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BSG - Entscheidung vom 12.02.2015

B 12 KR 92/13 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 12.02.2015 - Aktenzeichen B 12 KR 92/13 B

DRsp Nr. 2015/4348

Bezeichnung eines Verfahrensmangels Kausalität Rechtliches Gehör

1. Für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. 2. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. 3. Der Umstand, dass das LSG den Ausführungen eines Klägers im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet als solcher keinen Gehörsverstoß. 4. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. 5. Weder verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte dazu, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen noch ist ein Gericht allgemein gehalten, vor einer Entscheidung die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe mit den Beteiligten zu erörtern.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. August 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung in der Zeit 1.4.1985 bis 31.10.2010 als Angestellte im Unternehmen ihres Ehemannes (= Beigeladener zu 3.).

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 1.8.2013 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

1. Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln, insbesondere wegen Verletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) und einer fehlenden Sachverhaltswürdigung.

a) Zuerst rügt die Klägerin, das LSG habe entgegen ihres, während des gesamten Verfahrens aufrecht erhaltenen, unstreitigen Vortrags, wonach das mit ihrem verstorbenen Schwiegervater bestehende Arbeitsverhältnis nach Fortführung des Unternehmens durch ihren Ehemann und sie bewusst nicht fortgesetzt und kein Anstellungsvertrag geschlossen worden sei, den konkludenten Abschluss eines Anstellungsvertrags unterstellt.

Mit diesem Vorbringen wird der Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht den hierfür geltenden, aus § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hergeleiteten Anforderungen entsprechend bezeichnet. Für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

Der Umstand, dass das LSG den Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet als solcher keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass die Klägerin "gehört", nicht jedoch "erhört" wird ( BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - BeckRS 2011, 73125 RdNr 9). Weder verpflichtet Art 103 Abs 1 GG die Gerichte dazu, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG NZS 2010, 497 ) noch ist ein Gericht allgemein gehalten, vor einer Entscheidung die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe mit den Beteiligten zu erörtern (vgl zB Senatsbeschluss vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - Juris RdNr 9 mwN). Dass die Frage eines Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im Verfahren nicht erörtert worden sei und nach den weiteren Umständen eine die Gehörsverletzung begründende Überraschungsentscheidung in Betracht käme, hat die Klägerin bereits nicht behauptet. Vielmehr legt sie auf Seite 5 der Beschwerdebegründung selbst dar, dass schon das SG den Abschluss eines nicht schriftlichen Arbeitsvertrags in Erwägung gezogen hat.

b) Weiter rügt die Klägerin, das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es sich mit ihren umfassenden Ausführungen zu den Gründen des SG -Urteils, wonach Inhaber der Betriebsmittel ihre Schwiegermutter gewesen sei, nicht auseinandergesetzt und stattdessen nach § 153 Abs 2 SGG auf die Gründe dieses Urteils verwiesen habe. Auch hierdurch wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von der Klägerin nicht den hierfür geltenden, aus § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hergeleiteten Anforderungen entsprechend bezeichnet. Die Klägerin legt nämlich nicht - wie erforderlich - dar, wieso sich das LSG mit ihren og Ausführungen nicht befasst haben könnte, obwohl es - wie die Klägerin auf Seite 7 ihrer Beschwerdebegründung ausführt - in Ergänzung zur Verweisung auf das SG -Urteil darauf hinweist, es bleibe ohne Auswirkungen, dass das SG nicht den Ehemann als Inhaber, sondern dessen Mutter als Inhaberin angesehen habe.

c) Einen Verfahrensmangels wegen eines Verstoßes gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das LSG ihrem Vorbringen, ihre Vergütung werde nicht auf ihr eigenes Konto, sondern auf eines ihres Ehemannes gezahlt, unbeachtet lasse. Auch mit den diesbezüglichen Ausführungen wird der gerügte Verfahrensmangel nicht den Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) entsprechend bezeichnet. Insoweit erkennt die Klägerin selbst, dass sie nur einen - vermeintlichen - inhaltlichen Mangel des angegriffenen Urteils, jedoch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bezeichnet, auch wenn sie dies anders bewertet wissen will. Dass das LSG ihr diesbezügliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hätte, hat sie gerade nicht dargelegt. Vielmehr stellt sie auf Seite 7 der Beschwerdebegründung dar, dass das LSG den Umstand, dass die Vergütung auf das Konto des Ehemannes geleistet wurde, ausdrücklich als unmaßgeblich angesehen habe, da dies der freien Entscheidung der Klägerin unterlegen habe. Im Kern rügt die Klägerin lediglich eine falsche rechtliche Würdigung dieses Umstandes durch das LSG, also die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils. Hierauf kann aber - wie schon oben dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden.

d) Ausschließlich die - zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ungeeignete - inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils rügt die Klägerin auch, soweit sie sich in der Beschwerdebegründung gegen - vermeintlich - widersprüchliche Ausführungen in den Entscheidungsgründen des LSG wendet: Widersprüchlich sei es, so die Klägerin, wenn das LSG einerseits das Vorliegen einer Innen-GbR dahingestellt lasse, andererseits aber vom Vorliegen eines Anstellungsvertrages und einer Weisungsbindung ausgehe. Hinzukomme, das das LSG einerseits ein Unternehmerrisiko verneine, andererseits aufgrund des Einbringens von Privatvermögen in erheblichem Umfang ein wirtschaftliches Wagnis feststelle. Eine Gehörsverletzung oder ein anderer Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wird hiermit nicht bezeichnet.

2. Die Klägerin macht neben den og Verfahrensmängeln - auf den Seiten 11 ff der Beschwerdebegründung - auch eine Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des BSG vom 26.8.1975 (BSGE 40, 161 = SozR 2200 § 1266 Nr 3) und 17.5.2001 (SozR 3-2400 § 7 Nr 17) geltend.

Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewendet hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines der mit der Norm befassten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht sowie, dass die Entscheidung hierauf beruht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Den genannten Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

Soweit die Klägerin eine Abweichung des LSG vom Urteil des BSG vom 26.8.1975 (BSGE 40, 161 = SozR 2200 § 1266 Nr 3) rügt, versäumt sie es bereits - anders als erforderlich - einen Rechtssatz des LSG zu formulieren, mit dem dieses dem von der Klägerin dem BSG zugeschriebenen Rechtssatz widerspricht. Mit dem Vortrag, das LSG setzte sich in Widerspruch zum genannten BSG -Urteil, wenn es das Vorliegen einer Innengesellschaft dahingestellt sein lasse und dabei verschiedene rechtliche Folgen des Vorliegens einer solchen Gesellschaft "verkenne", wendet sich die Klägerin wiederum allein gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils, worauf die Beschwerde nicht zulässig gestützt werden kann.

Den oben dargestellten Anforderungen an die Begründung des Zulassungsgrundes der Divergenz genügt es auch nicht, wenn die Klägerin einen Widerspruch zum Urteil des BSG vom 17.5.2001 (SozR 3-2400 § 7 Nr 17) geltend macht, weil das LSG im angegriffenen Urteil formuliere, "die Zahlung des Entgelts auf ein Arbeitgeberkonto sei unbeachtlich, da dies auf dem Willen der Beteiligten gründet". Insoweit hätte die Klägerin darlegen müssen, dass das LSG mit diesen Ausführungen tatsächlich einen vom genannten BSG -Urteil abweichenden Rechtssatz hat aufstellen wollen und es sich nicht nur um Ausführungen im Rahmen des Subsumtionsvorgangs handelt, durch die vom BSG - vermeintlich - aufgestellten Rechtssätze zur Bedeutung der Kontoführung als Indiz im Rahmen der Abgrenzung von Selbstständigkeit und Beschäftigung verkannt werden. Dies herauszuarbeiten hat die Klägerin versäumt.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hamburg, vom 01.08.2013 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 66/12
Vorinstanz: SG Hamburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 49 KR 224/11