Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 21.12.2015

B 10 LW 4/15 B

BSG, Beschluss vom 21.12.2015 - Aktenzeichen B 10 LW 4/15 B

DRsp Nr. 2016/1679

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der Zeit vom 1.7.2003 bis 30.9.2005.

Die Klägerin ist seit Dezember 1978 Beamtin und war als solche vom 1.9.1996 bis zum 5.1.2008 ohne Dienstbezüge beurlaubt. Die Klägerin war in der Zeit vom 1.7.2003 bis 30.9.2005 als Ehegattin des beigeladenen Landwirts in der landwirtschaftlichen Alterssicherung versicherungspflichtig (SG München Urteil vom 16.8.2012 - S 30 LW 4/12 -; Bayerisches LSG Urteil vom 26.6.2013 - L 1 LW 19/12 -; BSG Beschluss vom 16.12.2013 - B 10 LW 14/13 B -; Verfassungsbeschwerde anhängig).

Den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht lehnte die Beklagte ab. Die von der Klägerin ua angegebenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von mehr als 4800 Euro jährlich seien mit Arbeitsentgelt und Arbeitseinkünften nicht vergleichbar. Auch bestünde wegen der (nach Angaben der Klägerin) zu erwartenden Versorgungsansprüche in Höhe von 4566,88 Euro keine Überversorgung (Bescheid vom 30.4.2013; Widerspruchsbescheid vom 25.7.2013). Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, ein Befreiungstatbestand liege nicht vor. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum insbesondere nicht regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Ersatzeinkommen bezogen. Die Mieteinkünfte seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 LW 1/07 R) kein vergleichbares Einkommen. Es bestehe auch keine Übersicherung. Das Gesetz sehe keinen Befreiungstatbestand vor für den Fall, dass bereits eine hinreichende Altersvorsorge aus anderen Quellen gewährleistet sei. Eine Rechtsfortbildung durch ergänzende Auslegung komme im differenzierten System von grundsätzlicher Versicherungspflicht und ausnahmsweiser Versicherungsfreiheit bzw Befreiung nicht in Betracht ( BSG Urteil vom 25.7.2002 - B 10 LW 12/01 R). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei darin nicht erkennbar, da die Befreiung im Rahmen des Gestaltungsermessens legitimerweise von Einkünften abhängig gemacht worden sei, die typischerweise zu einer ausreichenden Alterssicherung führten. Der gesetzliche Grenzwert von 4800 Euro jährlich orientiere sich an einer Größenordnung, innerhalb derer der Betroffene typischerweise hinreichend Anwartschaften in einem anderen Versorgungssystem erwerben könne (Urteil vom 10.3.2015).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Die Klägerin legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

Die Klägerin wirft die Fragen auf, ob

1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein "vergleichbares Einkommen" gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte ( ALG ) darstellen,

ferner

2. eine bereits bestehende und als mehr als ausreichend anzusehende Alterssicherung (erhebliche Überversorgung) einen Tatbestand darstellt, der entweder im Wege der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "vergleichbares Einkommen" in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG oder im Wege einer gesetzesändernden, lückenschließenden Auslegung der Regelung des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG an sich dazu führt, dass auch dieser Tatbestand einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht begründet.

Es ist bereits fraglich, ob die Beschwerdebegründung hinreichend die Klärungsfähigkeit dieser Fragen aufzeigt. Denn diese spart eine nachvollziehbare Sachverhaltsdarstellung weitgehend aus. Dessen unbeschadet wird aber innerhalb der maßgeblichen Beschwerdebegründungsfrist bis zum 17.8.2015 nicht substantiiert ein vorhandener Klärungsbedarf aufgezeigt. Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65 ) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist ( BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben ( BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8).

Was zunächst die aufgeworfene Frage nach vergleichbarem Einkommen iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG anlangt, hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt damit beschäftigt und ausgeführt, das Kriterium für die Vergleichbarkeit sei dabei "in den Früchten des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft zu sehen". Soweit der Gesetzgeber weitere Einkommensarten habe zugrunde legen wollen, habe er - in anderen Kontexten - auf die Summe der erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 Einkommensteuergesetz ( EStG ) abgestellt und damit auch andere, nicht mit regelmäßigem Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen vergleichbare Einkommen berücksichtigt ( BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 LW 1/07 R - SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 26, 27 mwN). Die Beschwerdebegründung hätte hiervon ausgehend anhand der vorhandenen Rechtsprechung aufzeigen müssen, wieso gleichwohl keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Antwort auf die von ihr konkret aufgeworfene Frage erkennbar sind.

Hieran fehlt es vorliegend. Die Beschwerdebegründung führt zwar an, Mieteinnahmen würden in anderen Zusammenhängen (§§ 850i, 850k ZPO ) zwischenzeitlich wie Arbeitseinkommen behandelt. Damit wird aber noch nicht Stellung dazu bezogen, dass das Steuerrecht - wie seinerzeit vom Senat durch Hinweis auf § 32 Abs 3 S 3 Nr 1 ALG iVm § 2 Abs 1 und 2 EStG gegenübergestellt - weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von solchen aus Arbeit iS des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG trennt. Aspekte, die eine Vergleichbarkeit der betroffenen Rechtsbereiche vermitteln könnten, führt die Beschwerdebegründung nicht an. Soweit diese darüber hinaus auf eine (behauptete) parallele Zweckbestimmung von Arbeitseinkommen und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abhebt, versäumt sie eine Auseinandersetzung damit, ob und inwieweit sich seit der Entscheidung vom 23.1.2008 (aaO) im Kontext des § 3 ALG neue abweichende Erkenntnisse ergeben haben könnten. Auch im Übrigen hält die Beschwerdebegründung zwar Begründungselemente der Entscheidung vom 23.1.2008 (aaO) nicht für tragfähig (zB § 32 ALG und § 18a Abs 2 S 1 SGB IV ); setzt damit aber lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle der vorhandenen Entscheidung. Die Fehlerhaftigkeit vorhandener Rechtsprechung ist indes nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

Der Hinweis auf eine gebotene grundgesetzkonforme Auslegung im Einzelfall führt den Klärungsbedarf ebenfalls nicht herbei. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit der Auslegung einer Vorschrift - hier durch das LSG - beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6). Die Beschwerdebegründung geht auf die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen für einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art 3 Abs 1 GG ) und die von ihr für verfassungswidrig gehaltene Pflichtmitgliedschaft in einem gesetzlichen Rentenversicherungssystem - hier der landwirtschaftlichen Alterssicherung ohne Befreiungsmöglichkeit bei Einkommen durch Mieteinnahmen - nicht ein (Art 2 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG ; näher nachfolgend).

Auch in Bezug auf die zweite Frage nach der Befreiung zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung bei erheblicher Überversorgung zeigt die Klägerin den Klärungsbedarf nicht auf. Die Beschwerdebegründung spart hier ebenfalls aus, ob und inwieweit sich aus vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung Anhaltspunkte für die Antwort auf die aufgeworfene Frage ergeben könnten. Zwar enthält die Beschwerdebegründung einen Hinweis auf die nicht für einschlägig gehaltene Rechtsprechung des Senats ( BSG Urteil vom 25.7.2002 - B 10 LW 12/01 R - SozR 3-5868 § 2 Nr 2), unterlässt im Übrigen aber die gebotene Auseinandersetzung insbesondere auch mit der vorhandenen Rechtsprechung des BVerfG zur Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Versicherungspflicht der landwirtschaftlichen Alterssicherung (BVerfG Beschluss vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2) bei fehlenden Befreiungsmöglichkeiten (BVerfGE 78, 232 = SozR 5850 § 14 Nr 11; BVerfG SozR 4-5868 § 85 Nr 2; abweichend zu den besonderen Umständen der Stichtagsregelung 1994 BVerfG SozR 4-5868 § 85 Nr 3) trotz nicht vorhandenem Sicherungsbedürfnis (zur Forstwirtschaft BVerfGK 3, 15 = SozR 4-5868 § 1 Nr 3).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 10.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 LW 21/13
Vorinstanz: SG München, - Vorinstanzaktenzeichen S 30 LW 16/13