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BSG - Entscheidung vom 16.02.2015

B 4 SF 3/14 S

Normen:
SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4

BSG, Beschluss vom 16.02.2015 - Aktenzeichen B 4 SF 3/14 S

DRsp Nr. 2015/4095

Bestimmung des zuständigen Gerichts Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses Willkürlicher Richterspruch Fehlerhafte Gesetzesauslegung

1. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG . 2. Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf der Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht. 3. Als willkürlich - und damit unbeachtlich - kann ein Richterspruch nur dann angesehen werden, wenn er unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. 4. Dies ist anhand objektiver Kriterien festzustellen; schuldhaftes Verhalten des Richters ist nicht erforderlich. 5. Eine fehlerhafte Gesetzesauslegung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich

Das Sozialgericht Düsseldorf wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Normenkette:

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4 ;

Gründe:

I

Mit Beschluss vom 29.10.2013 (den Beteiligten zugestellt am 6.11.2013) hat sich das SG Aachen für die Klage des bei Klageerhebung in Vaals/Niederlande lebenden Klägers für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Mit Schreiben vom 12.11.2013 teilte der Vorsitzende der 6. Kammer des SG Düsseldorf den Beteiligten mit, es sei beabsichtigt, die Sache an das für den Sitz der Beklagten zuständige SG Berlin zu verweisen, weil die Bezirksverwaltung Wuppertal lediglich eine Geschäftsstelle ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei (vgl Satzung der BG Bau), was offenbar übersehen worden sei. Mit Beschluss vom 6.12.2013 erklärte sich das SG Düsseldorf für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit "an das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Sozialgericht Berlin".

Der Vorsitzende der 6. Kammer des SG Berlin hat die Akten mit Schriftsatz vom 20.12.2013 an das SG Düsseldorf "zur weiteren Bearbeitung des Rechtsstreits" zurückgesandt und die Auffassung vertreten, dass der Beschluss des SG Aachen für das SG Düsseldorf hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend sei. Es komme nicht darauf an, ob das SG Düsseldorf "tatsächlich örtlich zuständig" sei. Eine Weiterverweisung des Rechtsstreits an das SG Berlin sei nicht möglich. Der Vorsitzende der 6. Kammer des SG Düsseldorf hat das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das BSG nach § 58 SGG ausgesetzt (Beschluss vom 5.8.2014) und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Verweisung des SG Aachen sei nicht bindend, weil dieses Gericht die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit willkürlich missachtet habe.

II

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Zum zuständigen Gericht ist das SG Düsseldorf zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Aachen vom 29.10.2013 gebunden ist.

Gemäß § 98 S 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG ) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG ( BSG Beschluss vom 18.7.2012 - B 12 SF 5/12 S - juris RdNr 5).

Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf der Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht ( BSG Beschluss vom 25.2.1999 - B 1 SF 9/98 S - SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff; BSG Beschluss vom 4.4.2013 - B 12 SF 16/12 S - mwN). Anhaltspunkte für einen wesentlichen Verfahrensfehler, der zur Unbeachtlichkeit eines Verweisungsbeschlusses führt, liegen nicht vor. Auch wenn sich der Verweisungsbeschluss des SG Aachen aufgrund der Erwägungen des SG Düsseldorf und nach den Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 26.5.2014 als rechtswidrig darstellt, ist er nach § 98 S 2 SGG , § 17a Abs 2 S 3 GVG zu beachten. Als willkürlich - und damit unbeachtlich - kann ein Richterspruch nur dann angesehen werden, wenn er unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Verhalten des Richters ist nicht erforderlich. Eine fehlerhafte Gesetzesauslegung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich (BVerfG Beschluss vom 19.12.2001 - 1 BvR 814/01). Für eine abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts in Anwendung dieser strengen Maßstäbe, die das BSG in seiner Rechtsprechung ausgeformt hat, ist vorliegend noch kein Raum.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG ).

Vorinstanz: SG Düsseldorf, - Vorinstanzaktenzeichen S 6 U 346/14