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BSG - Entscheidung vom 29.06.2015

B 13 R 137/15 B

Normen:
SGGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.06.2015 - Aktenzeichen B 13 R 137/15 B

DRsp Nr. 2015/13261

Höhere Altersrente Grundsatzrüge und höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie möglicherweise noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung des anzuwendenden gesetzlichen Begriffs aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGGG § 160 Abs. 2 Nr. 1;

Gründe:

Das Landessozialgericht (LSG) hat einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente unter Berücksichtigung einer Anrechnungszeit für den Besuch der Berufsschule sowie unter Zugrundelegung der Höchstwerte an Entgeltpunkten für seine Kindererziehungszeiten verneint (Urteil vom 12.3.2015). Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er bezieht sich auf einen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus formalen Gründen verworfenen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts ( SG ) Neubrandenburg vom 12.1.2012 (S 4 RA 152/03) und äußert die Ansicht, dass "die Rechtsfrage" die Auslegung des § 70 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ( SGB VI ) betreffe.

Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 9.6.2015 nicht.

Der Kläger formuliert bereits keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage, sondern setzt diese - durch Bezugnahme auf "die Rechtsfrage" - vielmehr voraus. Auch dem sonstigen Vorbringen kann jedoch eine abstrakt klärungsfähige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zweifelsfrei entnommen werden. Offenbar will der Kläger sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr gegen die Nichtberücksichtigung einer zusätzlichen Anrechnungszeit für den Besuch der Berufsschule wenden; denn in der Begründung (unter III, S 4 ff) verhält er sich nur noch zur Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auf den Wert 0,0833 pro Monat.

Auch diese Ausführungen lassen jedoch das grundsätzliche Rechtsbegehren des Klägers nicht eindeutig erkennen. Einerseits soll "die Rechtsfrage" die Auslegung des § 70 Abs 2 SGB VI betreffen; andererseits sieht er offenbar in der begrenzten Berücksichtigung von Entgeltpunkten für Kindererziehung nach der Anl 2b zum SGB VI einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 , Art 6 Abs 1 Grundgesetz ( GG ). Inwieweit beiden Äußerungen eine klärungsbedürftige Rechtsfrage (möglicherweise zu einer verfassungskonformen Auslegung des § 70 Abs 2 SGB VI ) innewohnt, ist nicht eindeutig. Es ist aber nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich eine solche Rechtsfrage selbst aus Beschwerdebegründung und Akteninhalt herauszusuchen.

Selbst wenn dem Vorbringen aber die Frage nach einer - vermeintlichen - Verfassungswidrigkeit des § 70 Abs 2 SGB VI - gemessen an Art 3 Abs 1 , Art 6 Abs 1 GG - zu entnehmen sein sollte, bliebe der Nichtzulassungsbeschwerde der Erfolg versagt. Denn die Beschwerdebegründung zitiert zwar zu dieser Problematik bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ( BSG Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R - SozR 4-2600 § 70 Nr 2; BSG Urteile vom 18.5.2006 - B 4 RA 40/05 R - und - B 4 RA 36/05 R - BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr 1), setzt sich mit dieser jedoch nur unzureichend auseinander, sondern verweist stattdessen allein auf einen Vorlagebeschluss des SG Neubrandenburg vom 12.1.2012 (S 4 RA 152/03), dessen Inhalt er nicht wiedergibt und der vom BVerfG verworfen worden ist. Als höchstrichterlich geklärt muss aber eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie möglicherweise noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung des anzuwendenden gesetzlichen Begriffs aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; SozR 3-1500 § 146 Nr 2; Senatsbeschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 314). Dies zu beurteilen versetzt der Kläger das Beschwerdegericht mit seinem Vortrag nicht in die Lage.

Schließlich könnte der Senat anhand des klägerischen Vortrags nicht sicher beurteilen, ob eine solche Rechtsfrage klärungsfähig wäre. Denn der Kläger führt nur allgemein - und nicht bezogen auf seine eigenen Lebensumstände - aus, dass dann, "wenn das während der Kindererziehung bezogene sozialversicherungspflichtige Entgelt die jeweilig aktuelle Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, die Erziehungsleistung im Rahmen der Rentenbemessung überhaupt keine Würdigung mehr erfährt". Ob dies auch auf ihn selbst zutreffen würde, bleibt unklar.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 12.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 2817/14
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen 21 R 4942/11