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BVerfG - Entscheidung vom 24.09.2015

1 BvQ 36/15

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1

BVerfG, Beschluss vom 24.09.2015 - Aktenzeichen 1 BvQ 36/15

DRsp Nr. 2015/17678

Verhängung einer Missbrauchsgebühr in Rahmen der Prüfung der Mindestvoraussetzungen für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde; Verlegung eines Gerichtstermins aufgrund des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Dem Antragsteller wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 750 € (in Worten: siebenhundertfünfzig Euro) auferlegt.

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1;

Gründe

1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Der Antrag ist aus mehreren Gründen offensichtlich unzulässig.

a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Zwar ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits ein Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache anhängig ist; ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann auch isoliert gestellt werden (vgl. BVerfGE 105, 235 <238>; 113, 113 <119 f.>; stRspr). Allerdings ist der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch für den vorgelagerten verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz zu beachten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens oder in dessen Vorfeld kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2015 - 2 BvQ 22/15 -, [...], Rn. 2 m.w.N.).

Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich schon nicht, ob er einen Terminverlegungsantrag im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt und seine Verhinderungsgründe in ausreichender Weise belegt hat, so dass das Landgericht beurteilen konnte, ob er wegen seines Gesundheitszustands ohne Verschulden daran gehindert sein sollte, zum Termin am 25. September 2015 zu erscheinen (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO ). Demnach ist auch nicht ersichtlich, dass eine unanfechtbare Entscheidung nach § 227 Abs. 4 Satz 3 ZPO ergangen ist, was Mindestvoraussetzung für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde wäre.

Überdies stehen dem Antragsteller gegen die offensichtlich noch nicht erfolgte Anberaumung eines Termins zur Zwangsräumung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher noch die zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe zu Gebote. Auf Grundlage des Vorbringens zu seinem Gesundheitszustand und zur geltend gemachten Lebensgefahr ist insbesondere ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Betracht zu ziehen.

b) Im Übrigen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht in Betracht, wenn bereits jetzt festzustellen ist, dass die in der Hauptsache zu erhebende Verfassungsbeschwerde offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 71, 350 <351 f.>; 82, 310 <313>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2015 - 1 BvQ 28/15 -, [...], Rn. 2; stRspr).

Davon ist hier schon deshalb auszugehen, weil es (noch) an einem tauglichen Angriffsgegenstand im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG fehlt. Die vom Antragsteller vorgelegte Ladungsverfügung vom 28. August 2015 ist eine unselbständige Zwischenentscheidung, die grundsätzlich nur zusammen mit der (End-)Entscheidung über die Berufung des Antragstellers angefochten werden kann. Dass etwas anderes unter dem Gesichtspunkt gelten könnte, dass bereits die Zwischenentscheidung einen bleibenden rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. BVerfGE 21, 139 <143>; 58, 1 <23>; 101, 106 <120>; 119, 292 <294>; 132, 99 <118 Rn. 47>; stRspr), ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht und ist auch nicht ersichtlich. Der Antragsteller übersieht in diesem Zusammenhang offenkundig, dass die inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Urteils und die Berechtigung seines Rechtsmittels in dem bevorstehenden Termin nach § 718 Abs. 1 ZPO gar nicht zur Entscheidung anstehen, sondern nur erneut über die vorläufige Vollstreckbarkeit des von ihm mit der Berufung angefochtenen Urteils zu befinden ist.

2. Unter Berücksichtigung der demnach erkennbar fehlenden Erfolgsaussichten des Antrags und des Umstands, dass der Antragsteller in derselben Angelegenheit innerhalb kurzer Zeit einen weiteren offensichtlich unzulässigen Antrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt hat, hat die Kammer von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, dem Antragsteller eine Missbrauchsgebühr aufzuerlegen.

Nach § 34 Abs. 2 , 3. Variante BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr von bis zu 2.600 € auferlegen, wenn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 2 BVerfGG missbräuchlich gestellt ist. Ein Missbrauch in diesem Sinne ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Antrag oder die zu erhebende Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig sind und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfGK 6, 219; 10, 94 <97>; 14, 468 <470>; stRspr). Denn das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es in der Erfüllung seiner Aufgaben, nämlich grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden und - wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (vgl. BVerfGK 3, 219 <222>; 6, 219 f.; 10, 94 <97>; stRspr).

Spätestens nach Erhalt des Beschlusses der Kammer vom 24. Juli 2015, mit dem bereits eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 € gegen ihn verhängt worden ist (1 BvR 1636/15), war von dem Antragsteller gerade in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zu erwarten, dass er vor einer erneuten Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die Voraussetzungen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG besonders sorgfältig prüft und auf dieser Grundlage das Für und Wider seiner Einlegung abwägt. Stattdessen hat er das Bundesverfassungsgericht nunmehr zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit in eigener Sache wegen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit seinen Vermietern mit einem offenkundig unzulässigen und jegliche verfassungsrechtliche Substanz entbehrenden Antrag angerufen. Die Kammer hält daher die Auferlegung einer maßvoll erhöhten Missbrauchsgebühr für gerechtfertigt und geboten, um den Antragsteller erneut zur Beachtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes anzuhalten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 25.09.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 63 S 130/14