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BFH - Entscheidung vom 06.04.2016

IV E 9/15

Normen:
§ 53 Abs 1 GKG
§ 66 GKG
§ 41 FGO
§ 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO
GKG § 52 Abs. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2016, 1063

BFH, Beschluss vom 06.04.2016 - Aktenzeichen IV E 9/15

DRsp Nr. 2016/9553

Streitwert einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines eines Steuerverwaltungsakts

1. NV: Richtet sich die Klage auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerverwaltungsakts, ist der Streitwert in derselben Höhe festzusetzen wie der Streitwert einer Anfechtungsklage auf ersatzlose Aufhebung eines entsprechenden Verwaltungsakts. 2. NV: Wird die Aufhebung eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung begehrt, gelten für die Bemessung des Streitwerts jedenfalls dann dieselben Grundsätze wie bei einem Streit über die Höhe des festgestellten Gewinns, wenn nicht die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung dem Grunde nach streitig sind.

1. Der Streitwert von Anfechtungsklagen wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst sich gem. § 52 Abs. 1 GKG nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich mit 25% des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt. 2. Sind dem ermäßigten Steuersatz in Höhe des halben tariflichen Steuersatzes unterliegende Veräußerungsgewinne betroffen, so ist der Regelsatz von 15 % anzuwenden.

Normenkette:

GKG § 52 Abs. 1 ;

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens und jetzigen Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kläger) waren in den Jahren 1997 und 1998 nach eigenen Angaben als Treugeber Kommanditisten der … GmbH & Co. KG (KG). Der Beklagte und Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens (das Finanzamt —FA—) erließ für die KG unter dem 18. Juli 2001 einen Gewinnfeststellungsbescheid 1997, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 75.859 DM festgestellt wurden. Davon wurden 66.698 DM W und 7.411 DM G zugerechnet, die nach dem Vorbringen der Kläger als deren Treuhänder fungierten. Unter dem 22. Februar 2002 erging ein Gewinnfeststellungsbescheid 1998, mit dem ein Gewinn von 183.153 DM festgestellt wurde. Hiervon entfielen auf W ein laufender Gewinn von 55.713 DM und ein Veräußerungsgewinn von 85.500 DM sowie auf G ein laufender Gewinn von 6.190 DM und ein Veräußerungsgewinn von 9.500 DM. Gegen beide Bescheide wurden Einsprüche eingelegt, die zu einer einheitlichen Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 führten. Die Gewinne wurden darin auf 78.134,23 DM für 1997 und 88.480,10 DM zuzüglich eines Veräußerungsgewinns von 132.606,90 DM für 1998 festgestellt und nun anstelle von W und G den Klägern zugerechnet. Die auch den Klägern bekanntgegebene Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.

Im Oktober 2009 beantragten die Kläger beim FA die Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide vom 18. Juli 2001 und vom 22. Februar 2002. Das FA lehnte den Antrag ab und wies auch den dagegen erhobenen Einspruch zurück.

Daraufhin machten die Kläger die Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide mit der Klage geltend. Trotz Hinweises des Finanzgerichts (FG) darauf, dass ein Feststellungsinteresse nur in Bezug auf die Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 bestehen könne, blieben die Kläger bei dem Antrag, die Nichtigkeit der Feststellungsbescheide vom 18. Juli 2001 für 1997 und vom 22. Februar 2002 für 1998 festzustellen.

Das FG wies die Klage ab. Sie sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Im Übrigen hätte sie selbst dann keinen Erfolg, wenn sie sich abweichend von dem gestellten Antrag auf die Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 beziehen würde.

Gegen das Urteil, mit dem die Revision nicht zugelassen worden war, legten die Kläger beim Bundesfinanzhof (BFH) sowohl Revision als auch Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Die Revision wurde mit Beschluss vom 16. Juli 2015 IV R 18/15 als unzulässig verworfen. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom gleichen Tag IV B 29/15 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Kostenrechnung vom 6. August 2015 KostL. … ( IV B 29/15) setzte die Kostenstelle des BFH für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Gerichtskosten nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes ( GKG ) von 812 € fest. Dabei wurde ein Streitwert von 27.596 € zugrunde gelegt.

Hiergegen haben die Kläger mit am 4. September 2015 eingegangenem Schreiben ihrer Bevollmächtigten Erinnerung eingelegt. Sie machen geltend, der Streitwert sei nach § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000 € anzusetzen. Der Antrag habe sich allein auf Feststellung der Nichtigkeit der Feststellungsbescheide gerichtet; über die Höhe des Gewinns sei nicht gestritten worden. Dementsprechend komme keine Bemessung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG in Höhe der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Gesellschafter in Betracht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 29. September 2015, vom 2. November 2015 und vom 23. Dezember 2015 Bezug genommen.

Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Mit der Klage sei das Ziel verfolgt worden, den Bescheiden vom 22. Januar 2009 die Grundlage zu entziehen und die Berücksichtigung der Feststellungen bei den Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger zu vermeiden. Der Streitwert sei deshalb nach den für die Anfechtung von Gewinnfeststellungsbescheiden geltenden Grundsätzen zu ermitteln. Aus den Bescheiden vom 22. Januar 2009 seien laufende Gewinne in Höhe von 136.339,35 DM sowie Veräußerungsgewinne von 132.606,90 DM streitig gewesen. Der Streitwert für die laufenden Gewinne sei mit 25 % des streitigen Betrags und damit umgerechnet 17.142,70 € zu bemessen. Für die Veräußerungsgewinne gelte ein Satz von 15 %, so dass der diesbezügliche Streitwert umgerechnet 10.170,12 € betrage. Insgesamt belaufe sich der Streitwert danach auf 27.312,82 €. Er sei damit zwar niedriger als der in der Kostenrechnung angegebene Betrag von 27.596 €, liege aber noch in derselben Gebührenstufe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Kostenbeamten vom 1. Dezember 2015 verwiesen.

Die Vertreterin der Staatskasse (Erinnerungsgegnerin) beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Die Ermittlung des Streitwerts sei nicht zu beanstanden. Sie schließe sich den Ausführungen des Kostenbeamten im Schreiben vom 1. Dezember 2015 an.

II. Die Erinnerung führt zu einem Ansatz der Gerichtskosten mit 742 €. Im Übrigen ist sie nicht begründet und war deshalb insoweit zurückzuweisen.

1. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Finanzgerichten der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG ). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG ).

a) Richtet sich die Klage auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerverwaltungsakts, ist der Streitwert in derselben Höhe festzusetzen wie der Streitwert einer Anfechtungsklage auf ersatzlose Aufhebung eines entsprechenden Verwaltungsakts (BFH-Beschluss vom 23. November 1999 IX E 7/99, BFH/NV 2000, 727 ). Der Streitwert ist deshalb nach § 52 Abs. 1 bzw. Abs. 3 GKG zu bestimmen. Der Ansatz des Auffangstreitwerts von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht in Betracht.

b) Bei Anfechtungsklagen wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst der BFH in ständiger Rechtsprechung den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich —i.S. einer Vereinfachungsregelung— mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt.

Der vorgenannte Prozentsatz ist bei Streit um die Höhe des Gewinns allerdings keine feste Größe. Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkung nicht gerecht wird. Daher ist der Satz von 25 % bei höheren Gewinn- bzw. Verlustanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa BFH-Beschluss vom 31. Juli 2014 IV E 2/14, BFH/NV 2014, 1766 , m.w.N.). Betrifft der Streit die Höhe eines festzustellenden Veräußerungsgewinns, ermäßigt sich der Prozentsatz im Regelfall auf 15 % des streitigen Betrags, wird allerdings bei sehr hohen Veräußerungsgewinnen in angemessenem Umfang wieder angehoben (z.B. BFH-Beschluss vom 17. November 2011 IV S 15/10, BFHE 235, 122 , BStBl II 2012, 246 ). Von Ermäßigungen oder Erhöhungen des pauschalen Satzes von 25 % hat der BFH nur für den Fall abgesehen, dass mit der Klage die Aufhebung des Feststellungsbescheids wegen Fehlens der Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung und damit wegen eines Verstoßes gegen die steuerliche Grundordnung des Verfahrens begehrt wird (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. September 1975 IV B 22/71, BFHE 116, 530 , BStBl II 1976, 22 ; in BFH/NV 2000, 727 ; vom 26. September 2011 VIII E 2/11, BFH/NV 2012, 444 ). Selbst in einem solchen Fall soll aber eine Anpassung stattfinden, wenn mit dem Aufhebungsbegehren zugleich der Ablauf der Feststellungs- oder Festsetzungsfrist geltend gemacht wird (BFH-Beschluss vom 1. Juni 1989 IV R 95/88, BFH/NV 1990, 183 ).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Streitwert im Streitfall mit einem Satz von 25 % für den laufenden Gewinn und 15 % für den Veräußerungsgewinn zu bemessen; hiervon ist auch die Kostenstelle des BFH ausgegangen. Die Höhe der laufenden Einkünfte gibt keinen Anlass dafür, von einer 25 % klar überschreitenden Tarifbelastung bei den Gesellschaftern auszugehen, so dass eine Erhöhung des Pauschsatzes nicht in Betracht kommt. Für den in den Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz in Höhe des halben tariflichen Steuersatzes unterliegenden Veräußerungsgewinn ist der Regelsatz von 15 % anzuwenden, denn die Kläger machen nicht geltend, dass die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung schon dem Grunde nach nicht vorliegen.

d) Betragsmäßig ergibt sich allerdings ein geringerer Streitwert, als er der angefochtenen Kostenfestsetzung zugrunde liegt. Die Abweichung beruht darauf, dass bei der Kostenfestsetzung ein mittelbares Interesse an der Nichtbesteuerung der in der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 für die Kläger festgestellten Gewinne berücksichtigt wurde. Da die Kläger aber ausdrücklich nicht die Einspruchsentscheidung, sondern die vorherigen Feststellungsbescheide vom 18. Juli 2001 und vom 22. Februar 2002 angefochten haben, ergibt sich die einkommensteuerliche Bedeutung aus den dort festgestellten Gewinnen. Maßgebend sind dabei die Beträge, die W und G zugerechnet wurden, weil diese nach eigenem Vorbringen der Kläger und insoweit durch die spätere Einspruchsentscheidung auch bindend festgestellt treuhänderisch für die Kläger bezogen wurden. Der auf nicht klagende Gesellschafter (hier die Komplementär-GmbH und im Jahr 1998 der Anteilserwerber X) entfallende Gewinnanteil geht in den Streitwert einer Klage auf Aufhebung des Gewinnfeststellungsbescheids nicht ein (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. September 2005 IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315 , m.w.N.).

Der für W und G festgestellte laufende Gewinn betrug 74.109 DM im Jahr 1997 und 61.903 DM im Jahr 1998, insgesamt also 136.012 DM. Bei Anwendung des Satzes von 25 % ergibt sich insoweit ein Streitwert von 34.003 DM. Der Veräußerungsgewinn im Jahr 1998 von insgesamt 95.000 DM führt bei Anwendung des Satzes von 15 % zu einem Streitwert von 14.250 DM. Insgesamt beträgt der Streitwert damit 48.253 DM und umgerechnet 24.671,37 €.

Eine Gebühr nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG beläuft sich für diesen Streitwert auf 371 €. Nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG sind durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde 2,0 Gebühren entstanden, so dass die Gerichtskosten auf 742 € festzusetzen sind.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG ).

Fundstellen
BFH/NV 2016, 1063