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BVerfG - Entscheidung vom 02.06.2015

2 BvR 2236/14

Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2
PsychKG M-V § 11

Fundstellen:
FuR 2015, 722

BVerfG, Beschluss vom 02.06.2015 - Aktenzeichen 2 BvR 2236/14

DRsp Nr. 2015/13670

Verfassungsmäßigkeit der vorläufigen Unterbringung einer psychisch kranken Kindesmutter in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 30. August 2014 - 412 XIV 51/14 L - und der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 5. September 2014 - 2 T 181/14 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG .

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 S. 2; PsychKG M-V § 11;

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die einstweilige Anordnung einer vorläufigen Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung.

I.

1. Am 29. August 2014 stellte die Beschwerdeführerin ihre neunjährige Tochter in der Kinderklinik vor, weil sie glaubte, ihre Tochter werde mit Drogen behandelt und sei verrückt. Die Chefärztin der Kinderklinik verständigte daraufhin das Gesundheitsamt und die Psychiatrie, bei der sie das Konsil der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie H. einholte. Dabei ergab sich, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit bereits in der Psychiatrie in Behandlung war.

Ein am selben Tag erstelltes ärztliches Kurzgutachten, das den Stempel des "Interdisziplinären Kinderzentrum(s), Station 2 - Pädiatrie" trägt, bescheinigt, die Beschwerdeführerin leide an paranoid- halluzinatorischer Schizophrenie und sei deshalb im Jahr 2009 psychiatrisch behandelt worden. Im Gespräch sei sie abweisend und gereizt gewesen. Auf Fragen nach ihrem Befinden habe sie nicht geantwortet, sondern darauf verwiesen, "nicht allein zu sein". Die Beschwerdeführerin sei nicht krankheitseinsichtig und beziehe ihre Tochter in die Krankheit mit ein. Eine fachpsychiatrische Behandlung sei wegen Fremdgefährdung der Tochter wichtig.

2. Auf Antrag des Landkreises, Gesundheitsamt, vom 29. August 2014 ordnete das Amtsgericht durch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 30. August 2014 nach Anhörung der Beschwerdeführerin und der Fachärztin H. im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin in einer geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 10. Oktober 2014 an und bestellte eine Verfahrenspflegerin. Aufgrund der ärztlichen Stellungnahme vom 29. August 2014 sowie der weiteren Einschätzung der Ärztin H. im Termin bestünden dringende Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsmaßnahme gegeben seien und mit einem Aufschub eine so erhebliche Gefahr für die Beschwerdeführerin verbunden wäre, dass sie sofort untergebracht werden müsse (§ 331 Satz 1, § 312 Satz 1 Nr. 3 FamFG i.V.m. § 11 PsychKG M-V). Die Beschwerdeführerin habe nicht erklären können, warum sie ihre Tochter einem ärztlichen Drogentest habe unterziehen wollen. Insbesondere gegenüber der Ärztin H. habe sie sehr laut und aggressiv reagiert. Nach Auffassung der Ärztin H. könne eine medikamentöse Behandlung alsbald erforderlich werden, die gegen den Willen der Beschwerdeführerin nur unter den Bedingungen einer geschlossenen stationären Unterbringung möglich sei. Ohne eine solche Behandlung sei eine Zunahme der Aggressivität, des Verlustes der Steuerungsfähigkeit und des grundsätzlichen Misstrauens gegenüber Dritten zu erwarten. Die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr stelle sich sowohl als eigengefährdend als auch - in Bezug auf die Tochter - als fremdgefährdend dar. Durch das krankhafte Verhalten der Beschwerdeführerin bestehe eine erhebliche, gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die nicht anders als durch die Unterbringung der Beschwerdeführerin abgewendet werden könne.

3. Der sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung half das Amtsgericht nach erneuter Anhörung der Beschwerdeführerin nicht ab. Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde durch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 5. September 2014 zurück. Nach der telefonischen Auskunft der die Beschwerdeführerin behandelnden Ärztin Dr. W. bestünden die Gründe für die Unterbringung fort. Nach medikamentöser Behandlung sei die Beschwerdeführerin im Verhalten unauffälliger, es sei aber aufgrund fehlender Krankheitseinsicht zu befürchten, dass sie die medikamentöse Behandlung außerhalb einer geschlossenen Einrichtung nicht fortsetzen werde. Die Tochter der Beschwerdeführerin befinde sich bei deren Eltern; das Jugendamt sei verständigt.

4. Mit Beschluss vom 17. September 2014 hob das Amtsgericht den Unterbringungsbeschluss vom 30. August 2014 auf, da nach ärztlicher Mitteilung die Voraussetzungen entfallen seien und die Beschwerdeführerin entlassen worden sei.

II.

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Handlungsweise der Ärzte, den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2014 und den Beschluss des Landgerichts vom 5. September 2014. Die Unterbringung sei zu Unrecht angeordnet worden. In keiner der Anhörungen sei der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt worden. Die Ärztin H. habe sie nie untersucht. Am Tag der Aufnahme habe die diensthabende Ärztin Dr. O. lediglich eine kurze Anamnese durchgeführt. Von 2009 bis 2012 sei sie medikamentös wegen Schizophrenie behandelt worden; seit 2012 lebe sie sehr gut ohne Medikamente. Der Unterbringung habe es nicht bedurft. Damit rügt sie in der Sache eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG .

2. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Die Akte des fachgerichtlichen Verfahrens wurde beigezogen.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die gerichtlichen Beschlüsse wendet; dies ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Die Kammer ist zur Sachentscheidung berufen (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ), denn das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die gerichtlichen Beschlüsse richtet.

a) Das Rechtsschutzinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich aus der geschlossenen Anstalt entlassen und ihre Unterbringung aufgehoben wurde. Soweit - wie vorliegend - gewichtige Grundrechtsverletzungen in Frage stehen, besteht das Rechtsschutzinteresse trotz Erledigung fort (vgl. BVerfGE 104, 220 <233>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, NJW 2002, S. 2699 <2700> und vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, NJW 2002, S. 2700 <2701> -; stRspr).

b) Die Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde (§ 92 , § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ) sind erfüllt. Die Beschwerdeführerin beanstandet, ihre Unterbringung sei zu Unrecht, insbesondere ohne hinreichende Aufklärung des Sachverhalts erfolgt. Diesem Begehren ist im Zusammenhang mit den mit ihrer Verfassungsbeschwerde vorgelegten Unterlagen (vgl. zu dieser Möglichkeit der Begründung einer Verfassungsbeschwerde BVerfGK 19, 306 <313>) zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt sieht (vgl. zur Entbehrlichkeit ausdrücklicher und korrekter Bezeichnung des als verletzt angesehenen Grundrechts, sofern dem Verfassungsbeschwerdevortrag der Sache nach entnommen werden kann, in welchem Grundrecht sich der Beschwerdeführer verletzt sieht BVerfGE 47, 182 <187>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 -, NJW-RR 2004, S. 1153 <1153>). Auf eine ungezielte Durchsuchung beigefügter Unterlagen wird das Bundesverfassungsgericht insbesondere im Hinblick darauf nicht verwiesen, dass sich der Grundrechtsverstoß hier ohne weiteres aus den von der Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde vorgelegten Beschlüssen ergibt (vgl. unter 2.).

c) Aus diesem Grund steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auch - ungeachtet des Umstands, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerdeschrift aus dem fachgerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt hat - nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Auf den ausdrücklichen Beschwerdevortrag im fachgerichtlichen Verfahren kommt es vorliegend nicht an. Zwar verlangt der Grundsatz der materiellen Subsidiarität, dass der Beschwerdeführer bereits im fachgerichtlichen Verfahren alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen in dem unmittelbar mit ihnen zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60> stRspr, m.w.N.). Ergibt sich die Verfassungswidrigkeit aber unmittelbar aus den angegriffenen Beschlüssen, ist ein entsprechendes Vorbringen im fachgerichtlichen Verfahren unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der materiellen Subsidiarität nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 112, 50 <61, 62>) entbehrlich (vgl. BVerfGK 13, 67 <72>).

2. Soweit sie zulässig ist, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG .

a) Die Freiheit der Person ist unverletzlich (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ). In diese Freiheit darf gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden. Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten. Ungeachtet des hohen Ranges des hier geschützten Grundrechts ist es allerdings auch in diesem Bereich in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte, den Sinn des Gesetzesrechts mit Hilfe der anerkannten Methoden der Rechtsfindung zu ergründen und den Anwendungsbereich des Gesetzes zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht kann erst korrigierend tätig werden, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere wenn es mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1774>).

Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt zum einen Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1775>).

Zum anderen ist die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 <223>). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Sie ist in der Regel nur zulässig, wenn sie der Schutz der Allgemeinheit oder der Rechtsgüter anderer verlangt (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 f.>). Indes kann sie sich auch durch den Schutz des Betroffenen rechtfertigen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Dabei drängt es sich auf, dass dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt (vgl. BVerfGE 58, 208 <225 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1775>).

b) Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

aa) Dabei bedarf im Hinblick auf die nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gebotene Aufklärung des Sachverhalts keiner Entscheidung, ob den Beschlüssen mit der ärztlichen Stellungnahme vom 29. August 2014 ein den Anforderungen des § 331 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG genügendes ärztliches Zeugnis zugrunde liegt. Dies begegnet Bedenken, da die Stellungnahme ausweislich des Stempels aus der Kinderklinik stammt, soweit ersichtlich ohne Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellt und durch die behandelnde Ärztin erst vor dem Landgericht telefonisch ergänzt wurde. Die Frage bedarf indes keiner Entscheidung, da die angegriffenen Beschlüsse selbst bei Zugrundelegung dieser Stellungnahme und ihrer (fern-)mündlichen Ergänzungen durch die Ärztinnen H. und Dr. W. verfassungsrechtlich zu beanstanden sind.

bb) Das Amtsgericht stützt die einstweilige Anordnung der vorläufigen Unterbringung eingangs der Beschlussbegründung darauf, die Voraussetzungen der § 331 Satz 1, § 312 Satz 1 Nr. 3 FamFG in Verbindung mit § 11 PsychKG M-V seien erfüllt, da dringende Gründe für die Annahme bestünden, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsmaßnahme gegeben seien und mit einem Aufschub eine so erhebliche Gefahr für die Beschwerdeführerin verbunden sei, dass sie sofort untergebracht werden müsse. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Sachverhaltsaufklärung. Die Annahme einer die sofortige Unterbringung gebietenden Selbstgefährdung der Beschwerdeführerin ist nicht auf tatsächliche Feststellungen gestützt. Die ärztliche Stellungnahme vom 29. August 2014 gibt weder für die Annahme einer Eigengefährdung der Beschwerdeführerin noch für das Vorliegen dringender Gründe dafür, dass mit dem Aufschub der Unterbringung eine Gefahr für die Beschwerdeführerin verbunden gewesen wäre, etwas her. Sie führt lediglich aus, dass die Beschwerdeführerin an einer paranoid- halluzinatorischen Schizophrenie leide, in die sie ihre neunjährige Tochter miteinbeziehe, sodass eine fachpsychiatrische Behandlung "wegen einer Gefährdung der Tochter wichtig" sei. Darauf, dass die Beschwerdeführerin ihr eigenes Leben oder ihre eigene körperliche Unversehrtheit gefährdete, lässt sie nicht schließen. Die Einschätzung der Ärztin H. im Termin fasst das Amtsgericht zwar dahingehend zusammen, dass sich die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr sowohl als eigen- als auch zu Lasten der Tochter fremdgefährdend darstelle. Dazu, worin die Eigengefährdung bestehe, wie sie sich zeige und warum sie eine umgehende Unterbringung gebiete, lässt der Beschluss indes keine Sachaufklärung erkennen.

Daneben hält das Amtsgericht fest, eine erhebliche, gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 11 Abs. 1 PsychKG M-V bestehe wegen der Gefährdung der Tochter. Diese Schlussfolgerung ist zwar aufgrund der ärztlichen Stellungnahme vom 29. August 2014 und der Einlassung der Ärztin H. im Termin nachvollziehbar. Insoweit fehlt es jedoch zum einen an tatsächlichen Feststellungen dazu, dass nach § 331 Satz 1 Nr. 1 FamFG ein dringendes Bedürfnis für eine sofortige Unterbringung der Mutter bestand, sowie zum anderen an der auf der Grundlage dieser Feststellungen vorzunehmenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der sofortigen Unterbringung der Mutter. So ist das Amtsgericht zwar davon ausgegangen, dass die Gefährdung der Tochter nicht anders als durch die sofortige Unterbringung der Mutter abgewendet werden könne. Dabei ist jedoch schon nicht ohne Weiteres ersichtlich und hätte deshalb der weiteren Aufklärung und Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedurft, ob die Unterbringung der Mutter zum Schutz der Tochter geeignet, erforderlich und angemessen war. Wie später das Landgericht ermittelt hat, befand sich die Tochter im Zeitpunkt der Unterbringung der Mutter bei den Großeltern, und das Jugendamt war verständigt. Möglicherweise war einer unmittelbaren Gefährdung der Tochter damit bereits begegnet. Nach der ärztlichen Stellungnahme vom 29. August 2014 lag zudem ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (§ 331 Satz 1 Nr. 1 FamFG ) nicht auf der Hand und hätte deshalb der weiteren Aufklärung bedurft. In der schriftlichen Stellungnahme heißt es lediglich, eine fachpsychiatrische Behandlung sei wegen Fremdgefährdung der Tochter "wichtig". Dass sie umgehend erfolgen musste, ist nicht ausgeführt. Während der Anhörung ergänzte die Ärztin, eine medikamentöse Behandlung, die nur unter den Bedingungen einer geschlossenen stationären Unterbringung möglich sei, könne alsbald erforderlich werden. Bestand diese Erforderlichkeit nach ärztlicher Auffassung in diesem Zeitpunkt aber noch nicht, hätte zumindest der weiteren Aufklärung und Begründung bedurft, warum sie bereits die vorläufige Unterbringung rechtfertigen sollte.

cc) Der Beschluss des Landgerichts beruht ebenfalls auf mangelnder Sachaufklärung und unzureichender Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung. Zwar bleibt offen, ob das Landgericht auch von einer Selbstgefährdung der Beschwerdeführerin ausgeht (dafür spricht, dass es festhält, das Amtsgericht habe die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 PsychKG M-V nicht nur im Ergebnis zu Recht, sondern auch mit zutreffender Begründung bejaht) oder allein eine Gefährdung der Tochter annimmt (dafür sprechen die weiteren Ausführungen des Landgerichts, die sich darin erschöpfen, es liege eine Fremdgefährdung zu Lasten der Tochter der Beschwerdeführerin vor, da zu befürchten sei, dass die Beschwerdeführerin die Tochter erneut in ihre Wahnvorstellung miteinbeziehen werde). Jedenfalls lässt auch der landgerichtliche Beschluss weder Aufklärung noch Abwägung dazu erkennen, warum die sofortige Unterbringung der Beschwerdeführerin zur Abwehr einer Gefährdung der bereits bei den Großeltern befindlichen Tochter geeignet, erforderlich und angemessen war.

3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Verhalten der Ärzte richtet, ist sie nicht zur Entscheidung anzunehmen. Es handelt sich insoweit nicht um Angriffe gegen die Rechtmäßigkeit der Unterbringung als solche, wegen der allein die Beschwerdeführerin den Rechtsweg beschritten hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1775>).

IV.

1. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist festzustellen, dass das Amtsgericht und das Landgericht das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt haben. Da der vom Landgericht aufrechterhaltene Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts durch den Beschluss vom 17. September 2014 bereits aufgehoben ist, bleibt für eine Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse durch das Bundesverfassungsgericht und eine Zurückverweisung kein Raum (vgl. BVerfGE 42, 212 <222>; 44, 353 <383>; 50, 234 <243>).

2. Die Anordnung der Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG ; die Beschwerdeführerin hat ihr Rechtsschutzziel im Wesentlichen erreicht.

Vorinstanz: LG Neubrandenburg, vom 05.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 2 T 181/14
Vorinstanz: AG Waren (Müritz), vom 30.08.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 412 XIV 51/14
Fundstellen
FuR 2015, 722