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BSG - Entscheidung vom 07.08.2015

B 13 R 172/15 B

BSG, Beschluss vom 07.08.2015 - Aktenzeichen B 13 R 172/15 B

DRsp Nr. 2015/15549

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. März 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Das Sächsische LSG hat im Urteil vom 17.3.2015 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Dieser könne zwar seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Putzer, die nach dem Mehrstufenschema als angelernte Tätigkeit (maximal im oberen Bereich) einzuordnen sei, gesundheitsbedingt nicht mehr vollwertig verrichten. Doch sei er auf die ihm sozial und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit eines Pförtners in Verwaltungsgebäuden verweisbar. Das bestätigten die vorliegenden umfassenden und aktuellen Begutachtungen, die keinen einzigen plausiblen Anhalt für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aufzeigten.

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 2.7.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, da ein Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

1) Er rügt in erster Linie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ). Das LSG habe aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, obwohl er einen begründeten Antrag auf Verlegung des Termins gestellt habe. Das Festhalten des LSG an dem für den 17.3.2015 festgesetzten Verhandlungstermin sei nicht gerechtfertigt gewesen, da er einen erheblichen Grund für eine Aufhebung des Termins und dessen "Neubestimmung zu gegebener Zeit" vorgetragen habe. Seine Prozessbevollmächtigte habe den vom LSG auf 10.00 Uhr angesetzten Termin nicht wahrnehmen können, weil sie bereits durch eine zuvor bei ihr eingegangene Ladung zu einer Verhandlung vor dem SG Chemnitz an diesem Tag um 10.30 Uhr terminlich gebunden gewesen sei. Das SG Chemnitz liege ca 4 Kilometer entfernt vom Gebäude des LSG. Die reine Fahrzeit dorthin betrage ca 8 bis 10 Minuten, wobei unter Einbeziehung der Wege zwischen Gericht und Parkplatz insgesamt mindestens 18 Minuten benötigt würden, um vom Sitzungssaal des LSG zu dem des SG zu gelangen. Mithin habe eine Terminskollision vorgelegen, die es seiner Prozessbevollmächtigten unmöglich gemacht habe, beide Termine wahrzunehmen. Auf die von der Vorsitzenden des LSG-Senats angebotene Vorverlegung des Termins auf 9.55 Uhr habe sie sich nicht einlassen können, da hierdurch ein pünktliches Erscheinen zum Termin vor dem SG nicht gewährleistet gewesen sei und dies zudem das Gefühl vermittelt habe, vom Gericht "abgebügelt" zu werden.

Mit diesem Vortrag ist eine Gehörsverletzung nicht hinreichend aufgezeigt.

Zwar wird der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt, wenn das Gericht einen Antrag auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ablehnt, obwohl erhebliche Gründe iS von § 227 Abs 1 ZPO für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins geltend und glaubhaft gemacht worden sind ( BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 3; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 56 ff; BSG Beschluss vom 26.6.2007 - B 2 U 55/07 B - SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; Senatsbeschluss vom 17.3.2014 - B 13 R 315/13 B - Juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 10.3.2015 - V B 108/14 - BFH/NV 2015, 849 - Juris RdNr 3). Einen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG kann jedoch nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (stRspr - s BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - Juris RdNr 28). Die Darlegung des Verfahrensmangels einer Gehörsverletzung aufgrund zu Unrecht verweigerter Terminsverlegung erfordert somit auch Ausführungen dazu, dass der Beteiligte alle ihm nach den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um eine Verschiebung des Termins zu erreichen. Hierzu enthält der Vortrag des Klägers keine hinreichenden Ausführungen.

a) Eine nicht zu beseitigende Terminsüberlagerung mit einem anderweitigen Rechtsstreit stellt einen erheblichen Grund iS von § 227 Abs 1 ZPO dar (BFH Beschluss vom 10.3.2015 - V B 108/14 - BFH/NV 2015, 849 - Juris RdNr 3). Das gilt insbesondere für bereits früher anberaumte Gerichtstermine (BFH Beschlüsse vom 18.4.2011 - VIII B 140/10 - BFH/NV 2011, 1183 - Juris RdNr 5, und vom 13.12.2012 - III B 102/12 - BFH/NV 2013, 573 - Juris RdNr 4), doch kann bei Vorliegen besonderer Umstände auch erst später angesetzten Verhandlungen Vorrang zukommen (zu kurzfristig anberaumten Fortsetzungsterminen der Hauptverhandlung einer Großen Strafkammer vgl BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 4).

Hier hat der Kläger schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen, dass seine Prozessbevollmächtigte den bereits deutlich früher anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.3.2015 um 10.30 Uhr vor dem SG Chemnitz aufgrund der räumlichen Distanz nicht mehr in zumutbarer Weise hätte wahrnehmen können, wenn sie an dem Termin des Berufungsgerichts um 10.00 Uhr teilgenommen hätte. Der Umstand, dass die Vorsitzende von sich aus die Geschäftsstelle der zuständigen Kammer des SG "über die Problematik informiert und auf eine mögliche Verspätung der Klägerbevollmächtigten von wenigen Minuten hingewiesen" hat, gebietet keine abweichende Beurteilung. Denn eine bloße Information der Geschäftsstelle des anderen Gerichts über eine mögliche Verspätung der Prozessbevollmächtigten stellt nicht sicher, dass auch der zuständige Vorsitzende bzw die gesamte Kammer des SG Rücksicht auf eine - ggf mehr als nur "wenige Minuten" umfassende - Verspätung nimmt.

Auf einen um lediglich fünf Minuten vorgezogenen Terminsbeginn, den die Vorsitzende des LSG-Senats nach Angabe der Prozessbevollmächtigten angeboten hatte, musste sich der Kläger nicht einlassen. Eine solch minimale "Verschiebung" war schon unter Berücksichtigung der aufgezeigten räumlichen Entfernung zwischen LSG und SG von vornherein nicht geeignet, sowohl einen dem Anspruch auf rechtliches Gehör genügenden "erschöpfenden und sachgerechten Vortrag" im Verfahren vor dem LSG (s hierzu BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - Juris RdNr 30) als auch eine angemessene Wahrnehmung des nachfolgenden Termins vor dem SG zu gewährleisten (vgl auch BFH Beschluss vom 18.4.2011 - VIII B 140/10 - BFH/NV 2011, 1183, Juris RdNr 4 - zur erforderlichen Berücksichtigung von Unwägbarkeiten hinsichtlich des pünktlichen Beginns und des zeitlichen Ablaufs von Gerichtsterminen).

b) Offenbleiben kann vorliegend, ob der Kläger bei dieser Sachlage zusätzlich hätte aufzeigen müssen, dass seine Prozessbevollmächtigte versucht hat, nach Ablehnung der von ihr beantragten Aufhebung des vom LSG angesetzten Verhandlungstermins durch die Vorsitzende des Senats zur Erlangung ausreichenden rechtlichen Gehörs zumindest eine tageszeitliche Verlegung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu erwirken. Insoweit hätte nahe gelegen, eine Verschiebung der auf 10.00 Uhr anberaumten mündlichen Verhandlung in der Sache des Klägers auf einen Zeitpunkt am Schluss des Sitzungstags des Senats (an dem seine Prozessbevollmächtigte nach Beendigung des anderweitigen Termins vor dem SG Chemnitz ohne ungebührlichen Termindruck hätte teilnehmen können) zu beantragen. Einen entsprechenden Antrag hätte die Prozessbevollmächtigte, die sich nach eigenen Angaben bereits im Gebäude des LSG aufhielt und bei dieser Gelegenheit feststellte, dass der letzte Fall der Senatssitzung für 11.15 Uhr angesetzt war, möglicherweise bei Aufruf der Sache des Klägers um 10.00 Uhr zur Entscheidung durch den gesamten Senat (§ 33 Abs 1 S 1, § 202 S 1 SGG iVm § 227 Abs 4 S 1 Halbs 2 ZPO ) stellen können, bevor sie zur pünktlichen Wahrnehmung des Termins vor dem SG Chemnitz aufbrach.

Dies bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn der Kläger hat jedenfalls auch vorzutragen versäumt, dass es seiner Prozessbevollmächtigten nicht möglich war, die Terminskollision durch eine andere Arbeitsaufteilung innerhalb ihrer Kanzlei zu beseitigen. Deren Briefkopf weist sie als angestellte Anwältin eines weiteren Rechtsanwalts aus, wobei der Kläger seine Vollmacht ohne Einschränkungen den Anwälten der Kanzlei erteilt hat. Unter diesen Umständen hätte der Kläger zur schlüssigen Darlegung einer Gehörsverletzung im Einzelnen vortragen müssen, weshalb kein anderes Mitglied der Kanzlei in der Lage war, den Termin vor dem LSG wahrzunehmen ( BSG Beschluss vom 31.10.2005 - B 7a AL 134/05 B - Juris RdNr 8; s auch BFH Beschluss vom 8.1.2010 - V B 99/09 - BFH/NV 2010, 911 - Juris RdNr 11 mwN; Senatsbeschluss vom 17.3.2014 - B 13 R 315/13 B - Juris RdNr 12 ff). Die nicht näher substantiierte Behauptung, ein berechtigtes Interesse des Klägers, auch im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die Prozessbevollmächtigte vertreten zu werden, sei "nicht zu übersehen" (Anlage N 6 zur Beschwerdebegründung, dort S 9), ist insoweit nicht ausreichend.

2) Eine Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG ) bzw eine Entscheidung des LSG in nicht vorschriftsgemäßer Besetzung (§ 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO ) hat der Kläger ebenfalls nicht schlüssig aufgezeigt.

Soweit er darauf abstellt, dass es nicht gerechtfertigt gewesen sei, sein Befangenheitsgesuch gegenüber der Vorsitzenden Richterin durch Beschluss des LSG-Senats vom 12.3.2015 zurückzuweisen, und dies als Verletzung seines rechtlichen Gehörs rügt (Beschwerdebegründung S 14), hat er nicht aufgezeigt, alles ihm Zumutbare zur Erlangung ausreichenden Gehörs unternommen zu haben. Insbesondere trägt er nicht vor, dass er gegen den Beschluss vom 12.3.2015 eine Anhörungsrüge (§ 178a SGG ) erhoben hat (zur Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 14 ff).

Im Übrigen hat er nichts dazu vorgebracht, weshalb die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs auf willkürlichen Erwägungen beruhe oder die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt habe (zu diesem Erfordernis ausführlich BSG Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5; BFH Beschluss vom 10.3.2015 - V B 108/14 - BFH/NV 2015, 849 - Juris RdNr 6).

3) Schließlich ist auch der Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger beanstandet in diesem Zusammenhang, sämtliche von ihm benannten Zeugen seien vom LSG nur schriftlich befragt und nicht zum Termin geladen worden, sodass er keine Möglichkeit gehabt habe, ihnen eigene Fragen zu stellen (Beschwerdebegründung S 14). Doch macht er weder deutlich, weshalb die vom Gesetz ausdrücklich eröffnete Möglichkeit der schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage hier nicht ausreichend gewesen sein soll (vgl § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 377 Abs 3 ZPO ), noch trägt er vor, dass er - auch zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör - gegenüber dem LSG eine Ladung der Zeugen zur weiteren Befragung in der mündlichen Verhandlung beantragt habe und dieser Antrag abgelehnt worden sei (zu den Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge s auch BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Ebenso wenig zeigt der Kläger auf, welche bislang nicht bekannten Tatsachen die Zeugen bei einer Befragung in der mündlichen Verhandlung bekundet hätten und inwiefern die Entscheidung des LSG deshalb auf deren unterbliebener Befragung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 1 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 17.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KN 260/13
Vorinstanz: SG Chemnitz, - Vorinstanzaktenzeichen S 7 KN 1499/11