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BSG - Entscheidung vom 05.02.2015

B 2 U 4/14 R

Normen:
SGG § 164 Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluss vom 05.02.2015 - Aktenzeichen B 2 U 4/14 R

DRsp Nr. 2015/4221

Notwendiger Inhalt einer Revisionsbegründung Verletzung von Bundesrecht

1. Nach § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. 2. Mit dieser Vorschrift soll zur Entlastung des Revisionsgerichts erreicht werden, dass der Revisionskläger die Erfolgsaussicht der Revision eingehend geprüft und von aussichtslosen Revisionen rechtzeitig Abstand nimmt. 3. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach den Kriterien voraus, an denen sich auch die revisionsgerichtliche Überprüfung zu orientieren hat. 4. Der Revisionsführer darf sich nicht darauf beschränken, die angeblich verletzte Rechtsnorm zu benennen, auf ein ihm günstiges Urteil Bezug zu nehmen oder auf die Unvereinbarkeit der von der Vorinstanz vertretenen Rechtsauffassung mit der eigenen hinzuweisen. 5. Erforderlich sind Rechtsausführungen, die aus seiner Sicht geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen; notwendig ist also, dass der Revisionsführer die Gründe dafür darlegt, dass das LSG sein Urteil auf eine Verletzung von Bundesrecht gestützt habe, und es ist mit rechtlichen Erwägungen aufzuzeigen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Tatsachengerichts nicht geteilt wird.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 164 Abs. 2 S. 3;

Gründe:

I

Der Kläger hatte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Bereichsleiter in einem VEB in der DDR am 4.12.1984 einen Arbeitsunfall erlitten, der seit dem 1.5.1985 durch eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 60 %, ausgehend vom versicherten Höchstverdienst des Klägers von 600 Mark iHv 240 Mark zuzüglich eines Festbetrags von 20 Mark nach § 25 Abs 3 Buchst b RentenvO-DDR und somit iHv insgesamt 260 Mark pro Monat entschädigt wurde. Nach Untergang der DDR und dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland übernahm eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten die Zahlungen iHv monatlich 456,00 DM unter Anerkennung einer MdE von 60 vH auf Grundlage eines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) iHv 13 680,00 DM. Mit Schreiben vom 26.12.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Neuberechnung seiner Rente ab 1.1.1991 auf der Grundlage eines tatsächlichen Bruttoarbeitsverdienstes aus dem Jahr vor dem Arbeitsunfall iHv 29 338,92 DM. Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 22.1.2013; Widerspruchsbescheid vom 4.3.2013).

Die hiergegen erhobene Klage hat das SG Mannheim abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.10.2013). Die Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2014). Die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte habe die einschlägigen, einfachrechtlichen Vorschriften zutreffend angewandt. Verletztenrente sei weiterhin nach § 1152 Abs 2 RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung zu berechnen. Die Vorschrift könne nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber den JAV für Altfälle aus DDR-Zeiten, die vor dem 1.7.1990 eingetreten sind, pauschal auf insgesamt (damals/anfangs) 13 680 DM festgelegt habe. Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik sprächen dagegen, dass es sich hierbei nur um eine Mindesthöhe für an sich niedrigere Bruttoverdienste handele und eventuell höhere Verdienste fortbestehen sollten. Eine hiervon abweichende höhere Neufestsetzung des JAV könne der Kläger auch nicht wegen eines Verstoßes des § 1152 Abs 2 Satz 1 RVO aF gegen Grundrechte verlangen. Bereits aus der Rechtsprechung des BSG folge, dass die gegenüber den Leistungen mit Anknüpfungspunkt in den alten Bundesländern geringere Höhe des anzusetzenden JAV mit der Folge niedriger Verletztenrente im Hinblick auf die im Zuge der Wiedervereinigung notwendigen Vorschriften zur Überführung von Ansprüchen des Beitrittsgebiets in das Recht zum Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland sachlich gerechtfertigt sei und daher auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vorliege (unter Bezugnahme auf BSG vom 29.7.2004 - B 4 RA 51/03 R - SozR 4-2600 § 93 Nr 5 - Juris RdNr 21 f). Auch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 1. Alternative GG sei nicht verletzt und unabhängig davon, ob Anwartschaften und erworbene oder bewilligte Ansprüche auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung der Eigentumsgarantie unterfielen, fehle es an einer Grundrechtsbeeinträchtigung. Aufgrund der besonderen Umstände des Einigungsprozesses liege bereits keine Inhalts- und Schrankenbestimmung iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG vor. Das RÜG sei zudem keine benachteiligende Regelung, da die Bestandsrenten der DDR bereits zuvor bis zum 31.12.1991 nach demselben Bruttoarbeitsverdienst iHv 13 680 DM jährlich berechnet worden seien. Auch § 4 Abs 1 Rentenanpassungsgesetz ( RAG ), wodurch erstmals die Berechnungsgrundlage der Bestandsrenten auf 1140,00 DM im Monat beschränkt worden sei, habe nicht in die Eigentumsposition des Klägers eingegriffen. Da dieser vermeintliche Eingriff von der DDR ausgegangen sei, gelte für ihn nicht die Eigentumsgarantie des GG . Ebenso erstrecke sich der Schutz der Eigentumsgarantie nicht rückwirkend auf Erwerbstatbestände, die vor dem Beitritt im Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegt und vom Gesetzgeber der ehemaligen DDR rechtlich ausgestaltet worden waren (unter Bezugnahme auf BVerfG vom 30.10.1993 - 1 BvL 42/92 - SozR 3-8560 § 26 Nr 1 - Juris RdNr 38). Selbst wenn die Volkskammer Ende Juli 1990 an Art 14 Abs 1 Satz 1 1. Alternative GG gebunden gewesen wäre, sei die Neuregelung für den Kläger nur günstig gewesen, da der nunmehr festgesetzte Bruttoarbeitsverdienst iHv 1140 DM als Durchschnittsverdienst für sämtliche Bestandsunfallrentner des Beitragsgebiets unabhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen Unfallgeschehens gegolten habe. Dieser sei höher als der bis dahin in der DDR geltende Bruttohöchstverdienst von 7200 Mark (600 Mark im Monat). Sofern § 4 Abs 1 RAG oder § 1152 Abs 2 Satz 1 RVO aF entgegen diesen Ausführungen doch eine eigentumsrechtlich geschützte Position des Klägers beeinträchtigt hätten, wäre diese Inhalts- und Schrankenbestimmung als gerechtfertigt anzusehen. Insoweit verweise der Senat auf den besonders weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Zeit der Umbrüche in der DDR 1989/1990 und der Wiedervereinigung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 1152 Abs 2 Satz 1 Nr 1 der RVO in der vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung. Seine vor dem Arbeitsunfall erworbenen Rechts- und Rentenansprüche unterfielen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Vertrauensschutz sowie der Eigentumsgarantie nach dem GG . Er habe gemäß den Regelungen aus Einigungsvertrag und RVO Leistungen der staatlichen Versicherung der DDR iHv monatlich 1150 DM nebst einer Unfallteilrente iHv 240 DM monatlich erhalten. Ab 1.1.1991 seien diese Leistungen in Wegfall geraten. Stattdessen habe er dann lediglich noch eine Verletztenrente iHv ca 450 DM von der Beklagten, berechnet auf der Grundlage des im Rentenangleichungsgesetz festgehaltenen pauschalen JAV iHv 13 680 DM, erhalten. Sein tatsächliches Jahreseinkommen habe vor seinem Arbeitsunfall jedoch 29 338,92 DM betragen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nehme er vollumfänglich Bezug auf die Inhalte der Klagebegründungen sowie Berufungsbegründungen. Ergänzend werde noch darauf hingewiesen, dass er vor seinem Arbeitsunfall sehr wohl auch nicht unerhebliche Eigenleistungen an die Sozialversicherung erbracht habe.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. März 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Oktober 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2013 aufzuheben,

2. die Beklagte unter Rücknahme der Bescheide vom 15. Januar 1996, 8. Mai 1996, 25. Juni 1997, 17. Juli 2008 und 26. November 2010 zu verpflichten, eine höhere Unfallrente unter Berücksichtigung eines vom Gericht vorzugebenden Jahresarbeitsverdienstes zu bewilligen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. März 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,

äußerst hilfsweise,

die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber vorzulegen, ob die §§ 250 Abs 2 SGB VII , 1152 Abs 2 Satz 1 RVO aF gegen Grundrechte verstoßen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Ausführungen in der Revisionsbegründung vom 3.6.2014 genügten nicht den in § 164 Abs 2 SGG genannten Anforderungen. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des LSG sei nicht erfolgt, ebenso wenig wie die Darlegung der behaupteten Grundrechtsverletzungen unter Berücksichtigung der entsprechenden umfangreichen Ausführungen des LSG. Darüber hinaus sei die Revision auch nicht begründet, weil das Urteil des LSG im Übrigen nicht zu beanstanden sei.

II

Die Revision des Klägers ist unzulässig. Seine Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Mit dieser Vorschrift soll zur Entlastung des Revisionsgerichts erreicht werden, dass der Revisionskläger die Erfolgsaussicht der Revision eingehend geprüft und von aussichtslosen Revisionen rechtzeitig Abstand nimmt. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach den Kriterien voraus, an denen sich auch die revisionsgerichtliche Überprüfung zu orientieren hat. Der Revisionsführer darf sich nicht darauf beschränken, die angeblich verletzte Rechtsnorm zu benennen, auf ein ihm günstiges Urteil Bezug zu nehmen oder auf die Unvereinbarkeit der von der Vorinstanz vertretenen Rechtsauffassung mit der eigenen hinzuweisen. Erforderlich sind Rechtsausführungen, die aus seiner Sicht geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen (vgl BSG vom 18.6.2002 - B 2 U 34/01 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 mwN = NZS 2003, 111 ). Notwendig ist also, dass der Revisionsführer die Gründe dafür darlegt, dass das LSG sein Urteil auf eine Verletzung von Bundesrecht gestützt habe, und es ist mit rechtlichen Erwägungen aufzuzeigen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Tatsachengerichts nicht geteilt wird ( BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 11 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 10).

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revisionsbegründung nicht gerecht. Der Kläger hat zwar noch hinreichend konkret die angeblich verletzte Rechtsnorm bezeichnet, sich aber nicht mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt. Der Kläger wiederholt im Wesentlichen den Inhalt seines Berufungsschriftsatzes vom 7.11.2013 sowie der Klageschrift vom 18.4.2013, und dies weitgehend wörtlich. Dies zeigt, dass er sich mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des LSG, in dem sämtliche in dem gehaltenen Vortrag des Klägers angeführten Argumente abgehandelt werden, und den besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens in keiner Weise auseinandergesetzt hat (vgl hierzu auch BSG vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - Die Beiträge, Beilage 2011, 254 jeweils mwN; s auch BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 21/11 R - NZS 2013, 639 bis 640). Da es eines Eingehens auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung bedarf, vermag allein der Hinweis auf die vor der Zustellung des beanstandeten Urteils eingereichten Schriftsätze die Revision nicht zu begründen ( BSG vom 8.12.1992 - 10 RKg 2/93 - Juris RdNr 16 mwN). Die seitens des Klägers erhobene pauschale Behauptung, dass § 1152 Abs 2 Satz 1 Nr 1 RVO aF nicht mit dem GG , insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG ) sowie der Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 Satz 1 1. Alternative GG ), vereinbar sei, wird in keiner Weise begründet, sondern nur auf Inhalte der Klagebegründungen sowie Berufungsbegründungen verwiesen. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils des LSG ist nicht feststellbar; das LSG hat ausführlich dargelegt, weshalb aus seiner Sicht weder eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG noch des Art 3 Abs 1 GG vorliegt.

Der Senat war auch nicht verpflichtet, einen diesbezüglichen rechtlichen Hinweis, wie vom Kläger in seiner Beschwerdebegründung erbeten, zu erteilen, da der vor allen obersten Gerichthöfen des Bundes bestehende Vertretungszwang sowohl den Interessen des betroffenen Bürgers als auch denen des Revisionsgerichts, um dieses von unsinnigen und ggf wenig sachgerecht vorbereiteten Verfahren zu entlasten, dient.

Die somit nicht hinreichend begründete Revision des Klägers musste daher als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verworfen werden (§ 169 Satz 2 und 3 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 21.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 U 4813/13
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 14.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen S 16 U 1974/13