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BSG - Entscheidung vom 02.02.2015

B 12 KR 11/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2-3

BSG, Beschluss vom 02.02.2015 - Aktenzeichen B 12 KR 11/14 B

DRsp Nr. 2015/3725

Divergenzzulassung Deduktion eines Ergebnisses Divergenz von Verfahrensrecht Umgehung der Verfahrensrüge

1. Das LSG kann von einer Entscheidung u.a. des BSG auch dann abweichen, wenn es einen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt. 2. In einem solchen Fall wäre jedoch darzulegen, dass sich der Rechtssatz nicht erst nachträglich logisch induktiv aus der Urteilsbegründung ableiten lässt, sondern dass sich aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft die Deduktion des gefundenen Ergebnisses aus dem sich aus der Entscheidung selbst schlüssig ergebenden Rechtssatz, den das LSG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte, erkennen lässt. 3. Prinzipiell kann eine Divergenz auch bezüglich tragender Rechtssätze zum Verfahrensrecht bestehen, sodass ein von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu abweichender Rechtssatz des LSG geeignet sein kann, die Zulassung der Revision zu begründen, obwohl das SGG auch (schon) die Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln kennt; insoweit kommt die Zulassung nicht nur bei Verfahrensfehlern in Betracht. 4. Dies darf aber nicht zur Umgehung der nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 SGG eingeschränkten Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln führen. 5. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Dezember 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 -3;

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der vom Kläger aus Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 19.12.2013 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 28.3.2014 zunächst auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewendet hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines der mit der Norm befassten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht sowie, dass die Entscheidung hierauf beruht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.

Der Kläger formuliert auf Seite 7 der Beschwerdebegründung einen "Rechtssatz" des LSG, wonach dieses es für die Ermittlung des als Versorgungsbezug beitragspflichtigen Teils von Kapitalleistungen aus einer Lebensversicherung als ausreichend ansieht, "dass das Versicherungsunternehmen der Krankenkasse oder dem Gericht das Endergebnis seiner Berechnung mitteilt". Hierin sieht er eine Abweichung zu einer im Anschluss zitierten Passage des Urteils des BSG vom 30.3.2011 ( B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 43 f), wonach dieses nicht ausreicht, sondern die Bescheinigung des Versicherungsunternehmens weitere Angaben enthalten muss, die die Berechnung nachvollziehbar machen. Der Kläger versäumt es jedoch - wie nach § 160a Abs 2 S 3 SGG erforderlich - nachvollziehbar darzulegen, dass das LSG den in dieser Passage des BSG -Urteils, auf das sich das LSG - wie auch der Kläger einräumt (vgl Seite 4 f der Beschwerdebegründung) - im angefochtenen Urteil gerade ausdrücklich beruft, enthaltenen Grundsätze nicht nur verkannt hat, was im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich ist, sondern tatsächlich hiervon abweichen und den ihm zugeschriebenen entgegenstehenden eigenen Rechtssatz aufstellen wollte. Zwar kann das LSG von einer Entscheidung ua des BSG auch dann abweichen, wenn es einen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz nur sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet entwickelt. In einem solchen Fall wäre jedoch darzulegen, dass sich der Rechtssatz nicht erst nachträglich logisch induktiv aus der Urteilsbegründung ableiten lässt, sondern dass sich aus den Ausführungen des Berufungsurteils unzweifelhaft die Deduktion des gefundenen Ergebnisses aus dem sich aus der Entscheidung selbst schlüssig ergebenden Rechtssatz, den das LSG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte, erkennen lässt (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Dies darzulegen hat der Kläger versäumt. Vielmehr wendet er sich im Kern dagegen, dass sich das LSG in Kenntnis der vom BSG formulierten Anforderungen für die Ermittlung des beitragspflichtigen Teils der ihm erbrachten Kapitalleistung auf eine den Berechnungsweg nicht offenlegende Bescheinigung des Versicherungsunternehmens stützt, mithin gegen eine ungenügende Aufklärung des Sachverhalts. Zwar kann prinzipiell eine Divergenz auch bezüglich tragender Rechtssätze zum Verfahrensrecht bestehen, sodass ein von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu abweichender Rechtssatz des LSG geeignet sein kann, die Zulassung der Revision zu begründen, obwohl das SGG auch (schon) die Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln kennt; insoweit kommt die Zulassung nicht nur bei Verfahrensfehlern in Betracht. Dies darf aber nicht zur Umgehung der nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eingeschränkten Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln führen (vgl etwa - für § 109 SGG - BSG SozR 1500 § 160 Nr 34). So liegt der Fall hier. Der Kläger zielt mit den gerügten Abweichungen des LSG von den durch das BSG aufgestellten Grundsätzen allein auf das Unterlassen weiterer Sachaufklärung (§ 103 SGG ) dazu, wie der vom Versicherungsunternehmen mitgeteilte beitragspflichtige Anteil der Kapitalzahlung berechnet wurde.

2. Ferner beruft sich der Kläger auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels, weil es das LSG entgegen § 103 S 1 SGG unterlassen habe, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann eine Verfahrensrüge auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers ebenfalls nicht, denn er versäumt es bereits, einen Beweisantrag konkret zu bezeichnen, dem das LSG nicht nachgegangen ist. Soweit er sich darauf beruft, vor dem SG und LSG nicht rechtskundig vertreten gewesen zu sein, mag ihm zugutekommen, dass in einem solchen Fall an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen sind (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; BSG vom 31.7.2013 - B 5 R 53/13 B - Juris RdNr 9 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 18a). Jedoch hätte in der Beschwerdebegründung das insoweit einem Beweisantrag gleichzustellende Vorbringen des Klägers vor dem LSG konkret bezeichnet werden müssen. Allein die Behauptung, er habe "trotz der Mitteilung des Versorgungswerkes der P. GmbH vom 26.01.2011 weiter schriftsätzlich" vorgetragen "und die Richtigkeit dieser Berechnung in Zweifel" gezogen, genügt nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG insoweit zu stellenden Anforderungen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 19.12.2013 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 532/10
Vorinstanz: SG Lüneburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 9 KR 278/06