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BSG - Entscheidung vom 29.06.2015

B 1 KR 13/14 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 202
ZPO § 547 Nr. 1
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
SGG § 177
ZPO § 557 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 29.06.2015 - Aktenzeichen B 1 KR 13/14 BH

DRsp Nr. 2015/11466

Unterlassung der Speicherung, Offenbarung und Verwertung von Einkommensteuerdaten Erfolglose Befangenheitsanträge Zurückweisung durch Zwischenentscheidung Verfahrensfehler Willkürliche Verstöße gegen Verfahrensvorschriften

1. Erfolglose Befangenheitsanträge begründen als Zwischenentscheidung grundsätzlich keinen Verfahrensfehler. 2. Nach einer Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter durch Zwischenentscheidung kann ein sich auf das angefochtene Urteil selbst auswirkender Mangel im Sinne eines absoluten Revisionsgrundes (§ 202 SGG i.V.m. § 547 Nr. 1 ZPO ) nur dann vorliegen, wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft ist, dass durch die weitere Mitwirkung der abgelehnten Richter das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt ist und das Berufungsgericht bei seiner Berufungsentscheidung deshalb unrichtig besetzt war. 3. Im Übrigen unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG ), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO ). 4. Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S .2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften oder dann in Betracht, wenn das LSG hierbei Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkannt hat.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 202 ; ZPO § 547 Nr. 1 ; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; SGG § 177 ; ZPO § 557 Abs. 2 ;

Gründe:

I

Die bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert gewesene Klägerin ist mit ihrem (und zunächst auch dem von ihrem früheren Ehemann verfolgten) Begehren, die Beklagte zur Unterlassung der Speicherung, Offenbarung und Verwertung von Einkommensteuerdaten sowie kreditgefährdender Handlungen zu verurteilen, beim SG und beim LSG erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, einer Beiladung des früheren Klägers, des geschiedenen Ehemannes, bedürfe es nicht. Das Urteil des SG sei verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ordnungsgemäß zugestellt worden. Ein etwaiger Zustellungsmangel sei jedenfalls geheilt. Ein Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte die vom Finanzamt mitgeteilten Daten in zulässiger Weise erhoben, gespeichert und verwertet habe (Beschluss vom 29.9.2014).

Die Klägerin begehrt, ihr für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.

Die Klägerin kann aller Voraussicht nach mit ihrem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin - Anhaltspunkte dafür, dass sie einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Allein eine - von der Klägerin behauptete - materielle Rechtswidrigkeit kann die grundsätzliche Bedeutung nicht begründen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder dass die Klägerin einen Verfahrensfehler des LSG dartun könnte, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Erfolglose Befangenheitsanträge (hier: Beschluss des LSG vom 22.5.2014) begründen als Zwischenentscheidung grundsätzlich keinen Verfahrensfehler. Nach einer Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter durch Zwischenentscheidung kann ein sich auf das angefochtene Urteil selbst auswirkender Mangel im Sinne eines absoluten Revisionsgrundes (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO ) nur dann vorliegen, wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft ist, dass durch die weitere Mitwirkung der abgelehnten Richter das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 S 2 GG verletzt ist und das Berufungsgericht bei seiner Berufungsentscheidung deshalb unrichtig besetzt war ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 8; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5; BSG Beschluss vom 19.2.2013 - B 1 KR 70/12 B - Juris RdNr 6 mwN). Im Übrigen unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG ), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO ). Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften - hier also nur bei willkürlichen oder manipulativen Erwägungen für die Zurückverweisung des Ablehnungsgesuchs - oder dann in Betracht, wenn das LSG hierbei Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 LS 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f). Anhaltspunkte für eine willkürliche, Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkennende Entscheidung des LSG über den Befangenheitsantrag der Klägerin hat der erkennende Senat nicht.

Einer Beiladung des früheren Klägers nach § 75 Abs 2 SGG bedurfte es nicht, worauf das LSG zu Recht hinweist. Auch sind weder Grundrechtsverstöße durch das LSG noch ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör erkennbar. Der Vorwurf, das Verfahren sei anderweitig seit 2007 rechtshängig gewesen, findet in den Akten keine Grundlage. Das (Hauptsache-)Verfahren aus dem Jahr 2007 - S 111 KR 1708/07 - betraf die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 16.5.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.6.2007.

Das LSG hat auch ermessensfehlerfrei ohne mündliche Verhandlung entschieden. Gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach § 153 Abs 4 S 2 SGG sind die Beteiligten vorher zu hören. Ist - wie vorliegend - eine korrekte erste Anhörung gemäß § 153 Abs 4 S 2 SGG erfolgt, wird eine erneute Anhörung lediglich dann erforderlich, wenn sich die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 12; BSG Beschluss vom 25.5.2011 - B 12 KR 81/10 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 12.12.2011 - B 7 AL 29/11 BH - Juris RdNr 7 mwN). Dafür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Klägerin hat sich auf die Anhörungsmitteilung nicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Soweit sie im Übrigen lediglich meint, die "Behauptungen der Gegenpartei als festgestellte Tatsachen ist rechtswidrig", liegt für eine Änderung der Prozesssituation nichts vor. Auch die Behauptung der Klägerin, sie habe nie Gelegenheit gehabt, persönlich gehört zu werden, gibt keinen Anlass, eine hinreichende Erfolgsaussicht einer Beschwerde zu bejahen. Die Klägerin ist nach dem Akteninhalt ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunden vom 8. und 19.11.2011 zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.12.2011 geladen worden. Dort hätte sie Gelegenheit zur Äußerung gehabt.

Der erkennende Senat sieht von einer weiteren Begründung ab.

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 29.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 42/12
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen S 73 KR 1505/09