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BSG - Entscheidung vom 07.05.2015

B 5 RE 9/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 163

BSG, Beschluss vom 07.05.2015 - Aktenzeichen B 5 RE 9/15 B

DRsp Nr. 2015/9559

Sozialrechtliche Versicherungspflicht eines selbständigen Lehrers Fehlende Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Höchstrichterliche Klärung Rechtserheblichkeit

1. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. 2. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw. das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. 3. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie gerade für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. 4. Ob dies der Fall ist, kann nur auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen, an die das BSG grundsätzlich gebunden ist (vgl. § 163 SGG ), entschieden werden.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Januar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 163 ;

Gründe:

Mit Beschluss vom 30.1.2015 hat das LSG Baden-Württemberg die Rechtmäßigkeit von Bescheiden der Beklagten bestätigt, mit denen diese das Bestehen von Versicherungspflicht des Klägers als selbstständiger Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S 1 Nr 1 SGB VI festgestellt und für die Zeit ab 1.1.2006 Beiträge erhoben hat.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG .

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei, "ob selbstständig tätige Lehrer bzw. Dozenten einer Rentenversicherungspflicht unterliegen" und er "mit seiner Berufsausübung überhaupt noch in der Lage ist, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu decken". Außerdem stellt sich nach der Beschwerdebegründung "die Frage der Willkürlichkeit der Versicherungspflicht bei freien Berufsgruppen" und wohl auch "die Frage des Härtefalls".

Mit diesen Formulierungen wird der Kläger schon dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG ) gestellt. Die Formulierung einer Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG , den Vortrag des Beschwerdeführers daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

Außerdem hat der Kläger weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit der angesprochenen Problemkreise ausreichend dargetan.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick darauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem angesprochenen Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).

Hieran fehlt es. Der Kläger weist selbst auf die Entscheidungen des BVerfG vom 26.6.2007 (1 BvL 2204/00 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10) und des BSG vom 23.11.2005 (B 12 RA 9/04 R - Juris) hin, nach denen die Einbeziehung selbstständiger Lehrer als Pflichtversicherte in die gesetzliche Rentenversicherung mit Verfassungsrecht in Einklang steht. Zwar ist der Kläger der Ansicht, sein Fall lasse sich unter die bisher vorliegende Rechtsprechung nicht subsumieren bzw weise derartige Abweichungen auf, dass eine Klärung der angesprochenen Problemkreise bis hin zur Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit erneut geboten erscheine. Mit diesem Vorbringen ist eine weiterhin bestehende Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Fragenbereiche nicht aufgezeigt. Vielmehr hätte der Kläger unter Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsausführungen vortragen müssen, dass diese noch nicht einmal Anhaltspunkte zur Beurteilung bisher nicht geklärter rechtlicher Gesichtspunkte (welcher?) geben. Überdies sei der Kläger erneut darauf hingewiesen, dass eine Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung haben kann, wenn sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

Soweit der Kläger ausführt, dass der vom BVerfG zu beurteilende Sachverhalt finanziell und wirtschaftlich eine völlig andere Dimension betreffe als sein Fall, vermag dies ebenso wenig die gebotene Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen. Welche selbstständigen Tätigkeiten für die gesetzliche Rentenversicherung in finanzieller Hinsicht Relevanz haben, ergibt sich aus § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 1 , Abs 3 SGB IV , nach denen Personen, die eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausüben (für die hier streitige Zeit ab 1.1.2006: 400 Euro, ab 1.1.2013: 450 Euro), versicherungsfrei sind. Warum trotz dieser Bestimmung sonstige finanzielle Einkommensgrenzen für die Versicherungspflicht selbstständig Tätiger in der gesetzlichen Rentenversicherung Relevanz haben könnten, hat der Kläger nicht dargelegt.

Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie gerade für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. Ob dies der Fall ist, kann nur auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen, an die das BSG grundsätzlich gebunden ist (vgl § 163 SGG ), entschieden werden. Welchen Sachverhalt das Berufungsgericht festgestellt hat, gibt die Beschwerdebegründung jedoch nicht an. Soweit sie Sachverhaltsgesichtspunkte schildert, ist ihr nicht zu entnehmen, ob diese dem Berufungsgericht zuzuordnen sind.

Mit seinem übrigen Vorbringen macht der Kläger die sachliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde indes ausweislich § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG nicht gestützt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 30.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 5462/13
Vorinstanz: SG Stuttgart, - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 6858/12