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BSG - Entscheidung vom 23.07.2015

B 8 SO 28/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8

BSG, Beschluss vom 23.07.2015 - Aktenzeichen B 8 SO 28/15 B

DRsp Nr. 2015/16868

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Grundsatzrüge Erbbaurecht als Vermögenswert Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks

1, Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Mit Urteil vom 24.03.2015 (B 8 SO 12/14 R) hat der Senat bereits entschieden, dass auch ein Erbbaurecht als dingliches Recht einen Vermögensgegenstand darstellt, der der Regelung des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII unterfällt, wonach die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil zu bewilligen und Rechtsanwalt F beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) als Zuschuss anstelle der lediglich darlehensweise gewährten Leistungen für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2007.

Der dauerhaft voll erwerbsgeminderte Kläger lebt seit etwa 1980 in einer ca 89 qm großen Wohnung, auf der seit 1982 zu seinen Gunsten ein Erbbaurecht bestellt ist. Die Wohnung wurde aus Mitteln des "Zukunftsinvestitionsprogramms 1979" dergestalt gefördert, dass daraus das Land Berlin den Gesamtkaufpreis in Höhe von rund 183 000 Deutsche Mark (DM) im Umfang von rund 171 000 DM finanzierte und der Kläger nur noch 11 900 DM selbst zahlen musste.

Der Beklagte bewilligte Grundsicherungsleistungen wegen zumutbarer - wenn auch nicht sofortiger - Verwertungsmöglichkeit seines Erbbaurechts an der seines Erachtens unangemessen großen Wohnung nur darlehensweise (Bescheide vom 29.11.2006, 2.1. und 29.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 12.6.2007). Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11.1.2012; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom 22.1.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht Leistungen nur als Darlehen bewilligt; denn der Kläger habe über Vermögen in Form des Erbbaurechts an der Wohnung verfügt, dessen Verwertung zumutbar, möglich und auch nach § 90 Abs 2 Nr 1 oder Nr 8 SGB XII nicht ausgeschlossen gewesen sei. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung von Rechtsanwalt F . Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und formuliert folgende Rechtsfragen:

"1. Handelt es sich bei Förderungen des Wohnungsmarktes durch das Zukunftsinvestitionsprogramm 1979, bei der mehr als 90 % der Kosten einer Wohnung übernommen wurden, die fördernde Körperschaft (zunächst) Eigentümer bleibt und lediglich gegen Zahlung eines Teilbetrags des Kaufpreises und wiederkehrenden Erbbauzinses in den Folgejahren ein Erbbaurecht einräumt, um den Lebensunterhalt zu sichern, um öffentliche Mittel iS des § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII ?

2. Handelt es sich bei einem Erbbaurecht an einer Eigentumswohnung um ein Hausgrundstück iS von § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII ?"

Zudem macht er Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, indem es trotz des Vorliegens ärztlicher Atteste kein weiteres Gutachten über die prognostische Dauerhaftigkeit seiner Erkrankungen eingeholt, sondern diese pauschal abgelehnt habe, obwohl sie für die Angemessenheit iS des § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII und die Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII relevant seien. Außerdem liege ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz darin, dass die Wohnung ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen oder richterlichen Augenscheins als unangemessen iS des § 90 Abs 2 SGB XII angesehen und die Verwertbarkeit ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw ohne eine qualifizierte Studie bejaht worden seien.

II

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Rechtsfrage, ob es sich bei einem Erbbaurecht an einer Eigentumswohnung um ein Hausgrundstück iS von § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII handelt (Frage Nr 2), ist nicht zu bejahen; denn sie ist nicht mehr klärungsbedürftig. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Mit Urteil vom 24.3.2015 (B 8 SO 12/14 R) hat der Senat aber bereits entschieden, dass auch ein Erbbaurecht als dingliches Recht einen Vermögensgegenstand darstellt, der der Regelung des § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII unterfällt, wonach die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird.

Bei der weiter vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage (Frage Nr 1) zur Beurteilung der aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm 1979 geflossenen Mittel fehlt es jedenfalls an der Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit. Um der Darlegungspflicht insoweit zu genügen, hätte die Entscheidungserheblichkeit erläutert werden müssen; denn klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also konkretindividuell sachlich entscheiden können ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und 53). Dies erfordert, dass der Kläger den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl dazu auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII schützt lediglich Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstands erbracht worden ist. Der Kläger legt aber noch nicht einmal dar, was unter dem "Zukunftsinvestitionsprogramm 1979" zu verstehen ist, insbesondere welche Ziele damit verfolgt wurden.

Die Revision war aber auch nicht wegen Verfahrensmängeln zuzulassen. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden, was hier allerdings nicht der Fall ist, absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung ( ZPO ) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).

Indem der Kläger geltend macht, das LSG habe den Sachverhalt nicht weiter ermittelt, rügt er einen Verstoß gegen § 103 SGG (Untersuchungsmaxime). Dieser kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG aber nur als Verfahrensmangel gerügt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen im LSG-Verfahren gestellt bzw im Termin zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben, behauptet der Kläger aber noch nicht einmal.

Insoweit kann auch nicht eine Verletzung der §§ 106 , 112 SGG (Aufklärungspflicht des Vorsitzenden; Leitung und Gang der mündlichen Verhandlung) bzw ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 62 SGG ; Art 103 Grundgesetz ) gerügt werden, weil dies im Ergebnis zur (unzulässigen) Umgehung der Anforderungen in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG führen würde. Soweit die Beschwerdebegründung dahin zu verstehen sein sollte, dass die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sei, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Ein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht damit nicht. PKH ist nämlich nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ), was, wie ausgeführt, zu verneinen ist. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 22.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 23 SO 72/12
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen S 49 SO 2035/07