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BFH - Entscheidung vom 10.08.2016

V R 14/15

Normen:
§ 4 Nr 12 Buchst a UStG 2005
§ 12 Abs 2 Nr 8 Buchst a UStG 2005
Art 13 Teil A Abs 1 Buchst m EWGRL 388/77
Art 13 Teil A Abs 2 Buchst b EWGRL 388/77
§ 118 Abs 2 FGO
UStG VZ 2005
UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a

BFH, Urteil vom 10.08.2016 - Aktenzeichen V R 14/15

DRsp Nr. 2016/18757

Umsatzsteuerliche Behandlung der Erlöse eines Reitervereins aus dem Betrieb einer Pferdepension

1. NV: Pferdepensionsleistungen gehören nicht zum Kernbereich des Reitsports und sind nicht gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG von der Umsatzsteuer befreit. 2. NV: § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist insoweit richtlinienwidrig, als die Vorschrift nicht nur die Leistungen, die steuerbegünstigte Körperschaften für wohltätige Zwecke im Bereich der sozialen Sicherheit erbringen, sondern alle Leistungen dieser Körperschaften, wie z.B. auch bei der Förderung des Sports, umfasst.

Der Betrieb einer Pferdepension durch einen Reiterverein ist nicht gem. Art. 13 Teil A Abs. 2 lit. b 2. - der Richtlinie 77/388/EWG von der Umsatzsteuer befreit. Insbesondere kann der klagende Reiterverein sich auch nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. m der 6. Richtlinie 77/388/EWG berufen, weil die Pensionsleistungen nicht den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, sondern im Wesentlichen dazu bestimmt gewesen seien, ihm zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt wurden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 18. Februar 2015 4 K 27/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a;

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsätze aus der Pensionshaltung von Pferden von der Umsatzsteuer befreit sind und ob sie ggf. dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Reiterverein e.V. Der Zweck des Klägers ist gemäß § 2 der Satzung, den Reitsport auf breiter Grundlage zu pflegen und ihn Erwachsenen und besonders der Jugend zugänglich zu machen. Nach § 2 Sätze 3 und 4 der Satzung will der Kläger zur Verwirklichung dieses Zwecks eine Ausbildungsstätte einschließlich Reithalle unterhalten, um die Ausbildung im Dressur–, Spring– und Jagdreiten sowie Voltigieren zu ermöglichen. Außerdem sollen Pferdeleistungsprüfungen veranstaltet werden. Der Kläger erfüllt nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes , weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken (Förderung des Sports) i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung ( AO ) dient. Der Kläger verfügt über eine Reithalle, einen Dressurplatz, einen Springplatz, Sandpaddocks (grasloser Auslauf für Pferde), Grasweiden sowie Stallungen, in denen sich 32 Boxen zum Einstellen von Pferden befinden. Er verfügt über keine eigenen Pferde und keinen eigenen Reitlehrer. Die Organisation des Reitunterrichts obliegt dem Kläger; auch die Verantwortung für die Organisation von Reitturnieren wird vom Kläger übernommen. Der Einzugsbereich des Klägers umfasst einen Umkreis von etwa 20 km.

Der Kläger hatte im Streitjahr (2005) 55 aktive und passive Mitglieder. Die aktiven Mitglieder zahlten einen Vereinsbeitrag von 82 € pro Jahr. Dieser Beitrag berechtigt dazu, die Anlage zu betreten und die Kantine zu besuchen. Nicht umfasst ist das Recht, auch die Reitanlagen (Springplatz/Reithalle etc.) zu nutzen. Dieses Recht vermittelt (u.a.) der Abschluss eines Pensionsvertrags. Alle aktiven Mitglieder hatten einen Pensionsvertrag abgeschlossen. Dabei verpflichtete sich der Einsteller zur Zahlung eines monatlichen Pensionspreises von 250 € (brutto) für ein Pferd bzw. 185 € (brutto) für ein Pony. Die dafür erbrachten Leistungen des Klägers bestanden in der Bereitstellung einer Box zum Einstellen des Pferdes, in der Fütterung sowie im Ausmisten der Boxen mit Stroh. Zudem verpflichtete sich der Kläger, das eingestellte Pferd mit der Sorgfalt eines ordentlichen, gewissenhaften Pflegers zu halten und Krankheiten und besondere Vorkommnisse unverzüglich dem Pferdebesitzer zu melden. Er wurde ferner bei Vertragsschluss bevollmächtigt, tierärztliche Leistungen in Auftrag zu geben, wobei die Kosten vom Pferdebesitzer zu tragen waren. Schließlich war in dem Pensionspreis ein Entgelt für die Nutzung der Reitanlagen enthalten.

In einem Umkreis von etwa 16 km vom Sitz des Klägers befanden sich 13 privatwirtschaftlich betriebene Pferdehöfe in unterschiedlicher Größe (z.B. von sieben Pferdeboxen im Privatstall bis zu 100 Einsteller im Reiterhof) und mit unterschiedlicher Ausstattung für das Betreiben des Reitsports (teilweise nur Weide und Reitplatz; teilweise Reithalle, Außenplätze, Longierplätze etc.). Diese Höfe boten ebenfalls die Pensionshaltung von Pferden an. Die jeweiligen Angebote dieser Höfe sahen neben der Boxenvermietung auch die weiteren, mit der Pensionstierhaltung verbundenen Dienstleistungen wie das Füttern, Pflegen, Ausmisten etc. vor. Zugleich vermittelte der Abschluss eines Pensionsvertrags auch bei diesen Höfen das Recht zur Nutzung der in unterschiedlicher Ausprägung vorhandenen Reitanlagen. Die Preise der von den privaten Reiterhöfen angebotenen Pensionsdienstleistungen bewegten sich überwiegend in einem Rahmen von ca. 170 € bis ca. 300 €. Dazu existieren in einem weiteren Umfeld noch weitere Pferdepensionen.

Der Kläger versteuerte in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr seine Umsätze aus der Pferdepensionshaltung mit dem ermäßigten Steuersatz. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stimmte der Erklärung zunächst zu, unterwarf aber sodann in dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid vom 5. März 2008 die Umsätze des Klägers dem Regelsteuersatz.

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1040 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg. Der Kläger habe mit den streitigen Umsätzen einheitliche steuer-bare sonstige Leistungen erbracht, die weder nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) von der Umsatzsteuer befreit seien noch nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG bzw. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Der Kläger könne sich auch nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG ) —ab 1. Januar 2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)— berufen, weil die streitigen Pensionsleistungen nicht den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG beträfen und im Wesentlichen dazu bestimmt gewesen seien, dem Kläger zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt worden seien. Die Pensionsleistungen würden deshalb vom Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG umfasst.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler rügt.

Das Finanzgericht (FG) habe Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG zu eng ausgelegt. Die von ihm, dem Kläger, erbrachten Pferdepensionsleistungen stünden in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG und seien hierfür unerlässlich.

Der Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG greife nicht ein, weil der Kernbereich der Befreiung betroffen sei, so dass es auf die Frage einer Wettbewerbssituation nicht ankomme. Es gehöre zum Wesen des Reitsports, die hierzu benötigten Tiere auch zu versorgen.

Rechtsfehlerhaft und nicht durch tatsächliche Feststellungen begründet sei die Behauptung, seine, des Klägers, Leistungen seien im Wesentlichen dazu bestimmt, ihm zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Zusätzlich i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG seien nur Einnahmen aus Sonderdienstleistungen, die sich von dem regelmäßigen Dienstleistungsangebot unterschieden. Da die Pferdepension immer mit der Reitanlagennutzung einhergehe, sei sie für die Erfüllung des Satzungszweckes erforderlich. Bei den Einnahmen hieraus handele es sich daher nicht um "zusätzliche" Einnahmen. Zudem habe er, der Kläger, ohne Gewinnstreben gehandelt.

Das FG habe zu Unrecht die Voraussetzungen einer Steuerermäßigung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG als nicht erfüllt angesehen, weil sich die Pferdepensionshaltung nicht von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks trennen lasse. Die Pensionspferdehaltung stelle nicht lediglich eine gute Rahmenbedingung für die Ausübung des Pferdesports dar, sondern sei für diese unerlässlich.

Der Kläger rügt ferner, dass das FG die angebotenen Beweise dazu, dass mit den umliegenden privaten Höfen keine Wettbewerbssituation bestehe, nicht erhoben habe.

Der Kläger beantragt,

das FG–Urteil sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 5. Mai 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2008 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es verteidigt im Wesentlichen die Entscheidungsgründe des FG–Urteils.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Umsätze des Klägers weder nach nationalem noch nach Unionsrecht einer Steuerbefreiung unterliegen und auch nicht von der Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG umfasst werden.

1. Die Leistungen des Klägers werden nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst. Danach sind steuerfrei die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen.

Die Würdigung des FA, dass es sich bei den vom Kläger erbrachten Leistungen um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt, dessen Wesen und wirtschaftlicher Gehalt aus den als Leistungsbündel verknüpften Elementen der Unterbringung, Fütterung, Betreuung, Aufsicht, Gewährung der Sauberkeit sowie der Möglichkeit einer Nutzung der Reitanlagen besteht und dessen Leistungsbestandteile so eng miteinander verbunden sind, dass sie aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art bilden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird vom Kläger auch nicht angegriffen.

2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf den im Streitjahr 2005 noch geltenden Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG (ab 1. Januar 2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL) berufen (zur Berufbarkeit vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 16. Oktober 2013 XI R 34/11, BFHE 243, 435 , Rz 33; vom 2. März 2011 XI R 21/09, BFHE 233, 269 , Rz 25; vom 3. April 2008 V R 74/07, BFHE 221, 451 , Rz 29).

Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob es sich bei dem Kläger überhaupt um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handelt. Zweifel hieran könnten bestehen, weil der Kläger einen Großteil seiner Einnahmen durch die Pensionspferdehaltung erzielte und damit möglicherweise gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstoßen haben könnte (vgl. hierzu auch unten unter II.3.a sowie BFH-Urteil vom 4. April 2007 I R 76/05, BFHE 217, 1 , BStBl II 2007, 631 , Rz 30).

b) Denn gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sind von dieser Steuerbefreiung Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn 
sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder 
sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden. 

aa) Dabei ist es Sache der nationalen Gerichte zu prüfen, ob die in Rede stehende Dienstleistung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG "unerlässlich" ist (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Canterbury Hockey Club vom 16. Oktober 2008 C–253/07, EU:C:2008:571, Rz 35). Das FG hat es ––dem BFH-Urteil in BFHE 243, 435 folgend— für möglich gehalten, dass die vom Kläger ausgeführten Pferdepensionsdienstleistungen mit dem Sport in engem Zusammenhang stehen und für seine Ausübung "unerlässlich" sind, hat diese Frage aber letztlich offengelassen. Auch der erkennende Senat braucht hierüber nicht zu entscheiden.

bb) Denn das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass die Dienstleistungen des Klägers von dem Steuerbefreiungsausschluss des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG umfasst werden, weil sie im Wesentlichen dazu bestimmt waren, ihm zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt wurden.

(1) Der Begriff der zusätzlichen Einnahmen erschließt sich in Zusammenschau mit dem des unmittelbaren Wettbewerbs. Denn in dem Ausschluss der Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG liegt "eine spezifische Ausprägung des Grundsatzes der Neutralität, dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden" (EuGH-Urteile Horizon College vom 14. Juni 2007 C–434/05, EU:C:2007:343, Rz 43; Ygeia vom 1. Dezember 2005 C–394/04 und C–395/04, EU:C:2005:734, Rz 34). Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Dienstleistungen sind in diesem Sinne gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften aufweisen und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen (BFH-Urteil in BFHE 243, 435 , mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH und des BFH).

(2) Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG boten mindestens 13 im Einzugsbereich des Klägers liegende privatwirtschaftliche Einrichtungen ähnliche Leistungen wie der Kläger an. Dabei bewegte sich der Preisrahmen von ca. 170 € bis ca. 300 € in einem ähnlichen Bereich, wie das vom Kläger erzielte Entgelt von 250 € (brutto) für ein Pferd bzw. 185 € (brutto) für ein Pony.

(3) Zwar kommt für Tätigkeiten, die den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht, weil ansonsten die Befreiung in weiten Teilen leer liefe (vgl. BFH-Urteile in BFHE 243, 435 , Rz 59; in BFHE 221, 451 , Rz 39; in BFHE 233, 269 , Rz 35). Die Leistungen des Klägers betreffen aber nicht den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG .

Das FG hat zutreffend erkannt, dass der vom BFH entwickelte Begriff der Kernbereichsrelevanz denknotwendig enger ist als der der Unerlässlichkeit, weil andernfalls mit der Annahme der Unerlässlichkeit i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG stets die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG (wegen einer Kernbereichsrelevanz) zu verneinen wären. Für Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG würde danach kein Anwendungsbereich verbleiben.

Das FG hat auch zu Recht erkannt, dass der Kernbereich nur von Leistungen betroffen wird, die direkt und unmittelbar die Ausübung des Sports betreffen. Das mag, wie die Nutzungsüberlassung eines Golfplatzes und das Zurverfügungstellen von Golfbällen (BFH-Urteil in BFHE 221, 451 ), auch beim isolierten Bereitstellen von Reitanlagen der Fall sein, weil die Reitanlagen direkt und unmittelbar der Ausübung des Reitsports dienen. Das vom Kläger angebotene umfassende Leistungspaket, das neben der Zurverfügungstellung von Reitanlagen auch die Bereitstellung einer Box zum Einstellen des eigenen Pferdes, dessen Fütterung, das Ausmisten der Boxen, die Haltung und Pflege des eingestellten Pferdes, die Information des Besitzers im Falle der Erkrankung und die Inanspruchnahme tierärztlicher Leistungen umfasste, geht aber über den Kernbereich des Reitsports hinaus, weil es im Wesentlichen die Unterbringung, Versorgung und Pflege des "Sportgerätes Pferd" betrifft. Die Pflege der Sportgeräte, im Falle lebender Tiere auch deren Versorgung und Betreuung, ist zwar im Vorfeld der eigentlichen Ausübung eines Sports, gleichsam als eine Ausübungsvoraussetzung notwendig und möglicherweise unerlässlich. Sie betrifft diese aber nicht direkt und unmittelbar und wird daher vom Kernbereich der Befreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG nicht umfasst.

(4) Die vom Kläger angeregte Vorlage an den EuGH zum Umfang des Kernbereichs kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Kernbereichsrelevanz um ein vom BFH entwickeltes Kriterium der engen Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG handelt, um die Wirksamkeit der Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zu erhalten.

3. Die Umsätze des Klägers erfüllen auch nicht die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG . Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in seiner im Streitjahr geltenden Fassung ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 58 AO ). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden, es sei denn, es liegt ein Zweckbetrieb vor.

a) Es ist schon fraglich, ob der Kläger unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, weil er möglicherweise gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt. Dieses Gebot besagt, dass eine Körperschaft nicht gemeinnützig ist, wenn sie neben ihrer gemeinnützigen Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht gemeinnützig sind. Hinsichtlich der Pensionspferdehaltung, die nach den Steuererklärungen des Klägers einen Großteil seiner Einnahmen ausmachen, stellt sich die Frage, ob die Pensionspferdehaltung um des gemeinnützigen Zwecks willen erfolgt oder ob es sich um einen von dem gemeinnützigen Zweck losgelösten Zweck handelt, was dazu führen würde, dass die Betätigung der Körperschaft nicht in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden könnte, sondern insgesamt steuerpflichtig wäre (BFH-Urteil in BFHE 217, 1 , BStBl II 2007, 631 , Rz 30).

b) Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu beantworten, weil das FG jedenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Pensionsleistungen des Klägers im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt wurden und die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nicht vorlagen.

aa) § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG entspricht nur insoweit dem Unionsrecht, als er Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 14 den Mitgliedstaaten erlaubt, einen ermäßigten Steuersatz für die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte, gemeinnützige Einrichtungen für "wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit" anzuwenden (BFH-Urteile vom 20. März 2014 V R 4/13, BFHE 245, 397 , Rz 24; vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279 , BStBl II 2012, 630 ff., zur gleichlautenden Nachfolgebestimmung in Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 15). § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist damit insoweit richtlinienwidrig, als die Vorschrift nicht nur die Leistungen, die steuerbegünstigte Körperschaften für wohltätige Zwecke im Bereich der sozialen Sicherheit erbringen, sondern alle Leistungen dieser Körperschaften, wie z.B. auch bei der Förderung des Sports, umfasst. Daher sind die Begriffe, die —unmittelbar oder mittelbar— gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG zur Anwendung des Regelsteuersatzes führen, weit auszulegen, während die Begriffe, die zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führen, eng auszulegen sind (BFH-Urteile in BFHE 245, 397 , m.w.N.; in BFHE 237, 279 , BStBl II 2012, 630 ).

bb) Dabei hat das FG zutreffend erkannt, dass der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. §§ 64 , 14 AO bei der gebotenen weiten Auslegung jedwede unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG , also auch die Ausführung von Pferdepensionsleistungen umfasst.

cc) Das FG hat auch das Vorliegen der Zweckbetriebsvoraussetzungen gemäß § 65 AO zutreffend verneint. Nach § 65 AO ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn

1. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,

2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und

3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

(1) Die steuerbegünstigten Zwecke können nur dann i.S. des § 65 Nr. 2 AO nur durch den Geschäftsbetrieb erreicht werden, wenn sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, sondern das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 V R 39/02, BFHE 205, 329 , BStBl II 2004, 672 ). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die umfassenden Pensionsleistungen zwar günstige Rahmenbedingungen für die Ausübung des Pferdesports, nicht aber ein unentbehrliches Mittel für die Erreichung des vom Kläger verfolgten Zwecks, den Reitsport auf breiter Grundlage zu pflegen und ihn Erwachsenen und besonders der Jugend zugänglich zu machen, darstellen.

(2) Zudem scheitert die Annahme eines Zweckbetriebs auch an § 65 Nr. 3 AO , weil der Kläger mit seinem für die Erreichung seiner Zwecke nicht unentbehrlichen Geschäftsbetrieb nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO ) im direkten Wettbewerb mit den in seinem Einzugsbereich befindlichen Betrieben steht.

4. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Zwar liegt sowohl eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ) als auch des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes , § 96 Abs. 2 FGO ) vor, wenn das FG einen aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblichen Beweisantrag ablehnt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. November 2012 III B 186/11, Rz 5; vom 15. Dezember 2011 X B 138/10, BFH/NV 2012, 595 ).

a) Soweit der Kläger das Übergehen von Beweisanträgen rügt, fehlt es vorliegend aber an einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Darlegung des Verfahrensmangels, denn der Kläger hat es versäumt, bestimmte Beweisanträge zu bezeichnen, denen das FG nicht nachgekommen sei. Die pauschale Bezugnahme auf Beweisangebote dazu, dass mit den umliegenden privaten Höfen keine Wettbewerbssituation bestanden habe, reicht insoweit nicht aus. Zudem fehlt es an einem substantiierten Vortrag, inwiefern das Urteil des FG auf dem Übergehen der Beweisanträge beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2012 X B 39/11, Rz 19; vom 20. September 2012 III B 44/12, Rz 8).

b) Ein Verfahrensmangel kann auch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört auch das Übergehen von Beweisanträgen. Liegt ein solcher verzichtbarer Verfahrensmangel vor, so geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch dadurch, dass der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene oder selbst fachkundige Beteiligte dies in der mündlichen Verhandlung nicht rügt, und zwar unabhängig davon, ob ein Verzichtswille gegeben ist (z.B. BFH-Beschluss vom 12. November 2012 III B 186/11, BFH/NV 2013, 236 , Rz 5). So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger hat ausweislich des Sitzungsprotokolls weder seine schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge wiederholt noch das Unterbleiben dieser Beweiserhebungen gerügt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein, vom 18.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 27/14