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BSG - Entscheidung vom 24.07.2015

B 12 KR 29/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 24.07.2015 - Aktenzeichen B 12 KR 29/14 B

DRsp Nr. 2015/15541

Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung Divergenzrüge Widerspruch in abstrakten Rechtssätzen

1. Divergenz i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. 2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. 3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer Entscheidung u.a. des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. 4. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet ist, auf Leistungen aus einer Kapitallebensversicherung Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu entrichten.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen LSG vom 6.2.2014 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 20.6.2014 auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung entnimmt der Kläger dem angefochtenen Urteil den "Rechtssatz",

"die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf Kapitalbeträge aus einer Lebensversicherung sei auch dann gerechtfertigt, wenn diese zum Lebensunterhalt nicht zur Verfügung standen und auch nicht zu diesem Zweck finanziert wurden."

Dieser stehe im Widerspruch zur "Rechtsauslegung" des Senats in seinen Urteilen vom 3.7.2013 (Hinweis auf BSGE 114, 83 = SozR 4-2500 § 240 Nr 18 - Leistungen nach dem StrRehaG ) und 30.10.2013 (Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 19). Selbst wenn man unterstelle, dass die Kapitallebensversicherung zugunsten des Klägers eine "Direktversicherung" iS des § 1 BetrAVG gewesen sei, sei diese spätestens mit Wirkung vom 5.11.1984 verfallen. Im Januar 1985 sei die Lebensversicherung durch den Kläger nicht einfach übernommen, sondern beliehen worden. Demnach habe es nie "Versorgungsbezüge" gegeben. Die Lebensversicherung sei durch den Kläger als Liquidator zur Tilgung von Schulden einer GmbH verwendet worden. Die vom LSG zur "Schuldentilgung" vertretene Rechtsauffassung verstoße gegen Rechtsgrundsätze, die der Senat im Urteil vom 17.3.2010 (Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 14) aufgestellt habe. Nur dann, wenn der Eigentümer seine eigene Lebensversicherung zur Tilgung eigener Schulden abtrete, bleibe es bei der Zurechnung zu den beitragspflichtigen Einkünften iS von § 240 SGB V - nicht aber dann, wenn der Arbeitgeber die (verfallene) Anwartschaft nun für eigene Zwecke verwende. Außerdem habe der erkennende Senat im Urteil vom 30.10.2013 ausgeführt, dass allein maßgeblich der Einkommensteuerbescheid sei. Die Leistungen der I. AG seien aber nicht in einem Einkommensteuerbescheid als Gewinn ausgewiesen worden. Dies sei gerade auch deshalb erfolgt, weil die Lebensversicherung ausschließlich auf die Tilgung betrieblicher Schulden abgezielt habe. Das BVerfG habe die Rechtsprechung des Senates noch bestätigt, indem es nämlich zur Abgrenzung der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge darauf abstelle, ob und inwieweit der betroffene Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Unternehmen die Versicherung übernommen und finanziert habe. Zwar betreffe die Rechtsprechung des BVerfG zunächst die Pflichtversicherung der Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung, habe aber mittelbare Bedeutung für den vorliegenden Fall dahingehend, dass bei der Auslegung des § 240 SGB V der Zweck der Vorschrift zu beachten sei, nämlich die tatsächliche "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" zu beachten und nicht nur eine fiktive. Hätte das LSG die in den beiden zitierten Entscheidungen des 12. Senats niedergelegte Rechtsauffassung zur Auslegung des § 240 SGB V "beachtet", hätte es der Klage stattgegeben.

Hierdurch zeigt der Kläger keine Divergenz in einer den Anforderungen der Zulässigkeit nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise auf. Seine Ausführungen lassen keine tragenden Rechtssätze erkennen, die zum selben Gegenstand ergangen sind und einander widersprechen. So weist der Kläger zwar auf den Umstand hin, dass er freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, unterlässt aber jedwede tiefergehende Auseinandersetzung, inwieweit in Bezug auf Versicherungspflichtige in der gesetzlichen Krankenversicherung ergangene höchstrichterliche Entscheidungen und die darin angestellten Grundsätze damit vergleichbar und übertragbar sind. Darüber hinaus unterlässt der Kläger erforderliche Ausführungen dazu, inwieweit die von ihm in der Beschwerdebegründung zum konkreten Sachverhalt vorgetragenen Umstände und Ansichten (Verfall der Lebensversicherung, keine betriebliche Altersversorgung, Zweckbestimmung der Leistung zur Schuldentilgung, keine Versorgungsbezüge, keine Ausweisung im Steuerbescheid) überhaupt den Feststellungen des LSG im angefochtenen Urteil entnommen und Gegenstand einer Divergenzrüge sein können. Soweit er der Entscheidung des Senats vom 30.10.2013 ( BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 19) entnimmt, maßgebend seien stets und ausschließlich die Angaben im Steuerbescheid, legt er bereits die Vergleichbarkeit zwischen freiwilligen Mitgliedern mit Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (vgl hierzu BSG aaO RdNr 21) und solchen mit Versorgungsbezügen nicht dar. Zudem setzt er sich insoweit nicht mit den Besonderheiten des vom Senat entschiedenen Falles ("interpersoneller Verlustausgleich") und der Rechtslage (ua besondere Mitteilungspflicht nach § 202 SGB V bei Versorgungsbezügen) hinreichend auseinander. Der Kläger berücksichtigt auch nicht, dass es für die Darlegung einer Divergenz insbesondere erforderlich ist, einen Widerspruch im Grundsätzlichen, nicht aber in der konkreten Rechtsanwendung durch das LSG aufzuzeigen. Dies belegen Formulierungen des Klägers wie "das Urteil des LSG verstößt gegen Rechtsgrundsätze des BSG " (Seite 2 und 5 der Beschwerdebegründung) und "Hätte das LSG die in den beiden zitierten Entscheidungen des 12. Senats niedergelegte Rechtsauffassung zur Auslegung des § 240 SGB V beachtet" (Seite 6 der Beschwerdebegründung). Die hiernach den Kern des Vorbringens des Klägers bildende Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497 ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 06.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 59/13
Vorinstanz: SG Darmstadt, - Vorinstanzaktenzeichen S 10 KR 178/10