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BSG - Entscheidung vom 13.08.2015

B 12 KR 30/14 B

BSG, Beschluss vom 13.08.2015 - Aktenzeichen B 12 KR 30/14 B

DRsp Nr. 2016/4449

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 39 888,54 Euro festgesetzt.

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 39 888,54 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen).

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.2.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung ihres Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 6.6.2014 auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG ). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

a) Soweit die Klägerin zur Verletzung der Dispositionsmaxime (§ 123 SGG ) vorträgt, dass das LSG seine Entscheidung damit begründet habe, es fehle zum Nachweis einer im Voraus vereinbarten zeitlichen Begrenzung der Beschäftigungsverhältnisse an schriftlichen Arbeitsverträgen, und darauf verweist, dass die Beklagte die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen bei Erlass ihres Bescheides vom 4.5.2006 dagegen für ausreichend gehalten habe (S 5 der Beschwerdebegründung), wird damit kein Verfahrensmangel dargelegt. Sie nimmt bei ihrem Vorbringen Folgendes nicht in den Blick: Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Nach der darin zum Ausdruck kommenden Dispositionsmaxime bestimmt der Kläger mit seinem Rechtsschutzbegehren den Streitgegenstand des Klageverfahrens und damit insoweit zugleich den Prüfungsumfang des Gerichts (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2, SozR 4-2500 § 85 Nr 14 RdNr 15). Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist das Gericht aber darüber hinaus nicht an das Vorbringen eines Klägers gebunden. Insbesondere erfasst die Dispositionsmaxime nicht den Prüfungsmaßstab für eine Entscheidung über den vom Kläger vorgegebenen Streitgegenstand. So steht im Rahmen des Klageantrags das Ausmaß der Ermittlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO ). Welche Tatsachen das LSG für entscheidungserheblich hält, hängt davon ab, welche Voraussetzungen nach dem Gesetz maßgeblich sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 103 RdNr 4a). Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV , ob Beschäftigungsverhältnisse im Voraus zeitlich begrenzt waren, hat ein LSG deshalb im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG ) das Vorliegen von entsprechenden Nachweisen insbesondere in Form von schriftlichen Arbeitsverträgen zu prüfen.

b) Die Klägerin rügt zudem eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG . Sie habe mit jedem ihrer Mitarbeiter befristete Arbeitsverträge geschlossen. Diese befänden sich auch in der Verwaltungsakten der Beklagten. Deshalb sei die Feststellung des LSG falsch, die Beschäftigungen seien nicht im Voraus auf zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt gewesen. Auch habe das LSG in den Akten befindliche ausgefüllte und unterzeichnete Personalbögen der Beigeladenen nicht beachtet. Insoweit erfüllt sie ebenso nicht die Darlegungsanforderungen.

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG ) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).

Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn die im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Klägerin zeigt - anderes als erforderlich - nicht auf, dass sie vor dem LSG einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 26.2.2014 zu Protokoll ausdrücklich aufrechterhalten habe. Auch behauptet sie nicht, dass das Berufungsgericht einen solchen Beweisantrag im Urteil wiedergegeben habe (vgl hierzu allgemein BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN, stRspr).

c) Soweit die Klägerin mit ihrem Vortrag auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör als Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, weil das LSG wesentlichen Sachverhalt nicht berücksichtigt habe, fehlt es ebenfalls an einer dafür ausreichenden Darlegung. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137 , 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Die Klägerin beschränkt sich jedoch darauf vorzutragen, das LSG habe wesentlichen Sachverhalt nicht berücksichtigt und verweist auf in den Verwaltungsakten enthaltene Arbeitsverträge und Personalbögen. Dass die Klägerin keine Gelegenheit gehabt hätte, sich vor Erlass der Entscheidung des LSG zum Prozessstoff zu äußern oder gehört zu werden (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 2), macht sie nicht geltend. Im Übrigen kann allein der Umstand, dass das LSG von der Klägerin für entscheidungserheblich gehaltene Umständen im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, keinen Gehörsverstoß begründen. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird ( BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9). Nach dem Inhalt ihrer Ausführungen rügt die Klägerin im Kern auch keine Gehörsverletzung, sondern wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Hierauf kann jedoch - wie oben dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 26.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 353/10
Vorinstanz: SG Hannover, - Vorinstanzaktenzeichen 13 RJ 414/05