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BSG - Entscheidung vom 29.07.2015

B 3 KR 32/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.07.2015 - Aktenzeichen B 3 KR 32/15 B

DRsp Nr. 2015/14486

Bescheinigung weiterer Arbeitsunfähigkeit Substantiierung einer Grundsatzrüge Rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt. 3. Die Frage einer Verletzung der Obliegenheit, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig feststellen zu lassen, ist nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG weitreichend geklärt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 23.12.2010 bis 30.6.2011.

Nach der Einstellung der dem 1953 geborenen Kläger auf Zeit gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung nahm er ab 1.12.2010 eine Tätigkeit als Kraftfahrer auf. Am 6.12.2010 stellte der behandelnde Arzt Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.12.2010 fest. Die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde am 23.12.2010 ausgestellt und attestierte Arbeitsunfähigkeit bis zum 15.1.2011. Danach wurde bis über den Ablauf des streitigen Zeitraums hinaus weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Der Kläger erhielt bis zum 5.12.2010 Arbeitsentgelt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 20.12.2010.

Den Antrag auf Krg lehnte die Beklagte ab, weil kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen sei. Im Rentenverfahren habe sich der Kläger weiterhin für vollschichtig erwerbsgemindert gehalten. Das Arbeitsverhältnis als Kraftfahrer sei er daher nur zum Schein eingegangen, obwohl ihm von vornherein bewusst gewesen sei, dass er die an ihn gestellten Anforderungen als Kraftfahrer aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht habe erfüllen können (Bescheid vom 13.1.2011, Widerspruchsbescheid vom 14.3.2011).

Das SG hat die Beklagte unter Änderung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 7. bis 22.12.2010 Krg zu zahlen. Zwar sei ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ab 1.12.2010 zustande gekommen, dieses habe aber nur bis zum 20.12.2010 bestanden. Deshalb beruhe die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ab 21.12.2010 allein auf dem Bezug von Krg, der aber am 22.12.2010 geendet habe. Für die ab 23.12.2010 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit habe kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg mehr bestanden.

Die allein vom Kläger erhobene Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 19.3.2015). Es hat sich bezüglich des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses den Ausführungen des SG angeschlossen. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zum Krg-Anspruch könne der Kläger über den 22.12.2010 hinaus keinen Anspruch auf Krg haben, weil die weitere Arbeitsunfähigkeit erst am 23.12.2010 und mithin nicht vor Ablauf der in der letzten Bescheinigung aufgeführten Dauer der Arbeitsunfähigkeit nahtlos festgestellt worden sei. Für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes ergäben sich keine Anhaltspunkte. Wenn die Arztpraxis - wie der Kläger vortrage - am 22.12.2010 geschlossen gewesen sei, hätte er eine andere Arztpraxis oder die Praxis seines Hausarztes am Tag zuvor aufsuchen können. Für die Zeit ab 23.12.2010 bestehe auch kein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V .

Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch § 160 Abs 2 , § 160a Abs 2 Satz 3 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1, § 169 SGG ).

1. Die vom Kläger vorgebrachte Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger führt aus, er sei vom 6.12.2010 bis einschließlich 15.7.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, und dies sei im Tatbestand des angefochtenen Urteils auch so festgestellt worden. Aus welchem Grund der Kläger dennoch meint, das LSG habe den ausdrücklich festgestellten Sachverhalt nicht berücksichtigt, ist nicht nachvollziehbar, zumal auf Seite 9 der Entscheidungsgründe im letzten Absatz ausgeführt ist: "Es kommt somit nicht darauf an, dass tatsächlich Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat." Das Berufungsgericht hat also offensichtlich den festgestellten Sachverhalt auch in den Entscheidungsgründen berücksichtigt, aber für unerheblich gehalten. Damit ist weder ein unberücksichtigt gebliebener Vortrag, noch seine Entscheidungserheblichkeit und damit keine Gehörsverletzung dargelegt.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

a) Zur grundsätzlichen Bedeutung trägt der Kläger vor, die zur Frage der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ergangene Rechtsprechung beziehe sich nur auf die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht dargelegt werden, weil das Berufungsgericht ausdrücklich auch Rechtsprechung des BSG zitiert, die sich auf die Frage der Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs aus der Beschäftigtenversicherung bezieht, und zwar nicht begrenzt auf die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (vgl zB BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R). Auch die Frage einer Verletzung der Obliegenheit, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig feststellen zu lassen, ist nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG weitreichend geklärt. Der Kläger hat sich in keiner Weise mit der im Urteil des Berufungsgerichts zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu auseinandergesetzt und keine Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Aspekte gemacht. Unabhängig davon, ob der Rechtsprechung des 1. Senats in Bezug auf alle Einzelheiten zur Voraussetzung nahtloser ärztlicher Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit zu folgen ist, hat der Kläger damit jedenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

b) Zudem dürfte zukünftig die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Fallkonstellation nicht mehr streitig werden. Denn mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungs-Gesetz, GKV-VSG vom 16.7.2015, BGBl I 1211) wurde § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V mit Wirkung vom 23.7.2015 dahingehend geändert, dass nunmehr Krg von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an zu zahlen ist, und der Regelung zudem noch der Satz zugefügt wurde:

"Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage."

Selbst wenn der Kläger die Gesetzesänderung bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nicht berücksichtigen konnte, stünde diese Änderung der Annahme einer fortbestehenden grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen entgegen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 19.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 481/13
Vorinstanz: SG Osnabrück, - Vorinstanzaktenzeichen S 3 KR 128/11