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BSG - Entscheidung vom 18.08.2015

B 3 KR 28/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 18.08.2015 - Aktenzeichen B 3 KR 28/15 B

DRsp Nr. 2015/15827

Kostenerstattung für die Beschaffung einer Badeprothese Grundsatzrüge Über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Rechtsfrage Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit steht, ob der Kläger die Zahlung weiterer 2299,94 Euro für die Beschaffung einer Badeprothese von der Beklagten verlangen kann.

Der 1970 geborene Kläger leidet an einer Unterschenkelamputation unterhalb des linken Knies. Die Beklagte hat ihn mit einer sog Laufprothese versorgt. Im erledigten Klageverfahren (SG Würzburg, S 4 KR 55/09) hatte sich die Beklagte bereit erklärt, auch die Kosten für eine Badeprothese zu übernehmen. Daraufhin ging bei der Beklagten ein Kostenvoranschlag für eine Unterschenkelwechselprothese mit Silikonhaftschaftsystem (in Höhe von 4379,02 Euro) ein. Die Beklagte erklärte sich daraufhin lediglich bereit, Kosten in Höhe von 2022,15 Euro für eine Badeprothese in Schalenbauweise zu übernehmen und lehnte eine weitere Kostenübernahme ab.

Das SG hat die auf Zahlung von 2299,94 Euro gerichtete Klage für die angeschaffte Badeprothese abgewiesen (SG Würzburg Urteil vom 27.9.2011). Der Kläger könne von der Beklagten aufgrund des angenommenen Anerkenntnisses nur die Kosten für eine wasserfeste Badeprothese verlangen, mit deren Hilfe ein sicheres Gehen und Stehen im heimischen Nassbereich sowie im Schwimmbad möglich sei. Hierfür sei die Versorgung mit einer Badeprothese in Schalenbauweise ausreichend. Eine weitere Kostenerstattung komme daher nicht in Betracht. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom 24.2.2015). Zur Begründung hat sich das LSG im Wesentlichen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung bezogen (§ 153 Abs 2 SGG ). Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass das BSG in den Senatsurteilen vom 25.6.2009 ( BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) entschieden habe, dass beinamputierte Versicherte neben einer normalen Laufprothese auch die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Hierbei ginge es allerdings nicht um die Ermöglichung einer sportlichen Betätigung, wie etwa das Schwimmen, sondern lediglich um die Befriedigung eines Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen, mithin um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens. Zudem habe das BSG mit Urteil vom 21.3.2013 ( B 3 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 40) klargestellt, dass Versicherte die Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese nicht beanspruchen könnten, um sportlichen Aktivitäten in der Freizeit besser nachgehen zu können. Dieses Urteil sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die vom Kläger geschilderten Gebrauchsvorteile durch eine Badeprothese in Silikonhaftschafttechnik (Bewältigung längerer Wegstrecken im Schwimmbad) benötige er ausschließlich für eine angenehmere Freizeitgestaltung.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger trägt vor, das Urteil des BSG vom 21.3.2013 ( B 3 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 40) treffe auf ihn nicht zu. Er leide an einer sehr problematischen Stumpfsituation. Die Verwendung einer Badeprothese in Schalenausführung führe zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Das LSG habe die Stumpf- und Hautproblematik unter Berücksichtigung seines hohen Körpergewichts übersehen bzw unzutreffend beurteilt. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung, "da die pauschale Begründung, bei einer zweiten Prothese müsse man die einfachste Ausführung akzeptieren, für alle Betroffenen mit außergewöhnlichen Stumpfsituationen anders zu beurteilen ist, also für viele Fälle grundsätzliche Bedeutung hat".

Dieser Vortrag genügt den aufgezeigten Darlegungserfordernissen nicht.

Es fehlt bereits an Darlegung einer generell-abstrakten Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ; stRspr, vgl nur BSG Beschlüsse vom 6.4.2010 -B5R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Daher bleibt auch unklar, welche Rechtsnorm der Kläger im angestrebten Revisionsverfahren zur Überprüfung stellen will.

Doch selbst wenn eine solche Frage aufgeworfen wäre, fehlte es an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Der Kläger verweist selbst auf die Rechtsprechung des BSG zu Unterschenkel-Sportprothesen ( BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 3/12 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 40), die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Daher hätte er unter Auswertung dieser Rechtsprechung substantiiert vortragen müssen, weshalb weiterhin Klärungsbedarf besteht (stRspr, vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 65), zB weil neue Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind oder dass gegen die Entscheidung des BSG von dritter Seite, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist.

Eine solche argumentative Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung fehlt aber in der Beschwerdebegründung. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich im Tatsächlichen, wenn er der Ansicht ist, dass das vorgenannte Urteil des BSG nicht einschlägig sei, weil seine Stumpfsituation besonders problematisch sei und die Versorgung mit einer Schwimmprothese in Schalenausführung zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führe. Dieses Vorbringen hat keinen normativen Gehalt. Sinngemäß rügt er damit die seiner Ansicht nach fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG in Bezug auf seine konkrete Situation. Wenn er überdies darlegt, dass das LSG seine besondere Situation nicht hinreichend berücksichtigt habe, so trifft dies im Kern die Beweiswürdigung der vom LSG festgestellten Tatsachen. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht auf die Vorschrift von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden. Ohne das Aufzeigen einer Verfahrensrüge mit dem substantiierten Vortrag, dass das LSG einem bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei, ist das Revisionsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde an die Feststellungen des LSG gebunden (§ 163 SGG ). Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die bei ihm vorliegende besondere Situation für eine Vielzahl von Versicherten gilt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 24.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 2/12
Vorinstanz: SG Würzburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 202/10