Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 21.01.2015

B 13 R 403/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 128 Abs. 1 S. 2
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 6

BSG, Beschluss vom 21.01.2015 - Aktenzeichen B 13 R 403/14 B

DRsp Nr. 2015/2761

Nicht mit Gründen versehene Entscheidung Umfang der Begründungspflicht Funktion der Urteilsgründe

1. Nach § 128 Abs. 1 S. 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind; das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. 2. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln. 3. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst hat. 4. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten. 5. Um die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG stützen zu können, muss ein Beschwerdeführer mithin darlegen, dass die Entscheidung entweder überhaupt keine Begründung enthält oder dass die Gründe in so extremem Maß mangelhaft sind, dass sie ihre Funktion (Unterrichtung der Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichts) nicht erfüllen können.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 2; SGG § 136 Abs. 1 Nr. 6 ;

Gründe:

Das LSG Sachsen-Anhalt hat im Urteil vom 16.10.2014 einen Anspruch der im Jahr 1958 geborenen Klägerin auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Zwar könne sie den zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Beruf einer Verkaufstätigkeit in der Fleischabteilung und im Backshop eines Supermarkts nicht mehr ausüben. Sie sei aber noch in der Lage, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, wobei sie als Angelernte im oberen Bereich zumutbar auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte in Entgeltgruppe 2 des TVöD verwiesen werden könne.

Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil eine Rechtsprechungsabweichung sowie Verfahrensmängel geltend.

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 20.12.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, da sie weder einen Verfahrensmangel noch eine Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet hat.

1. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ).

Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht:

a) Sie rügt zunächst, das Berufungsurteil enthalte keine ausreichenden Entscheidungsgründe iSv § 136 Abs 1 Nr 6 SGG ; das betreffe vor allem die Würdigung und Bewertung ihrer umfangreichen (unfallbedingten) Arbeitsunfähigkeitszeiten. Mit diesem Vorbringen ist der Verfahrensmangel unzureichender Entscheidungsgründe und damit letztlich zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) jedoch nicht schlüssig dargetan.

Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16). Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (vgl Senatsbeschluss vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B - Juris RdNr 10 mwN). Um die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG stützen zu können, muss ein Beschwerdeführer mithin darlegen, dass die Entscheidung entweder überhaupt keine Begründung enthält oder dass die Gründe in so extremem Maß mangelhaft sind, dass sie ihre Funktion (Unterrichtung der Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichts) nicht erfüllen können ( BSG Beschluss vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B - Juris RdNr 7 mwN).

Entsprechenden Vortrag enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Sie beanstandet vielmehr vor allem die aus ihrer Sicht unzureichende "Würdigung und Bewertung" ihrer umfangreichen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Damit greift sie im Kern die freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG ) an und lässt unberücksichtigt, dass nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ein Verfahrensmangel hierauf nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ).

Das Vorbringen der Klägerin enthält auch sonst keine schlüssige Darlegung einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Wenn sie beanstandet, das LSG habe die "rentenbegründende Tatsache", dass sie laut einem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 16.5.2013 aufgrund einer mehr als sechs Wochen andauernden Arbeitsunfähigkeit seit dem 3.5.2013 vorerst keine Angebote der Arbeitsvermittlung mehr erhalte, "nur mit einem Satz im angegriffenen Urteil erwähnt", so lässt das keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das Berufungsgericht diesen Umstand weder zur Kenntnis genommen noch in Erwägung gezogen hat. Soweit sie aber das fehlende Eingehen des LSG auf den Grund für ihre Kündigung rügt, zeigt sie weder auf, dass es sich hierbei um zentrales Vorbringen gehandelt hat, mit dem sich das Berufungsgericht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich hätte auseinandersetzen müssen (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 5.7.2013 - 1 BvR 1018/13 - Juris RdNr 15, 18), noch verdeutlicht sie, inwiefern das Berufungsurteil auf einer unterbliebenen Erörterung dieses Gesichtspunkts beruhen kann.

b) Die weitere Verfahrensrüge einer unberechtigten Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG von vornherein unbeachtlich. Es bedarf deshalb hier keiner näheren Erörterung, dass ein entsprechender Antrag der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bereits vom SG abgelehnt wurde und ihrem Vorbringen nicht entnommen werden kann, dass sie diesen im Berufungsverfahren vor dem LSG wiederholt habe.

2. Eine Rechtsprechungsabweichung hat die Klägerin ebenfalls nicht formgerecht dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Hierzu sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4, Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie benennt zwar Aussagen aus zwei Entscheidungen des BSG (vom 5.3.1959 - BSGE 9, 192, 194 f - und vom 23.3.1977 - SozR 2200 § 1247 Nr 16 S 27), vermag aber keinen Rechtssatz aus dem Urteil des Berufungsgerichts anzuführen, der diesen Aussagen im Rechtsgrundsätzlichen widersprechen würde. Vielmehr beanstandet sie lediglich, das LSG habe keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um die von ihr genannten Rechtssätze aus den BSG -Entscheidungen zutreffend anwenden zu können. Das geht über die - im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche - Rüge einer im Einzelfall fehlerhaften Subsumtion nicht hinaus. Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass allein mit der Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über einen längeren Zeitraum hinweg noch kein zweifelsfreier Nachweis darüber geführt ist, dass sie nicht mehr in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein (vgl Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 14 ff).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 16.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 413/12
Vorinstanz: SG Halle, - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 373/07