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BSG - Entscheidung vom 26.03.2015

B 8 SO 72/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 26.03.2015 - Aktenzeichen B 8 SO 72/14 B

DRsp Nr. 2015/6628

Grundsicherungsleistungen Grundsatzrüge Auswertung von Rechtsprechung und Literatur Anforderungen an die Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf. sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die 1950 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil sie - die Klägerin - über ein einzusetzendes Vermögen von rund 26 000 Euro verfüge (Bescheid vom 19.11.2012). Zugleich mit der ablehnenden Entscheidung enthielt der Bescheid einen mit "Hinweis" überschriebenen Teil, in dem die Beklagte im Einzelnen ausführte, es werde von der Klägerin erwartet, etwa 6 Jahre ihren Bedarf aus dem Vermögen zu decken; ebenso werde bei erneuter Antragstellung erwartet, dass sie Nachweise über den Verbrauch des Vermögens vorlegen könne. Den Widerspruch gerichtet auf die Feststellung, dass es für eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin keine Rechtsgrundlage gebe, wies die Beklagte zurück, weil es sich lediglich um Hinweise handele, die den Aufklärungs- und Beratungspflichten des Sozialamtes entsprächen (Widerspruchsbescheid vom 8.1.2013). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg; beide Instanzen haben die Klage als unzulässig angesehen (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5.8.2013; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg vom 23.7.2014).

Gegen das bezeichnete Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und formuliert folgende Rechtsfragen:

Ist die von einem Hoheitsträger ausdrücklich formulierte 'Erwartung', dass der Adressat eines Verwaltungsaktes sich an eine wie auch immer geartete Verhaltensmaßregel hält, als feststellender Verwaltungsakt zu werten? Besteht für den Fall, dass diese Frage zu verneinen ist, wenn Sozialhilfebedürftigkeit zwar noch nicht gegeben ist, jedoch aller Voraussicht nach eintreten wird, ein Rechtsanspruch auf zutreffende Beratung (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -, [SGB I]) in Bezug auf den Vermögensverbrauch bis zum Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit?

Der "Hinweis" der Behörde erfülle fraglos zwei der Elemente des Verwaltungsakts aus § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ( SGB X ); es handele sich nämlich um eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Streitig sei aber der Regelungscharakter; die von der Beklagten gewählte Formulierung liege insoweit in einem "Graubereich", der je nach Kompetenz des Empfängers verstanden werden könne. Wenn man solche "grauen" Formulierungen unter der Prämisse auslege, dass sie sich an einen hinreichend kompetenten Leser richteten, schaffe man so etwas wie einen "Unschärfebereich", der es den Behörden ermögliche, mehr oder weniger gezielte Hinweise zu erteilen, die von ihrem Adressaten als verbindlich verstanden würden. Dies sei im Hinblick auf Art 19 Abs 4 Grundgesetz problematisch und mit § 2 Abs 2 SGB I schwer vereinbar. Wenn man die erste Frage verneine und es sich lediglich um Hinweise handele, stelle sich die zweite Frage. Solche Hinweise seien nämlich rechtlich unzutreffend; daher sei vorliegend zu klären, ob ein klagbarer Rechtsanspruch auf eine zutreffende Beratung bestehe.

II

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin formuliert zwar Rechtsfragen und führt aus, dass diese bislang höchstrichterlich nicht geklärt seien. Zur ersten Rechtsfrage lässt der Vortrag der Klägerin aber nicht erkennen, weshalb sie überhaupt klärungsbedürftig ist. Die Klägerin setzt sich nämlich nicht im Ansatz mit der umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Verwaltungsakts auseinander; allein die von ihr behauptete häufige Verwendung entsprechender Formulierungen durch die Beklagte führt aber nicht dazu, dass sich Auslegungsfragen im Anwendungsbereich des § 31 SGB X stellen, die nicht bereits durch diese Rechtsprechung geklärt sind.

Die grundsätzliche Bedeutung der weiteren Frage, ob für einen Auskunftssuchenden ein Rechtsanspruch auf zutreffende Beratung in Bezug auf den Vermögensverbrauch bis zum Eintritt der (möglichen) Sozialhilfebedürftigkeit besteht, ist ebenfalls nicht dargelegt. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, weshalb sich eine solche Frage überhaupt ernstlich stellen sollte. Wie sie selbst darstellt, ergibt sich ein Anspruch auf Beratung bereits aus dem Gesetz. Die Klägerin hält nur den Inhalt der Beratung durch die Beklagte für unzutreffend; die behauptete Fehlerhaftigkeit eines behördlichen Vorgehens kann für sich genommen die Revision aber nicht eröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.07.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SO 4004/13
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 6 SO 630/13