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BSG - Entscheidung vom 20.03.2015

B 9 V 56/14 B

BSG, Beschluss vom 20.03.2015 - Aktenzeichen B 9 V 56/14 B

DRsp Nr. 2015/7679

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Urteil vom 26.9.2014 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes nach § 1 Abs 1 S 1 Opferentschädigungsgesetz ( OEG ) abgelehnt, weil es sich bei den Ereignissen anlässlich der Begutachtung der Klägerin am 28.6.2010 nicht um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gehandelt habe. Dies betreffe insbesondere die Sachverhaltsdarstellungen der Klägerin:

"- Dr. K. habe sich nach vorne gebeugt und seine Hand habe sich blitzartig und ohne Vorankündigung in die Richtung ihres Schrittes geschoben;

- Dr. K. habe das T-Shirt der Klägerin ohne Vorwarnung hochgezogen, den BH geöffnet und ihr an die Narbe gefasst, die unterhalb der Brust verlaufe; diese Sachverhaltsdarstellung ist erstmals bei Antragstellung bei dem Beklagten insoweit ergänzt worden, als Dr. K. die Brust der Klägerin berührt habe;

- Dr. K. habe sich das bandagierte schmerzende Knie zeigen lassen; trotz Bitte der Klägerin, sie nicht anzufassen, da das Knie schmerze, habe Dr. K. das Knie dennoch angefasst und sie habe laut geschrien."

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) sowie eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) begründet.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen; die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ordnungsgemäß dargetan worden (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Zum einen hat es die Klägerin versäumt, eine bestimmte Rechtsfrage zu formulieren, die sich bezogen auf den vorliegenden Fall als klärungsbedürftig und klärungsfähig darstellt. Selbst wenn man aus ihrem Vorbringen die Rechtsfragen entnehmen wollte, ob im Rahmen der Feststellung eines tätlichen Angriffs auch nicht körperliche Einwirkungen auf schwerbehinderte, hilflose Menschen im Rahmen einer Zusammenschau mehrerer Handlungen als Gesamtkomplex rechtlich zu berücksichtigen sind, hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr angesprochenen rechtlichen Problematik unter Auswertung der auch vom LSG angeführten Rechtsprechung des BSG nicht dargetan. Klärungsfähigkeit wäre nämlich zu verneinen, wenn die von ihr aufgeworfene rechtliche Fragestellung bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65 ) oder wenn sich für die Antwort in höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Hierzu fehlen in der Beschwerdebegründung entsprechende Ausführungen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - auch darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Soweit die Klägerin eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG ) rügt, weil das LSG vor Erlass des Urteils nicht die angegebenen Zeugen T. und Dr. K. angehört habe, hat sie es entgegen den Erfordernissen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG unterlassen, einen Beweisantrag zu bezeichnen, den das LSG zu Unrecht übergangen hat. Denn das Übergehen eines Beweisantrags stellt nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG ) noch nicht als erfüllt ansieht. Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftsätzlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber für das LSG nicht mehr erkennbar weiterverfolgt wird (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 331 mwN zu Fußnote 177). Erklärt sich - wie vorliegend - ein rechtskundig vertretener Beteiligter, ohne den Beweisantrag zu wiederholen, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, so gilt ein früherer Beweisantrag ebenfalls als erledigt ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31). Selbst wenn das LSG in seinem Schriftsatz vom 24.3.2014 eine Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme in Aussicht gestellt hat, ergibt sich hieraus keine Selbstbindung im Falle der Entscheidungsfindung. Ferner ist das LSG auch in Anbetracht der Regelungen der §§ 106 Abs 1 und 112 SGG nicht verpflichtet, auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13). Tatsächlich kritisiert die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG ), womit sie gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Schließlich wird in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht aufgezeigt, welches konkrete tatsächliche Geschehen durch die genannte Zeugenvernehmung bewiesen werden sollte (Beweisthema, Beweisergebnis), und welche zwingenden Schlussfolgerungen hieraus vom LSG zu ziehen gewesen wären.

Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 26.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 VG 47/12
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen S 125 VG 38/12