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BSG - Entscheidung vom 13.08.2015

B 13 R 264/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 13.08.2015 - Aktenzeichen B 13 R 264/15 B

DRsp Nr. 2015/15885

Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte medizinische Rehabilitationsmaßnahme Divergenzrüge Aufstellen eines abweichenden Rechtssatzes Pauschale Behauptung der Nichtbeachtung von Rechtsprechung des BSG

1. Divergenz nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. 2. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. 3. Allein die Behauptung, das LSG habe BSG -Rechtsprechung nicht beachtet oder fehlerhaft angewendet, reicht zur Bezeichnung einer Divergenz nicht aus.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 24.6.2015 hat das Hessische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte medizinische Rehabilitationsmaßnahme verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Dem Vortrag der Klägerin ist bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) zu entnehmen (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris RdNr 10). Die klare Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265). Es gehört hingegen nicht zu den Aufgaben des BSG , den Beschwerdevortrag daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

2. Divergenz nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die eines der vorgenannten Gerichte aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher in der Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; vgl zum Ganzen: BSG vom 29.3.2007 - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG vom 26.6.2006 - SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG vom 29.11.1989 - SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 f; BSG vom 29.9.1975 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt vor, das LSG habe im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 SGB IX nicht berücksichtigt, dass es neben den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen und Fallgruppen vier weitere Fallgruppen gebe, bei denen eine Kostenerstattung selbstbeschaffter Rehabilitationsleistungen vom BSG zugelassen werde. Das LSG habe sich lediglich mit den Varianten der unaufschiebbaren Leistung und der zu Unrecht abgelehnten Leistung iS des § 15 Abs 1 S 4 SGB IX beschäftigt. Es gebe bereits durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit der Leistungsverweigerung mit dem Argument, unaufschiebbare Leistungen lägen nicht vor, denn das BSG habe in einer Entscheidung vom 10.4.1988 ausdrücklich eine Unaufschiebbarkeit und insofern eine Leistungspflicht bejaht, wenn das Erfordernis der vorherigen Antragstellung nur deshalb nicht erfüllt sei, weil der Versicherte keine Kenntnis von der Versicherungspflicht habe. Dieser Grundsatz sei ohne Weiteres auf ihren Fall übertragbar. Eine Kostenerstattungspflicht komme darüber hinaus grundsätzlich auch bei einem Systemversagen in Betracht. Auch diese von der Rechtsprechung des BSG anerkannte Fallgruppe sei in ihrem Fall einschlägig (vgl "die Entscheidungen vom 09.06.1998 und vom 23.10.1996"). Weiterhin habe das Berufungsgericht die Entscheidung des BSG vom 17.7.1985 (BSGE 58, 263 = SozR 2200 § 1237 Nr 20) nicht beachtet, wonach in Fällen, in denen eine Rehabilitation begonnen worden sei, ohne dass zuvor ein Antrag gestellt worden sei, der Rehabilitationsträger dem Rehabilitanden nach Antragstellung "nicht die kalte Schulter zeigen" dürfe, sondern darüber aufzuklären habe, wie dieser gefahrlos und mit im Ergebnis voraussichtlich gleichem Erfolg in das vom Versicherungsträger vorgesehene System überwechseln könne. Auch weiche die Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des BSG ab, weil sich aus der Gesamtschau all der oben aufgeführten Umstände ergebe, dass "eine Leistungsablehnung vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips und das Sozialversicherungsverhältnis prägenden Äquivalenzprinzips unerträglich" wäre, wenn sie, die Klägerin, die grundsätzlich von der Beklagten zu tragenden Leistungen selbst zu tragen hätte, weil sie keine weitergehenden und tiefergehenden Kenntnisse vom System des Sozialversicherungsrechts habe. Insofern sei erneut auf die Entscheidung des BSG vom 10.4.1988 hinzuweisen, in der es heiße, dass das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis als Instrument der Daseinsvorsorge gekennzeichnet sei, nach dem unter den Beteiligten gegenseitige Rechte und Pflichten bestehen.

Mit diesem und ihrem weiteren Vorbringen hat die Klägerin eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines zu den genannten BSG -Urteilen divergierenden abstrakten Rechtssatzes aus der Entscheidung des LSG. Allein die Behauptung der Klägerin, das LSG habe in ihrem Fall die von ihr zitierte BSG -Rechtsprechung nicht beachtet oder fehlerhaft angewendet, reicht zur Bezeichnung einer Divergenz nicht aus. Denn dass das Berufungsgericht den vom BSG im Rahmen des § 15 Abs 1 SGB IX aufgestellten Prüfungskriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, legt sie nicht dar. Im Kern ihres Vorbringens rügt die Klägerin vielmehr, dass das LSG zu einem unzutreffenden Ergebnis in Bezug auf die von ihr begehrte Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte medizinische Rehabilitationsmaßnahme gelangt sei. Damit wendet sie sich aber gegen die - vermeintliche - Unrichtigkeit der Rechtsanwendung in ihrem konkreten Einzelfall. Ihr Beschwerdevortrag geht daher über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 24.06.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 418/14
Vorinstanz: SG Marburg, - Vorinstanzaktenzeichen 15 R 1/14