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BSG - Entscheidung vom 24.08.2015

B 13 R 213/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3

BSG, Beschluss vom 24.08.2015 - Aktenzeichen B 13 R 213/15 B

DRsp Nr. 2015/16756

Höhere Witwenrente im Zugunstenverfahren Grundsatzrüge Unbeantwortete Rechtsfrage Verfassungskonformität der Darlegungserfordernisse

1. Für eine Grundsatzrüge ist eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 2. Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. 3. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Mai 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ;

Gründe:

Das LSG Baden-Württemberg hat im Beschluss vom 6.5.2015 einen Anspruch der Klägerin auf höhere Witwenrente im Zugunstenverfahren aufgrund der Zuordnung der Tätigkeiten ihres verstorbenen Ehemannes in der ehemaligen Sowjetunion zu einer günstigeren Qualifikationsgruppe (gemäß Anlage 13 zum SGB VI ) verneint.

Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Beschluss eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend.

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 2.7.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat weder eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargelegt noch einen Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet.

1. Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ausreichend dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Hierfür ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).

Die Beschwerdebegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie bezeichnet als klärungsbedürftig,

(1) "ob Personen, die sich beruflich weiter qualifiziert haben, der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen sind oder aber der Qualifikationsgruppe 5";

(2) "ob die Tätigkeit von Gefahrtransporten eine Zuordnung in die Qualifikationsgruppe 4 gebietet".

Die Klägerin führt hierzu weiter aus, ihr verstorbener Ehemann habe "unter anderem später als Schlosser, Fahrer, Monteur und Lagerarbeiter" gearbeitet. Er habe die Fahrerlaubnis der Klassen 1, 2 und 3 erworben und zudem die Erlaubnis zur Durchführung von Gefahrtransporten innegehabt; so sei er mit Gas- und Sauerstoffladungen gefahren. Aufgrund dessen sei er ihrer Ansicht nach in die Qualifikationsgruppe 4 der Facharbeiter einzustufen.

Es kann vorliegend offenbleiben, ob es sich bei den oben wiedergegebenen Fragen um Rechtsfragen iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG handelt. Das ist in Bezug auf Frage (1) schon deshalb zweifelhaft, weil das Merkmal "sich beruflich weiter qualifiziert haben" eine Fülle unterschiedlichster Fallgestaltungen umfasst, was es offenkundig unmöglich macht, diese Frage im Grundsatz mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten (s hierzu BSG Beschluss vom 12.2.2015 - B 5 R 222/14 B - JurionRS 2015, 11778 RdNr 8 mwN). Die Klägerin hat jedenfalls nicht ausreichend dargestellt, inwiefern diese Frage im Lichte bereits vorhandener oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Einordnung in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum SGB VI weiterhin klärungsbedürftig ist. Die pauschale Behauptung, dass die Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, genügt insbesondere deshalb nicht, weil im angefochtenen Beschluss (Umdruck S 8 unten) hinsichtlich der Grundsätze zur Einstufung von Versicherten in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum SGB VI ausdrücklich auf Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.7.2008 - B 5a/4 R 45/07 R - Juris) Bezug genommen worden ist (s hierzu auch Senatsurteil vom 17.4.2008 - B 13 R 99/07 R - Juris, und das dort zitierte Urteil des BSG vom 14.5.2003 - B 4 RA 26/02 R - SozR 4-2600 § 256b Nr 1 RdNr 23 ff, sowie BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 5a R 114/07 R - SozR 4-5050 § 22 Nr 8). Die Klägerin hat aber auch versäumt zu untersuchen, ob nicht bereits der Wortlaut der den Qualifikationsgruppen vorangestellten Sätze 1 und 2 der Anlage 13 zum SGB VI sowie der Text von Nr 1 der Qualifikationsgruppe 5 hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage bieten. Sie stellt stattdessen ausschließlich auf den "unbestimmten Rechtsbegriff der Qualifikation" ab, obgleich dieser Begriff im Gesetzestext keine Verwendung findet, und bleibt eine nähere Begründung dafür schuldig, inwiefern dieser "hinsichtlich der Angehörigen besonders gefährdeter Berufe Auslegungszweifel" aufwerfen soll.

Soweit die Klägerin ergänzend die Frage (2) aufwirft, fehlen - deren eigenständige Bedeutung unterstellt - Darlegungen zur Klärungsfähigkeit sowie zu weiterem Klärungsbedarf völlig.

2. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ).

Das Vorbringen der Klägerin wird auch diesen Erfordernissen nicht gerecht. Sie rügt zwar, das LSG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 103 SGG ) verletzt, weil es dem im Schriftsatz vom 8.1.2015 angebrachten Beweisantrag, die Schwester des verstorbenen Versicherten als Zeugin dazu zu befragen, dass dieser qualifiziert gearbeitet - insbesondere Gefahrtransporte durchgeführt - habe, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Jedoch zeigt sie nicht auf, dass sie einen solchen Beweisantrag bis zur abschließenden Entscheidung des LSG am 6.5.2015 aufrechterhalten habe oder dieser Beweisantrag im Beschluss des LSG wiedergegeben sei (s hierzu BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; Senatsbeschluss vom 10.7.2015 - B 13 R 170/15 B - Juris RdNr 10). Eine im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Beteiligte - wie hier die Klägerin - kann nach dem Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags nur dann gehört werden, wenn sie diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt. Wird - wie hier - im Beschlussverfahren (§ 153 Abs 4 S 1 SGG ) entschieden, ist ein Beweisantrag, der nach Erhalt einer Anhörungsmitteilung zu dieser Verfahrensweise (§ 153 Abs 4 S 2 SGG ) nicht wiederholt wird, grundsätzlich so zu behandeln, als habe er sich erledigt (stRspr - zB Senatsbeschluss vom 11.6.2015 - B 13 R 151/15 B - Juris RdNr 9 mwN). Den Darlegungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, ob sie auch noch nach Anhörung zu einer Entscheidung im Beschlussverfahren im Erörterungstermin am 10.4.2015 auf einer Durchführung der von ihr zuvor beantragten Zeugenvernehmung bestanden hat. Im Übrigen zeigt sie auch nicht auf, inwiefern der Umstand, dass der Versicherte Gefahrtransporte durchgeführt habe, nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich gewesen sein könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 06.05.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 5232/14
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 2636/14