 2013, 802 ) dahin erweitert worden, dass der Motivtest auch für Inländerbeteiligungen nach § 7 Abs. 6 AStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG (ab 1 %) und damit auch für alle Fälle der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter gilt. Doch ist die Vorschrift weder zeitlich (die Erweiterung durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz gilt erst für nach dem 31. Dezember 2012 beginnende Wirtschaftsjahre, § 21 Abs. 21 Satz 3 AStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG) noch sachlich (die Schweiz ist nicht Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR) auf den Streitfall anwendbar.

2. Ein Verstoß des § 7 Abs. 6 und 6a AStG 2006 gegen Art. 43 EG steht im Streitfall jedoch nicht in Rede. Denn die Niederlassungsfreiheit bezieht sich —was die Beschränkung der Gründung u.a. von Tochtergesellschaften betrifft— gemäß Art. 43 Satz 2 EG auf Gründungen im Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten, zu denen die Schweiz als sog. Drittstaat nicht gehört. Jedoch ist zu prüfen, ob die Hinzurechnungsbesteuerung ohne Möglichkeit eines Entlastungsbeweises in Bezug auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter gemäß § 7 Abs. 6 und 6a AStG 2006 im Streitfall gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, die nach Art. 56 Abs. 1 EG grundsätzlich auch den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern schützt. Da es sich bei den Hinzurechnungsbeträgen um zum Zwecke der Besteuerung fingierte Beteiligungserträge der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften handelt (Zurechnung ausländischer Einkünfte ohne vorhergehende Ausschüttung), die bei Beteiligungen an Inlandsgesellschaften nicht vorgenommen wird, könnte der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich eröffnet sein.

a) Unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung wird die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im vorliegenden Fall nach Auffassung des vorlegenden Senats nicht durch einen Vorrang der Niederlassungsfreiheit verdrängt.

aa) Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt, dass für die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen ist. Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen. Eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus einem Drittland, die nicht ausschließlich für Situationen gilt, in denen die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet, ist nach Art. 56 EG zu beurteilen; eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft kann sich daher unabhängig vom Umfang der Beteiligung, die sie an der in einem Drittland niedergelassenen Dividenden ausschüttenden Gesellschaft hält, auf diese Bestimmung berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung in Frage zu stellen (vgl. insbesondere EuGH-Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation vom 13. November 2012 C–35/11, EU:C:2012:707, Rz 90 ff., Internationales Steuerrecht —IStR— 2012, 924 , und Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10. April 2014 C–190/12, EU:C:2014:249, Rz 25 ff., IStR 2014, 333 ; zur Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz 7.95 ff.).

bb) Nach diesen Kriterien ist die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit hier nicht aufgrund Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gesperrt (ebenso z.B. Schön, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht —JbFSt— 2013/2014, S. 85, 90; derselbe Beihefter zu IStR 2013, Heft 6, S. 3 , 19; Köhler in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 7 AStG Rz 22.1; vgl. auch Schönfeld in F/W/B/S, a.a.O., § 8 AStG Rz 429 f.). Denn die Hinzurechnungsbesteuerung bei den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter greift gemäß § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG 2006 bereits ab der Beteiligungshöhe eines unbeschränkt Steuerpflichtigen von 1 % und ggf. —unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG 2006— sogar für Beteiligungen unter 1 %. Sie ist damit auch auf Portfoliobeteiligungen und folglich unabhängig von konkreten Einwirkungsmöglichkeiten des Steuerpflichtigen auf die Unternehmensleitung anzuwenden. Dass die Beteiligungshöhe der Klägerin an der Y–AG im vorliegenden Fall 30 % betragen und damit möglicherweise ein "sicherer Einfluss" auf die Unternehmensleitung vorgelegen hat, führt demnach nicht zu einem die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängenden Vorrang der Niederlassungsfreiheit.

b) Die Anwendbarkeit des Art. 56 EG auf den vorliegenden Drittstaatensachverhalt könnte aber nach der Ausnahmebestimmung des Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV ) ausgeschlossen sein. Nach dieser Bestimmung (sog. Standstill-Klausel) berührt Art. 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

Die Klausel könnte hier einschlägig sein, weil die Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297 , BStBl I 1992, 146 ) eingeführt worden ist, vor dem Stichtag 31. Dezember 1993 noch modifiziert durch Art. 12 des Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz —StMBG—) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310 , BStBl I 1994, 50 ), welches in diesem Punkt am 30. Dezember 1993 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 34 Abs. 1 StMBG ). Die Anwendbarkeit des Art. 57 Abs. 1 EG auf die streitgegenständliche Konstellation ist jedoch nicht frei von Zweifeln.

aa) Dass im Streitfall eine Direktinvestition i.S. des Art. 57 Abs. 1 EG vorliegt, erscheint aus Sicht des vorlegenden Senats allerdings nicht zweifelhaft. Er versteht die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 57 Abs. 1 EG dahin, dass es sich bei der betreffenden Beschränkung nicht um eine solche handeln muss, die ausschließlich und gezielt Direktinvestitionen betrifft, sondern dass es ausreicht, dass die zum 31. Dezember 1993 geltende Beschränkung neben Portfoliobeteiligungen auch Direktinvestitionen erfasst und dass im jeweiligen Anwendungsfall eine Direktinvestition vorliegt (vgl. z.B. den Fall des EuGH-Urteils Holböck vom 24. Mai 2007 C–157/05, EU:C:2007:297, Slg. 2007, I–4051). Art. 57 Abs. 1 EG ist danach im Streitfall dann anwendbar, wenn es sich bei der 30 %-Beteiligung der Klägerin an der Y–AG um eine Direktinvestition handelt.

Dies ist zu bejahen. Eine Direktinvestition erfordert keinen tatsächlich bestehenden sicheren oder bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft; es reicht vielmehr aus, dass der Investor aufgrund der Investition die Möglichkeit hat, sich tatsächlich an der Verwaltung der Tochtergesellschaft oder deren Kontrolle zu beteiligen (z.B. EuGH-Urteil Holböck, EU:C:2007:297, Rz 35, Slg. 2007, I–4051; Sedlaczek/Züger in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 64 Rz 14, jeweils m.w.N.). Auch wenn das FG keine konkreten Feststellungen zu den Verwaltungs- und Kontrollmöglichkeiten der Klägerin an der Y–AG nach schweizerischem Gesellschaftsrecht getroffen hat, kann davon ausgegangen werden, dass solche bei der vorliegenden 30 %-Beteiligung bestanden haben.

bb) Da das nationale System der Hinzurechnungsbesteuerung insgesamt und auch in Bezug auf die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter nach dem 31. Dezember 1993 Änderungen erfahren hat, ist aber fraglich, ob die im Streitjahr 2006 geltenden Hinzurechnungsbesteuerungsvorschriften für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter noch im Wesentlichen mit den zum 31. Dezember 1993 geltenden Regeln identisch sind. Die betreffende Regelung muss nach der EuGH-Rechtsprechung im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmen oder nur ein Hindernis abmildern oder beseitigen, das nach der früheren Regelung der Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte und Freiheiten entgegenstand. Beruht dagegen eine Regelung auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und führt sie neue Verfahren ein, so kann sie den Rechtsvorschriften, die zu dem im betreffenden Gemeinschaftsrechtsakt genannten Zeitpunkt bestehen, nicht gleichgestellt werden (EuGH-Urteil Holböck, EU:C:2007:297, Rz 41, Slg. 2007, I–4051). Eine Altregelung i.S. des Art. 57 EG liegt nur dann vor, wenn der rechtliche Rahmen, in den sich die betroffene Regelung einfügt, seit dem Stichtag 31. Dezember 1993 ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats ist (z.B. EuGH-Urteil Prunus und Polonium vom 5. Mai 2011 C–384/09, EU:C:2011:276, Rz 34, Slg. 2011, I–3319).

aaa) Die Entwicklung der Hinzurechnungsbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hat sich seit dem Stichtag (in groben Zügen) wie folgt gestaltet (vgl. im Einzelnen z.B. Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz 6 ff.; Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 23 ff.):

(1) Zum 31. Dezember 1993 galt in Deutschland das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren. Dieses System beseitigte die wirtschaftliche Doppelbelastung aufgrund der Besteuerung zum einen des Einkommens der Körperschaft und zum anderen der an den Anteilseigner ausgeschütteten Dividenden in der Weise, dass die bei der Körperschaft angefallene Körperschaftsteuer auf die Steuerschuld des Anteilseigners angerechnet wurde. Ausländische Körperschaftsteuer wurde allerdings nicht angerechnet. Auf dieses System der Körperschaftbesteuerung war die Hinzurechnungsbesteuerung ausgerichtet, wobei sich die Wirkungsweise der allgemeinen Hinzurechnungbesteuerung (§ 7 Abs. 1 bis 5 AStG i.d.F. des StMBG ) und die der Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 i.V.m. § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG i.d.F. des StMBG ) in wesentlichen Punkten unterschieden:  
  Im Rahmen der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung wurden die betreffenden passiven Zwischeneinkünfte (nach Abzug der auf diese Einkünfte von der Zwischengesellschaft gezahlten ausländischen Steuern, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG i.d.F. des StMBG ) beim Anteilseigner nicht erst —wie bei Inlandsbeteiligungen— im Ausschüttungszeitpunkt, sondern durch Ausschüttungsfiktion zeitnah nach ihrer Entstehung (§ 10 Abs. 2 AStG i.d.F. des StMBG ) zum individuellen Steuersatz besteuert. Auf den Hinzurechnungsbetrag wurden die Bestimmungen der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ( DBA ) —insbesondere auch die sog. Schachtelprivilegien— wie auf Ausschüttungen angewendet (§ 10 Abs. 5 AStG i.d.F. des StMBG ). Kam es später zur tatsächlichen Gewinnausschüttung an den Anteilseigner, wurde diese nach den allgemeinen Vorschriften besteuert und die Hinzurechnungsbesteuerung rückgängig gemacht (§ 11 Abs. 1 und 2 AStG i.d.F. des StMBG ). 
  Die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wurden beim Anteilseigner ebenfalls durch Ausschüttungsfiktion zeitnah nach ihrer Entstehung besteuert (§ 10 Abs. 2 AStG i.d.F. des StMBG ). Im Unterschied zu den allgemeinen Zwischeneinkünften fanden bei den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter auf den Hinzurechnungsbetrag aber die bilateralen DBA -Vorschriften zur Freistellung von Dividenden keine entsprechende Anwendung (§ 10 Abs. 6 AStG i.d.F. des StMBG ). Darüber hinaus führten tatsächliche Ausschüttungen der Zwischengesellschaft nicht zur Rückgängigmachung der Hinzurechnung (§ 11 Abs. 4 Satz 1 AStG i.d.F. des StMBG ); vielmehr waren die Ausschüttungen beim Anteilseigner steuerfrei (§ 11 Abs. 4 Satz 2 AStG i.d.F. des StMBG ). Im Ergebnis blieb die Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags bei den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter folglich "definitiv". Sie konnte weder durch DBA -Regeln noch durch Gewinnausschüttungen vermieden oder gemindert werden. 

(2) Mit dem Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz —StSenkG—) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433 , BStBl I 2000, 1428 ) wurde das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren aufgehoben und durch das sog. Halbeinkünfteverfahren ersetzt. Durch dieses wurde der Körperschaftsteuersatz von vorher 40 % auf 25 % gesenkt. Gewinnausschüttungen wurden bei natürlichen Personen als Anteilseignern nur noch zur Hälfte (zum individuellen Steuersatz) besteuert (§ 3 Nr. 40 EStG i.d.F. des StSenkG ). Eine Anrechnung der Körperschaftsteuer fand nicht mehr statt. Der Gewinn wurde folglich in pauschalierter Weise etwa zur Hälfte bei der Körperschaft und zur Hälfte beim Anteilseigner besteuert. Gewinnausschüttungen an Körperschaftsteuersubjekte als Anteilseigner waren zur Vermeidung von Kaskadeneffekten grundsätzlich steuerfrei (§ 8b Abs. 1 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 20. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1850 , BStBl I 2001, 28 ); es wurden lediglich pauschal 5 % der Ausschüttungen als nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt (§ 8b Abs. 5 KStG in jener Fassung).

Der beschriebene Wechsel des Körperschaftsteuersystems, welches zu einer steuerlichen Entlastung der Gewinnausschüttungen führte, machte Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung erforderlich. Mit dem Steuersenkungsgesetz wurde zunächst eine Regelung in Kraft gesetzt, der zufolge der Hinzurechnungsbetrag nicht mehr zu den Einkünften aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb gehörte, sondern wie eine eigenständige Einkunftsart schedulenmäßig mit einer (einheitlichen) Sondersteuer von 38 % belastet wurde, die der tariflichen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer hinzuzurechnen war (§ 10 Abs. 2 AStG i.d.F. des StSenkG ). Die zuvor erwähnten Begünstigungen des Steuersenkungsgesetzes für Ausschüttungen galten für den Hinzurechnungsbetrag nicht. DBA -Vorschriften betreffend Dividenden sollten auf die allgemeinen Zwischeneinkünfte anwendbar sein, nicht aber auf den sich aus den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ergebenden Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 5 und 6 AStG i.d.F. des StSenkG ).

(3) Die Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Steuersenkungsgesetz kam jedoch in der Praxis nie zur Anwendung, weil die betreffenden Vorschriften mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz —UntStFG—) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858 , BStBl I 2002, 35 ) wieder aufgehoben und durch ein Hinzurechnungsbesteuerungssystem nach folgenden Maßgaben ersetzt wurden:

Die Schedulensondersteuer auf den Hinzurechnungsbetrag wurde abgeschafft und der Hinzurechnungsbetrag wurde wieder in das System der Einkommen- und Körperschaftsteuer integriert. Der Hinzurechnungsbetrag wurde danach zeitnah nach Erzielung der jeweiligen Zwischeneinkünfte wie eine Ausschüttung besteuert; die für Dividenden geltenden Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG waren jedoch nicht anwendbar (vgl. § 10 Abs. 2 AStG i.d.F. des UntStFG). DBA -Vorschriften betreffend Dividenden sollten auf die allgemeinen Zwischeneinkünfte anwendbar sein, nicht aber auf den sich aus den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ergebenden Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 5 und 6 AStG i.d.F. des UntStFG). Durch tatsächliche Ausschüttungen der Zwischengesellschaft wurde die Hinzurechnungsbesteuerung nunmehr sowohl bei den allgemeinen Zwischeneinkünften als auch bei den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter nicht rückgängig gemacht; dafür blieben die tatsächlichen Ausschüttungen steuerfrei (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG i.d.F. des UntStFG). Im Ausland erhobene Quellensteuern auf den Ausschüttungsbetrag wurden entsprechend den Maßgaben des § 34c Abs. 1 und 2 EStG i.d.F. des UntStFG auf Antrag auf die auf den Hinzurechnungsbetrag zu entrichtende Steuer angerechnet oder von dieser Steuer abgezogen (§ 12 Abs. 3 AStG i.d.F. des UntStFG).

Für die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wurde mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz die für die Hinzurechnung erforderliche Mindestbeteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen an der ausländischen Zwischengesellschaft von bis dahin 10 % auf 1 % gesenkt (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG i.d.F. des UntStFG). In den Fällen, in denen die Zwischengesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge erzielt, die Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen, sollte die Hinzurechnung auch bei Beteiligungen in Höhe von weniger als 1 % erfolgen; hiervon sollten jedoch die Fälle ausgenommen werden, in denen mit der Hauptgattung der Aktien der Zwischengesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG i.d.F. des UntStFG).

(4) Mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 wurde u.a. die Regelung des § 10 Abs. 5 AStG aufgehoben. Dadurch galt nunmehr auch für die allgemeinen Zwischeneinkünfte, dass auf die Hinzurechnungsbesteuerung nicht die Regelungen der DBA zur Freistellung von Dividenden anwendbar sind. Für die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter galt dies schon seit 1992.

bbb) Grundsätzlich hat das nationale Gericht den Inhalt der Rechtsvorschriften festzustellen, die zu einem in einem Gemeinschaftsrechtsakt festgelegten Zeitpunkt bestehen; doch kann der EuGH die Kriterien für die Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs liefern, der den Bezugspunkt für die Anwendung einer gemeinschaftlichen Ausnahmeregelung auf zu einem festgelegten Zeitpunkt "bestehende" nationale Rechtsvorschriften darstellt (vgl. EuGH-Urteil Holböck, EU:C:2007:297, Rz 40, Slg. 2007, I–4051). Eine solche Klärung durch den EuGH hält der vorlegende Senat im Hinblick auf eine mögliche Fortgeltung der deutschen Regelung zur Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. des Art. 57 Abs. 1 EG in zwei Punkten für geboten:

(1) Was die Rechtsfolgen der Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter betrifft, stimmt die im Streitfall zur Anwendung kommende, insoweit durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen bis zum Streitjahr 2006 in ihrem Kern unberührt gebliebene, Rechtslage nach dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (s. oben III.2.b bb aaa (3)) im Wesentlichen mit der zum Stichtag 31. Dezember 1993 geltenden Rechtslage überein. Es werden mit jenem Gesetz für die Hinzurechnungsbesteuerung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter die zum 31. Dezember 1993 bestehenden, ursprünglich auf dem körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren basierenden, Rechtsfolgen wiederhergestellt (vgl. Rust, a.a.O., S. 52 f.). So wird der Hinzurechnungsbetrag wie eine Ausschüttung besteuert und sind die im Zuge des Steuersenkungsgesetzes für Dividenden geltenden allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG nicht anwendbar (vgl. § 10 Abs. 2 AStG i.d.F. des UntStFG). DBA -Vorschriften betreffend Dividenden dürfen nach wie vor nicht auf den sich aus den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ergebenden Hinzurechnungsbetrag angewendet werden (§ 10 Abs. 6 AStG i.d.F. des UntStFG). Durch tatsächliche Ausschüttungen der Zwischengesellschaft wird die Hinzurechnungsbesteuerung nicht rückgängig gemacht; dafür bleiben die tatsächlichen Ausschüttungen steuerfrei (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG i.d.F. des UntStFG). Im Ausland erhobene Quellensteuern auf den Ausschüttungsbetrag können in den Grenzen des § 34c Abs. 1 und 2 EStG i.d.F. des UntStFG auf die auf den Hinzurechnungsbetrag zu entrichtende Steuer angerechnet oder von dieser Steuer abgezogen werden (§ 12 Abs. 3 AStG i.d.F. des UntStFG).

Eine wesentliche Änderung nimmt das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 jedoch hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor: Die für die Hinzurechnung erforderliche Mindestbeteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen an der ausländischen Zwischengesellschaft wird von bis dahin 10 % auf nur noch 1 % gesenkt (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG i.d.F. des UntStFG). In den Fällen, in denen die Zwischengesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge erzielt, die Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen, kann die Hinzurechnung sogar bei Beteiligungen in Höhe von weniger als 1 % erfolgen (s. oben III.2.b bb aaa (3)).

Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter auf Portfoliobeteiligungen von unter 10 % ist nach Auffassung des vorlegenden Senats grundsätzlich als eine wesentliche Änderung der zum Stichtag bestehenden Gesetzeslage zu beurteilen. Denn dadurch wird die Beschränkung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs in nicht unerheblichem Maße ausgeweitet. Allerdings betrifft die Erweiterung des Anwendungsbereichs nur Beteiligungen von weniger als 10 % und folglich in der Regel nur Portfoliobeteiligungen und nicht Direktinvestitionen i.S. von Art. 57 Abs. 1 EG. Außerdem war die Klägerin im vorliegenden Fall zu 30 % an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Ihre Beteiligung an der Y–AG hätte demnach auch auf der Grundlage der zum 31. Dezember 1993 geltenden Gesetzeslage, die eine Mindestbeteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen von 10 % vorsah, zur Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter geführt.

Es ist daher die Frage zu beantworten, ob Art. 57 Abs. 1 EG dahin auszulegen ist, dass eine zum 31. Dezember 1993 im Zusammenhang mit Direktinvestitionen bestehende Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern durch einen Mitgliedstaat auch dann nicht von Art. 56 EG berührt wird, wenn die zum Stichtag bestehende, den Kapitalverkehr mit dritten Ländern beschränkende einzelstaatliche Rechtsvorschrift im Wesentlichen nur für Direktinvestitionen galt, aber nach dem Stichtag dahin erweitert worden ist, dass sie auch Portfoliobeteiligungen an ausländischen Gesellschaften unterhalb der Beteiligungsschwelle von 10 % erfasst (erste Vorabentscheidungsfrage).

Nach Auffassung des vorlegenden Senats spricht der auf Direktinvestitionen beschränkte Zweck des Art. 57 EG dafür, Modifikationen der zum 31. Dezember 1993 bestehenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nur dann als zur Anwendbarkeit des Art. 56 EG führende wesentliche Änderungen anzusehen, wenn sie sich auf Direktinvestitionen auswirken können. Änderungen und Erweiterungen, die sich nur auf Portfoliobeteiligungen an Kapitalgesellschaften aus dritten Ländern beziehen, würden danach der Anwendbarkeit der Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG nicht entgegenstehen.

(2) Wäre die erste Vorabentscheidungsfrage zu bejahen, müsste im Zusammenhang mit Art. 57 Abs. 1 EG außerdem noch geprüft werden, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, dass mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 zwischenzeitlich eine auch die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter betreffende Änderung des Hinzurechnungssystems in Kraft gesetzt worden ist. Die Einführung des unter III.2.b bb aaa (2) beschriebenen Systems der Schedulenbesteuerung des Hinzurechnungsbetrags könnte nach Auffassung des Senats nicht mehr als Fortführung des zum 31. Dezember 1993 geltenden Systems der Hinzurechnungsbesteuerung angesehen werden, weil deren Rechtsfolgen auch hinsichtlich der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter in erheblicher Weise modifiziert worden sind. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist mit der Behandlung des Hinzurechnungsbetrags als eigene, mit anderen Einkünften nicht verrechenbare Einkunftsart, die einem pauschalen Sondersteuersatz von 38 % unterliegt, von Grund auf neu geordnet worden.

Fraglich ist aber, ob die Änderungen des Außensteuergesetzes durch das Steuersenkungsgesetz im Rahmen der Prüfung des Art. 57 Abs. 1 EG zu berücksichtigen sind. Denn diese Rechtsvorschriften sind zwar gemäß Art. 19 Abs. 1 StSenkG am 1. Januar 2001 in Kraft getreten und damit zum Bestandteil des geltenden nationalen Rechts geworden. Die Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung sollte aber gemäß § 21 Abs. 7 Satz 2 AStG i.d.F. des StSenkG erstmals für den Veranlagungszeitraum Anwendung finden, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem 31. Dezember 2000 beginnt; grundsätzlich hätten die Neuregelungen folglich erstmals ab dem Veranlagungszeitraum (Feststellungsjahr) 2002 zu einer Hinzurechnung führen können. Schon vor diesem Zeitpunkt sind die Änderungen jedoch mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001, welches insoweit am 25. Dezember 2001 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 12 Abs. 1 UntStFG), wieder aufgehoben und durch die oben beschriebene Neuregelung ersetzt worden. Diese ersetzende Gesetzesfassung sollte gemäß § 21 Abs. 7 Satz 4 AStG i.d.F. des UntStFG —in gleicher Weise wie vormals die Änderungen des Steuersenkungsgesetzes— erstmals für den Veranlagungszeitraum Anwendung finden, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem 31. Dezember 2000 beginnt. Damit wurden die Änderungen des Hinzurechnungsbesteuerungssystems durch das Steuersenkungsgesetz aufgehoben, bevor sie erstmals in einem Einzelfall zu einer Hinzurechnung hätten führen können.

Demnach ist die Frage zu beantworten, ob Art. 57 Abs. 1 EG dahin auszulegen ist, dass es als Anwendung einer am Stichtag 31. Dezember 1993 bestehenden einzelstaatlichen Rechtsvorschrift zur Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern in Zusammenhang mit Direktinvestitionen anzusehen ist, wenn eine der am Stichtag bestehenden Beschränkung im Wesentlichen entsprechende spätere Rechtsvorschrift zur Anwendung kommt, die zum Stichtag bestehende Beschränkung jedoch nach dem Stichtag aufgrund eines Gesetzes kurzzeitig wesentlich verändert worden ist, welches zwar rechtlich in Kraft getreten, in der Praxis aber nie zur Anwendung gekommen ist, weil es noch vor dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Anwendbarkeit auf einen Einzelfall durch die jetzt zur Anwendung kommende Rechtsvorschrift ersetzt worden ist (zweite Vorabentscheidungsfrage).

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge eine Altregelung i.S. des Art. 57 EG nur dann vorliegt, wenn der rechtliche Rahmen, in den sich die betroffene Regelung einfügt, seit dem Stichtag 31. Dezember 1993 ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats ist (EuGH-Urteile A vom 18. Dezember 2007 C–101/05, EU:C:2007:804, Rz 48, Slg. 2007, I–11531; Prunus und Polonium, EU:C:2011:276, Rz 34, Slg. 2011, I–3319) könnte die Frage zu verneinen sein. Denn formal betrachtet ist die wesentliche Änderung der zum 31. Dezember 1993 bestehenden Rechtslage —wenn auch nur vorübergehend— Teil der nationalen Rechtsordnung geworden und hat damit die Geltung der zum 31. Dezember 1993 bestehenden Beschränkungsregeln unterbrochen. Es erscheint jedoch nicht zweifelsfrei, ob die Bestandsgarantie für eine zum Stichtag 31. Dezember 1993 bestehende einzelstaatliche Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs gemäß Art. 57 Abs. 1 EG durch eine Änderungsregelung in Fortfall geraten kann, die praktisch nicht in einem einzigen Fall zur Anwendung kommen konnte. Letztlich ist zu entscheiden, ob bei der Prüfung der Änderung einer zum Stichtag bestehenden einzelstaatlichen Beschränkungsvorschrift ausschließlich auf die formale Gesetzeswirkung der Änderungsregelung abzustellen ist oder ob die Änderung auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt worden sein muss.

Die beiden ersten Vorabentscheidungsfragen sind im Streitfall entscheidungserheblich. Denn wären beide Fragen zu bejahen, wäre die in Rede stehende Hinzurechnungsbesteuerung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wegen Art. 57 Abs. 1 EG nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG zu messen; die Revision wäre als unbegründet zurückzuweisen. Wäre eine der beiden Fragen jedoch zu verneinen und deshalb Art. 57 EG nicht einschlägig, wären die im Streitfall einschlägigen Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 56 EG zu prüfen (dazu sogleich).

c) Die im Streitfall in Rede stehenden nationalen Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter könnten auch in Drittstaatenfällen gegen Art. 56 Abs. 1 EG verstoßen, wenn es sich dabei um eine tatbestandliche Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern handeln würde, die nicht durch einen einschlägigen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist. Demnach ist die Frage zu beantworten, ob Art. 56 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der in die Steuerbemessungsgrundlage eines in jenem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, der an einer in einem anderen Staat (hier: Schweiz) ansässigen Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist, die von der Gesellschaft erzielten positiven Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter anteilig in Höhe der jeweiligen Beteiligungsquote einbezogen werden, wenn diese Einkünfte einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen (dritte Vorabentscheidungsfrage).

aa) Eine tatbestandliche Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen dem Mitgliedstaat Deutschland und dem Drittstaat Schweiz ist hier gegeben. Hätte die Klägerin sich an einer mit der Y–AG vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, wäre es nicht zu einer Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter gekommen. Die Hinzurechnungsbesteuerung zielt ausschließlich auf Beteiligungen an ausländischen Körperschaften ab.

Dass nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage etwaige von der Y–AG an die Klägerin geleistete Gewinnausschüttungen steuerfrei geblieben wären (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ), während im Inlandsfall 5 % der Ausschüttungen als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln gewesen wären (§ 8b Abs. 5 KStG ), vermag die mit der Hinzurechnungsbesteuerung verbundenen Nachteile nicht grundsätzlich zu kompensieren. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Anrechnung der im Ausland auf Ausschüttungen entrichteten Quellensteuern nach Maßgabe von § 12 AStG 2006. Eine Beschränkung des Auslandssachverhalts wird nicht dadurch geheilt, dass der Auslandssachverhalt in anderen Konstellationen günstiger gestellt wird (vgl. EuGH-Urteile Amid vom 14. Dezember 2000 C–141/99, EU:C:2000:696, Slg. 2000, I–11619; Pensioenfonds Metaal en Techniek vom 2. Juni 2016 C–252/14, EU:C:2016:402, Rz 38). Im vorliegenden Fall ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass die bei der Klägerin in Bezug auf die Y–AG durchzuführende Hinzurechnungsbesteuerung durch anderweitige Steuervorteile ausgeglichen wird.

Der im Inland ansässige und deshalb unbeschränkt Steuerpflichtige steht im Hinblick auf Auslandsbeteiligungen grundsätzlich in einer vergleichbaren Situation wie hinsichtlich Inlandsbeteiligungen (z.B. EuGH-Urteil STEKO Industriemontage vom 22. Januar 2009 C–377/07, EU:C:2009:29, Rz 30 ff., Slg. 2009, I–299, BStBl II 2009, 95 ). Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn insoweit nicht nur die Situation des unbeschränkt steuerpflichtigen Anlegers, sondern im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zusätzlich auch die Ertragsteuerbelastung der ausländischen Zwischengesellschaft zu berücksichtigen wäre, wie es im Schrifttum teilweise erwogen wird (vgl. z.B. unter dem Gesichtspunkt des Rechtfertigungsgrunds der Kohärenz Rust, a.a.O., S. 144 ff.; dagegen Lütke, Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO), 2006, S. 135 ff.; Brähler, Controlled Foreign Companies-Rules, 2007, S. 230 ff.). Denn die Hinzurechnungsbesteuerung greift gemäß § 8 Abs. 1 AStG 2006 nur, wenn die Zwischengesellschaft einer "niedrigen Besteuerung" unterliegt, die nach § 8 Abs. 3 AStG 2006 gegeben ist, wenn die Belastung der Einkünfte durch Ertragsteuern bei weniger als 25 % liegt. Die Belastung von inländischen Kapitalgesellschaften mit Ertragsteuern betrug im Streitjahr ungefähr 38 % (25 % Körperschaftsteuer und durchschnittlich ca. 13 % Gewerbesteuer). Im Urteil Cadbury Schweppes (EU:C:2006:544, Slg. 2006, I–7995) hat der EuGH in der (ausländischen) Niedrigbesteuerung jedoch keinen Anlass gesehen, die Vergleichbarkeit zwischen einer Inlandsbeteiligung und einer Auslandsbeteiligung in Zweifel zu ziehen. Entsprechendes dürfte für den vorliegenden Fall gelten, auch wenn es hier —anders als im Fall des EuGH-Urteils Cadbury Schweppes, welches die Niederlassungsfreiheit betraf— um die Kapitalverkehrsfreiheit geht und außerdem ein Drittstaatensachverhalt zu beurteilen ist (vgl. auch Schön, Beihefter zu IStR 2013, Heft 6, S. 3 , 5).

bb) Fraglich ist, ob die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat durch die Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter gerechtfertigt werden kann.

aaa) Die Hinzurechnungsbesteuerung durchbricht die Abschirmwirkung der Besteuerung der Kapitalgesellschaft. Entgegen dem ansonsten geltenden Trennungsprinzip werden die im Inland nicht steuerpflichtigen und im Sitzstaat niedrig besteuerten (passiven) Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft unabhängig von einer Gewinnausschüttung dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner wie eine ausgeschüttete Dividende zugerechnet und besteuert. Die bei Kapitalgesellschaften als Anteilseigner für Gewinnausschüttungen geltende Steuerbefreiung (§ 8b Abs. 1 KStG ) kommt dabei nicht zur Anwendung. Der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung besteht darin, die Verlagerung von (passiven) Einkünften unbeschränkt Steuerpflichtiger in Staaten mit niedrigem Steuerniveau zu verhindern bzw. zu neutralisieren. Es handelt sich vor dem Hintergrund einer sich stetig internationalisierenden Wirtschaft und des Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten um eine Maßnahme der typisierten Missbrauchsabwehr zur Erhaltung nationalen Steuersubstrats (vgl. z.B. Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7 - 14 AStG Rz 1; Rust, a.a.O., S. 11 ff.).

bbb) Zur Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zwischen den EU–Mitgliedstaaten hat der EuGH entschieden, dass die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden, nicht zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können; auch kann der Umstand allein, dass eine ansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung, wie etwa eine Tochtergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat gründet, nicht die allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen. Eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen (EuGH-Urteil Cadbury Schweppes, EU:C:2006:544, Rz 49 ff., Slg. 2006, I–7995, m.w.N. aus der EuGH-Rechtsprechung).

Wären diese Grundsätze ohne Einschränkungen auf den Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit zu übertragen und wären sie insbesondere auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Drittstaaten anzuwenden, würde die im Streitfall in Rede stehende deutsche Regelung zur Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter gegen Art. 56 EG verstoßen. Denn die Hinzurechnung erfolgt danach nicht nur in den Fällen rein künstlicher Gestaltungen, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung nationalen Steuervorschriften zu entgehen. Vielmehr greift die Hinzurechnungsbesteuerung unabhängig davon ein, welche wirtschaftliche Funktion die Zwischengesellschaft im jeweiligen Einzelfall in dem Drittstaat oder anderweitig ausübt. Dem Steuerpflichtigen wird nicht die Möglichkeit geboten, gegenüber den Finanzbehörden die wirtschaftliche Substanz seines Drittstaatenengagements darzulegen und nachzuweisen.

ccc) Ob insoweit im Verhältnis zu Drittstaaten die gleichen Rechtfertigungsgründe greifen wie im Verhältnis der Mitgliedstaaten und Teilnehmer des gemeinsamen Binnenmarkts untereinander, ist fraglich. Der Rechtsprechung des EuGH kann zwar entnommen werden, dass grundsätzlich im Verhältnis zu Drittstaaten eine Beschränkung des Kapitalverkehrs aus Gründen gerechtfertigt sein kann, die innerhalb des Binnenmarkts diese Beschränkung nicht legitimieren würden (z.B. EuGH-Urteil A, EU:C:2007:804, Rz 36 f., Slg. 2007, I–11531; EuGH-Beschluss Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation vom 23. April 2008 C–201/05, EU:C:2008:239, Rz 93, Slg. 2008, I–2875). Die fehlende Gegenseitigkeit der Verkehrsfreiheiten im Verhältnis zu Drittstaaten (EuGH-Urteile A, EU:C:2007:804, Rz 37, Slg. 2007, I–11531; Orange European Smallcap Fund vom 20. Mai 2008 C–194/06, EU:C:2008:289, Rz 87 f., Slg. 2008, I–3747) oder das Ziel einer Sicherung mitgliedstaatlicher Steuereinnahmen (EuGH-Urteil Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen vom 10. Februar 2011 C–436/08 und C–437/08, EU:C:2011:61, Rz 112 ff., 126, Slg. 2011, I–305) hat der EuGH jedoch als Rechtfertigungsgründe in Drittstaatensachverhalten nicht akzeptiert.

Im Schrifttum wird demgegenüber diskutiert, ob den Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten eine größere gesetzliche Typisierungsbefugnis zukommt und dem Steuerpflichtigen gesteigerte Nachweispflichten auferlegt werden können (vgl. Lang/Lüdicke/ Reich, IStR 2008, 709 , 711 ff.; Kotthaus, Binnenmarktrecht und externe Kapitalverkehrsfreiheit, 2012, S. 168 f.; Smit, EC Tax Review 2012, 233, 242 f.). Zudem wird erwogen, zwischen den jeweiligen Drittstaaten danach zu differenzieren, ob sie Steuerregelungen anwenden, die innerhalb der EU nicht akzeptiert werden könnten, weil sie z.B. dem Beihilfeverbot unterfallen oder aus anderen Gründen dem steuerpolitischen Grundkonsens der Mitgliedstaaten widersprechen (unfairer Steuerwettbewerb, vgl. Schön, Beihefter zu IStR 2013, Heft 6, S. 3 , 21 f., und in JbFSt 2013/2014, S. 85, 94 ff.).

ddd) Falls für die Rechtfertigung im Verhältnis zu Drittstaaten die vom EuGH im Urteil Cadbury Schweppes (EU:C:2006:544, Rz 49 ff., Slg. 2006, I–7995) angeführten Rechtfertigungsgründe in gleicher Weise greifen wie im Verhältnis der Mitgliedstaaten und Teilnehmer des gemeinsamen Binnenmarkts untereinander, bedürfte es der Erläuterung, welche qualitativen und quantitativen Anforderungen an die jeweilige Gestaltung zu stellen sind, damit die Beteiligung an der Auslandsgesellschaft nicht als "rein künstlich" zu beurteilen ist. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Jahressteuergesetz 2008 soll die Anerkennung der Auslandsgesellschaft als wirtschaftlicher Größe voraussetzen, dass diese dauerhaft und umfassend in das Wirtschaftsleben des Aufnahmestaats integriert sei, dort im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig am Marktgeschehen teilnehme und dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftige und dieses Personal über die Qualifikationen verfüge, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig zu erfüllen (BTDrucks 16/6290, S. 92 ff.; vgl. auch BMF-Schreiben vom 8. Januar 2007, BStBl I 2007, 99 ). Im Schrifttum werden diese Anforderungen vielfach kritisiert und als zu weit gehend angesehen (vgl. Lehfeldt in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., § 8 AStG Rz 10.1 f., 182.19 ff.; Kraft, a.a.O., § 8 Rz 748 ff.; Fuhrmann in Fuhrmann, Außensteuergesetz , 3. Aufl., § 8 Rz 286 ff; Haase/ Reiche, a.a.O., § 8 AStG Rz 134; Goebel/Palm, IStR 2007, 720 , 723). Maßgeblich sei vielmehr nur, ob die Gesellschaft ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung —bei einer vermögensverwaltenden Tätigkeit z.B. die Tätigkeit der Kapitalanlage— im Aufnahmestaat tatsächlich nachkomme (so Schön, Beihefter zu IStR 2013, Heft 6, S. 3 , 15 f.; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 231, 152 , BStBl II 2011, 249 , Rz 18).

cc) Auch die dritte Vorabentscheidungsfrage ist entscheidungserheblich. Denn von ihrer Beantwortung hängt es ab, ob die in Rede stehenden nationalen Vorschriften über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter im Streitfall uneingeschränkt angewendet werden können oder nicht.

Fundstellen
BB 2017, 660
BB 2018, 1817
BFH/NV 2017, 636
BFHE 256, 223
BStBl II 2017, 615
DB 2017, 12
DB 2017, 6
DStR 2017, 6
DStRE 2017, 534
DStZ 2017, 301
FR 2017, 642
GmbHR 2017, 538
HFR 2017, 372
IStR 2017, 316