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BSG - Entscheidung vom 25.08.2015

B 5 RS 18/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3

BSG, Beschluss vom 25.08.2015 - Aktenzeichen B 5 RS 18/15 B

DRsp Nr. 2015/16763

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz Grundsätzliche Bedeutung einer bereits entschiedenen Rechtsfrage Grundsatzrüge und Verfahrensrüge Lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthaltene Beweisanträge

1. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten sei. 2. Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen. 3. Die Warnfunktion des Beweisantrags verfehlen Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind; sie sind nur als Hinweise oder bloße Anregungen zu verstehen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 14.4.2015 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 1.7.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte im Zugunstenverfahren verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (I.) und Verfahrensmängel (II.) geltend gemacht.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

I. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 42).

Nach Auffassung des Klägers ist die Frage grundsätzlich bedeutsam,

"ob ein Betrieb, der organisatorisch dem Wirtschaftsbereich des Bauwesens zugeordnet ist, dem die Erstellung von Bauwerken in der Massenproduktion nach dem fordistischen Produktionsmodell das maßgebliche Gepräge verliehen hat, den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AÜG eröffnet."

Die Beschwerdebegründung legt jedoch weder schlüssig dar, dass diese Frage klärungsbedürftig (1.) noch im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (2.) wäre.

1. Zur Klärungsbedürftigkeit wird lediglich behauptet, dass die Frage "höchstrichterlich noch nicht geklärt" bzw "durch das Bundessozialgericht noch nicht entschieden" sei. Dabei verkennt die Beschwerdebegründung jedoch, dass eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen ist, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 183 mwN).

Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung geht insbesondere nicht auf die Senatsurteile vom 9.10.2012 (B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24) und vom 20.3.2013 (B 5 RS 3/12 R - Juris RdNr 25) ein, wonach für die Erfüllung der sog betrieblichen Voraussetzung iS von § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB allein maßgebend ist, ob der Betroffene am 30.6.1990 in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Dagegen ist nach dieser Rechtsprechung nicht auch konstitutiv auf die organisatorische Zuordnung des VEB zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich bzw einer Wirtschaftsgruppe innerhalb der Volkswirtschaftszweige der DDR abzustellen, worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28) hingewiesen hat. Eine derartige Bedeutung hatte der 4. Senat des BSG allenfalls - und ausdrücklich nicht tragend - zunächst als möglich erwogen (Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f), dann aber im Urteil vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) ausdrücklich entschieden, dass die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium allein nicht genüge, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens zu verneinen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

Dass trotz dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe, hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten sei ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51). Dasselbe gilt für die Behauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 mwN; siehe auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8b). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise gerecht.

2. Soweit der Kläger bereits in der Fragestellung (und nachfolgend auch in der Beschwerdebegründung) behauptet, "die Erstellung von Bauwerken in der Massenproduktion nach dem fordistischen Produktionsmodell" habe seinem Beschäftigungsbetrieb "das maßgebliche Gepräge verliehen", fehlt es an den erforderlichen Ausführungen dazu, dass das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen mit bindender Wirkung (§ 163 SGG ) getroffen hat. Damit bleibt offen, ob sich die Frage, so wie sie formuliert ist, in einem künftigen Revisionsverfahren überhaupt stellen könnte. Zudem geht die Beschwerdebegründung auch nicht darauf ein, ob das Berufungsgericht alle sonstigen Voraussetzungen einer fiktiven Einbeziehung bejaht hat, sodass ggf allein über die betriebliche Voraussetzung zu entscheiden wäre.

II. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, "den Zeugen H. zu hören", lässt er die besonderen Anforderungen der Sachaufklärungsrüge unbeachtet. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel "auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist". Der Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 31 S 52). Diese Warnfunktion des Beweisantrags verfehlen Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 67 S 73; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 35 S 73). Sie sind nur als Hinweise oder bloße Anregungen zu verstehen ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21 und Nr 35 S 73). Um die Warnfunktion zu aktivieren, muss ein rechtskundig vertretener Beschwerdeführer sein Beweisbegehren deshalb in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als prozessordnungskonformen "Beweisantrag" iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG wiederholen und protokollieren lassen (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 2 und 4 S 1 ZPO ). Ohne eine solche förmliche Antragstellung ist regelmäßig davon auszugehen (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 295 Abs 1 ZPO ), dass er sein Beweisverlangen nicht mehr weiterverfolgt, sondern fallengelassen hat (stRspr, vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52 und Nr 35 S 74, jeweils mwN). Darüber hinaus lässt die Beschwerdebegründung auch offen, ob das Beweisgesuch überhaupt prozessordnungskonform war, dh die ladungsfähige Anschrift des Zeugen H. enthielt (vgl dazu Senatsbeschluss vom 22.7.2013 - B 5 R 196/13 B - BeckRS 2013, 71551 RdNr 10) und konkrete Tatsachen bezeichnete, über welche die Vernehmung des Zeugen stattfinden sollte (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 373 ZPO ).

Soweit der Kläger schließlich geltend macht, "die bloße Bezugnahme auf eine Zeugenaussage in einem Parallelverfahren" stelle "einen gravierenden Verfahrensmangel dar", hat er allein damit weder Verstöße gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 SGG ) noch gegen die Vorschriften über die Durchführung des Urkundenbeweises (§ 118 Abs 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO ) oder eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , §§ 62 , 128 Abs 2 SGG ) schlüssig aufgezeigt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 14.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 RS 245/14
Vorinstanz: SG Chemnitz, - Vorinstanzaktenzeichen 19 RS 746/13