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BGH - Entscheidung vom 03.06.2015

5 StR 113/15

Normen:
StGB § 213 2. Alt.

BGH, Urteil vom 03.06.2015 - Aktenzeichen 5 StR 113/15

DRsp Nr. 2015/10754

Voraussetzungen für die Annahme eines minder schweren Falls des Totschlags

Besteht in objektiver Hinsicht eine Notwehrlage, darf dies zu Gunsten des Angeklagten in die Gesamtwürdigung bei der Prüfung des minder schweren Falls eingestellt werden.

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. November 2014 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Normenkette:

StGB § 213 2. Alt.;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB angenommen. Die Revision bleibt ohne Erfolg.

Eingedenk des beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 6/15 mwN).

Ungeachtet des fehlenden Verteidigungungswillens bestand in objektiver Hinsicht eine Notwehrlage, die zu Gunsten des Angeklagten in die Gesamtwürdigung eingestellt werden durfte. Da dieser Umstand ausdrücklich nur mit geringem Gewicht (UA S. 27) berücksichtigt worden ist, ist nicht zu besorgen, dass das Schwurgericht dessen Bedeutung überschätzt hat. Dies gilt umso mehr, als es ausdrücklich das krasse Missverhältnis zwischen dem geringfügigen Anlass und den Folgen der Tat in seine Überlegungen einbezogen hat (UA S. 27).

Soweit die Revision meint, das Schwurgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der überraschende - nach den Feststellungen mit bedingtem Tötungsvorsatz erfolgte - Einsatz des Messers die Tat in die Nähe der objektiven Voraussetzungen der Heimtücke rücke, vermag auch dies einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht aufzuzeigen. Der Senat schließt aus, dass dem sorgfältig argumentierenden Schwurgericht der durch den Überraschungseffekt des Angriffs erhöhte Unrechtsgehalt der Tat (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 11. Oktober 1989 - 3 StR 196/89, BGHR StGB § 213 Alt. 2 Opferverhalten 2, und vom 24. März 2015 - 5 StR 6/15) aus dem Blick geraten ist. Angesichts der dem Angriff vorausgegangenen aggressiven, von Beleidigungen und körperlichen Provokationen seitens des Geschädigten begleiteten Streits und des durch den Angeklagten zuvor mittels Gesten erfolgten Hinweises auf seine Bewaffnung kam diesem Umstand darüber hinaus keine bestimmende Bedeutung zu.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Schwurgericht auch unter Berücksichtigung der zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen besondere Umstände festgestellt, die eine strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft rechtfertigten (UA S. 28: fehlende Sprachkenntnisse, fehlende familiäre und freundschaftliche Beziehungen in Berlin, Schreibunkundigkeit) und nicht lediglich - was rechtsfehlerhaft gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2015 - 5 StR 80/15) - den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Berlin, vom 14.11.2014