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BSG - Entscheidung vom 10.09.2015

B 12 KR 99/14 B

BSG, Beschluss vom 10.09.2015 - Aktenzeichen B 12 KR 99/14 B

DRsp Nr. 2015/20226

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17 942,27 Euro festgesetzt.

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger - Inhaber einer Einzelfirma - für bei ihm beschäftigte Personen (ua Beigeladene zu 1. bis 6.) gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 17 942,27 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen).

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.7.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung seines Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 3.11.2014 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob Träger der Rentenversicherung eine eigene Betriebsprüfung des § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch dann vornehmen, wenn sie sich maßgeblich auf Ermittlungsergebnisse von anderen Behörden wie beispielsweise das Finanzamt, Hauptzollamt und/oder die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörden beziehen und diese dann übernehmen".

Der Kläger führt dazu aus, diese Frage sei bislang weder vom BSG noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden und zitiert aus einem im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschluss des SG Hildesheim vom 31.1.2014 (S 14 R 543/13 ER). Auch in diesem Verfahren sei unklar gewesen, ob eine eigene Betriebsprüfung im Betrieb der Antragstellerin durchgeführt oder allein die Ermittlungen des Hauptzollamtes und der Staatsanwaltschaft zur Grundlage eines Nachforderungsbescheides gemacht worden waren. Der Kläger macht geltend und führt näher aus, die Beklagte habe eigene Ermittlungen anstellen müssen. Auch das LSG habe dagegen eine Verkehrskontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr, Ermittlungen des Hauptzollamtes sowie des Finanzamtes und ein Strafverfahren als maßgebliche Eckpunkte der Ermittlungen aufgeführt. Schon nach dem Wortlaut des § 28p Abs 1 S 1 SGB IV hätten die Rentenversicherungsträger selbst bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllten. Auch die systematische Gesetzesauslegung ergebe, dass eine eigene Betriebsprüfung durchzuführen sei. Nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV würden "im Rahmen der Prüfung" Verwaltungsakte erlassen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine ausreichende abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von konkreten revisiblen Normen des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Zweifel bestehen schon deshalb, weil die Frage nicht klar formuliert ist. Unklar bleibt, was der Kläger unter "sich maßgeblich auf Ermittlungsergebnisse von anderen Behörden [...] beziehen" oder unter einem "Übernehmen" von fremden Ermittlungsergebnissen versteht. Die Bezeichnung von abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfragen ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihnen die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

Dies bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung. Der Kläger legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage nicht in der gebotenen Weise dar. Insbesondere genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie sich zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend mit der sich aufdrängenden Betrachtung der Rechtslage zu den Ermittlungspflichten einer Behörde befasst, in die der von ihm allein hervorgehobene § 28p SGB IV eingebunden ist. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass die vermeintliche Rechtsfrage nicht bereits unmittelbar aus gesetzlichen oder untergesetzlichen heraus beantwortet werden kann bzw darzutun, dass sich auch daraus keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung der von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage ergeben. Der Kläger beschränkt sich insoweit auf die Aussage, die Frage sei "weder vom BSG noch von den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit ... entschieden" und macht - sehr knapp - eigene Rechtsausführungen unter Hinweis auf den zitierten SG -Beschluss. Demgegenüber geht er bereits nicht darauf ein, dass das Gesetz in §§ 20 , 21 SGB X Regelungen zur Beweiserhebung in Verwaltungsverfahren enthält, wonach sich eine Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts der Beweismittel bedienen darf, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält; den Gesichtspunkt der Amtshilfe durch andere Behörden lässt er dabei ebenso außer Ansatz wie § 10 Abs 2 S 3 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Beitragsverfahrensordnung) iVm § 31 Abs 2 S 1 Abgabenordnung , wonach Finanzbehörden sogar verpflichtet sind, in bestimmter Weise zugunsten der Sozialversicherungsträger tätig zu werden. Dass mit Rücksicht auf dieses vom Kläger nicht betrachteten Regelungen hinsichtlich der aufgeworfenen Frage gleichwohl revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf bestehen könnte, erschließt sich aus seinen Darlegungen im Beschwerdeverfahren nicht.

Auf die Klärungsfähigkeit geht der Kläger in seiner Beschwerdebegründung ebenfalls nicht in der gebotenen Weise näher ein, was bereits für sich genommen zur Unzulässigkeit der Grundsatzrüge führt. Allein der Vortrag des Klägers, die Rechtsfrage sei auch klärungsfähig, da sie im konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich sei, weil der angefochtene Bescheid bei Nichtvorliegen einer gesetzmäßigen Betriebsprüfung iS von § 28p SGB IV aufzuheben sei (Seite 7 der Beschwerdebegründung), genügt zur Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht. Im Streit steht die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere für den Kläger tätig gewesene Personen (Beigeladene zu 1. bis 6. sowie einen weiteren - inzwischen verstorbenen - Erwerbstätigen). Jedem dieser Sachverhalte liegen Ermittlungen zugrunde. Der Senat kann daher nicht beurteilen, ob die aufgeworfene Fragestellung - jeweils bezogen auf die einzelnen betroffenen Personen und die sie betreffenden Beitragsnachforderungen - auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auch entscheidungserheblich sein kann.

2. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht und vorträgt, das LSG habe die Amtsermittlungspflicht nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 103 SGG verletzt, erfüllt er ebenfalls nicht die Darlegungsanforderungen.

Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels kann auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist dabei die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33).

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG ) gerügt, muss deshalb die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).

Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger hat - anders als erforderlich - nicht aufgezeigt, dass er vor dem LSG einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 24.7.2014 zu Protokoll ausdrücklich aufrechterhalten habe. Auch behauptet er nicht, dass das Berufungsgericht einen solchen Beweisantrag im Urteil wiedergegeben habe (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN, stRspr).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 162 Abs 3 VwGO .

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 24.07.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 142/11
Vorinstanz: SG Hildesheim, - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 529/06