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BSG - Entscheidung vom 20.03.2015

B 4 AS 287/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 20.03.2015 - Aktenzeichen B 4 AS 287/14 B

DRsp Nr. 2015/6577

SGB-II -Leistungen Anrechenbare Einkünfte Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren Wirkung einer Rechtsmittelbelehrung

1. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert bezeichnet werden. 2. Im Beschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das LSG aufgrund sachfremder Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung von der mündlichen Verhandlung abgesehen hat. 3. Eine Belehrung über das Rechtsmittel der Berufung beinhaltet keine Zulassung der Berufung.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2008 bis 31.7.2008 unter Einbeziehung von Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen des Beklagten.

Das SG hatte den Klägern unter Berücksichtigung von geringeren anrechenbaren Einkünften höhere Leistungen zugesprochen, die weitergehenden Klagen aber abgewiesen (Urteil vom 17.10.2013). Die Entscheidung ist nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen und war versehen mit der Rechtsmittelbelehrung, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne. Im Berufungsverfahren haben die Kläger die Aufhebung des Urteils des SG und der "Bescheide vom 22.9.2008 in der Form der Widerspruchsbescheide vom 1.7.2008" beantragt. Ihr Begehren haben sie mit Schriftsatz vom 12.5.2014 dahingehend präzisiert, dass "die Übernahme der Gasag-Jahresabrechnung", aus der sich eine Nachzahlung von 53 Euro ergebe, unter Berücksichtigung von monatlichen Abschlagzahlungen in Höhe von 36 Euro für die Zeit vom 9.1.2008 bis 6.1.2009 einzubeziehen sei. Es bestehe eine zeitliche Überschneidung mit dem streitigen Bewilligungszeitraum. Das LSG hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen, nachdem es zuvor darauf hingewiesen hatte, dass die Überschreitung des Beschwerdewertes von 750 Euro nicht ersichtlich sei und die danach unzulässige Berufung durch Beschluss zu verwerfen wäre (Beschluss vom 27.8.2014). Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde zum BSG . Sie rügen Verfahrensfehler.

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Kläger haben den gerügten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 SGG , § 169 SGG ).

Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert bezeichnet werden ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36).

Die Kläger haben nicht schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 158 SGG nicht vorgelegen haben und das LSG deshalb verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung ein Prozessurteil erlassen hat. Nach § 158 S 1 Alt 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft ist. Nach § 158 S 2 SGG kann die Entscheidung durch Beschluss ergehen. Eine Berufung ist nicht zulässig, sondern bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ) und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs 1 S 2 SGG ).

Das LSG ist nach Auslegung des klägerischen Begehrens und unter Berücksichtigung des teilweise den Klagen stattgebenden Urteils des SG von einem Beschwerdewert von allenfalls 216 Euro ausgegangen. Es hat auch zu Recht angenommen, dass eine Belehrung über das Rechtsmittel der Berufung keine Zulassung der Berufung beinhaltet (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 158 RdNr 40 mwN). Soweit die Kläger rügen, das LSG habe die Höhe des Beschwerdewertes verfahrensfehlerhaft ermittelt, ist ihr Vorbringen nicht ansatzweise nachvollziehbar. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, was noch konkret Streitgegenstand im Berufungsverfahren gewesen sein soll. Keine Erwähnung findet etwa, dass den Klagen durch das SG teilweise stattgeben und - mangels eines Rechtsmittels des Beklagten rechtskräftig - höhere Leistungen zugesprochen wurden. Auch ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die ausdrücklich beantragte Aufhebung von Bewilligungsentscheidungen dem rechtlichen Interesse der Kläger entsprechen und Einfluss auf den Beschwerdewert haben könnte. Soweit die Kläger auf angeblich noch streitige Erstattungsansprüche verweisen, wird nicht dargelegt, dass sie nach der Entscheidung des SG überhaupt noch solchen ausgesetzt wären.

Auch das Vorbringen der Kläger, das LSG habe ermessensfehlerhaft durch Beschluss entschieden, entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG . Abgesehen davon, dass das Urteil des LSG, entgegen der Darstellung der Kläger, Ausführungen dazu enthält, warum ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde, das LSG also Ermessenserwägungen angestellt hat, verkennen die Kläger, dass im Beschwerdeverfahren nur zu prüfen ist, ob das LSG aufgrund sachfremder Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung von der mündlichen Verhandlung abgesehen hat (vgl BSG SozR 4-1500, § 158 Nr 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 158 RdNr 7 mwN). Entsprechende Umstände sind nicht vorgetragen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass bereits das SG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, denn dies ist mit Einverständnis der Beteiligten (§ 124 Abs 2 SGG ) geschehen (vgl BSG vom 14.10.2005 - B 11a AL 45/04 B - zur entsprechenden Regelung in § 153 Abs 4 SGG ).

Schließlich ist vor dem Hintergrund, dass die Kläger rechtskundig vertreten sind, nicht ersichtlich, warum das LSG verpflichtet gewesen sein soll, sie auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des SG hinzuweisen und die Anhörung des LSG vom 7.7.2014 unverständlich bzw irreführend gewesen sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 27.08.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 18 AS 3108/13
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen 59 AS 6046/08