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BGH - Entscheidung vom 21.07.2015

3 StR 217/15

Normen:
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2015, 363
StV 2017, 43

BGH, Beschluss vom 21.07.2015 - Aktenzeichen 3 StR 217/15

DRsp Nr. 2015/16074

Verpflichtung des Gerichts zur Prüfung des Vorliegens eines Milderungsgrundes bei Vergewaltigung einer Ehefrau durch den Ehemann

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 16. Februar 2015 im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 177 Abs. 1 ; StGB § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Erkenntnis zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

Während der Schuld- und der Strafausspruch in den Fällen II.2. bis II.4. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann das Urteil im Strafausspruch im Fall II.1. sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.

Nach den Feststellungen bestanden zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau schon kurz nach der Eheschließung erhebliche Streitigkeiten, aufgrund derer diese dem Angeklagten alsbald mitteilte, sie wolle sich dauerhaft wieder von ihm trennen. Es kam, ausgehend von dem Vorwurf des Angeklagten, seine Ehefrau habe einen Liebhaber, in der noch gemeinsam bewohnten Wohnung zu einer Auseinandersetzung. In deren Verlauf schlug der Angeklagte seiner Ehefrau mehrfach mit den Fäusten auf den Kopf und die schützend erhobenen Arme, fasste sie fest am Hals und rammte sein Knie so heftig in deren Bauch, dass sie zusammensackte. Kurze Zeit später schlug er weiter auf sie ein, so dass sie im Bereich der Küche auf den Boden fiel. Mit den Worten, er werde sich nunmehr "sein eheliches Recht" nehmen, zog er der sich wehrenden Frau die Jogginghose und den Slip bis zu den Fußgelenken herunter, legte sich auf sie und steckte ihr gegen den heftigen Widerstand zumindest einen Finger für mehrere Sekunden in die Scheide und stieß dabei jedenfalls zweimal nach. Dabei äußerte er: "Mag Dein Neuer es denn auch so?" Dann zog der Angeklagte den Finger wieder aus der Scheide und fragte: "Oder steht Dein Neuer eher darauf?", was die Zeugin dahingehend verstand, als wollte der Angeklagte den Finger nun anal bei ihr einführen. In diesem Moment schrie die gemeinsame halbjährige Tochter, worauf der Angeklagte von seiner Frau abließ und zu dem Kind lief. Diese konnte daraufhin die Wohnung verlassen und zu den Nachbarn laufen.

Das Landgericht hat hierfür aus dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Regelbeispiel nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch gleichwohl eine Ausnahme von der Regelwirkung in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt werden (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 4 StR 2/04, [...] Rn. 5). Ob solche gewichtigen Milderungsgründe vorlagen, hat das Landgericht nicht erörtert, obwohl sich dies hier aufgedrängt hat: Es handelte sich um eine Beziehungstat zwischen Eheleuten, bei der der Angeklagte lediglich kurzzeitig mit dem Finger in die Scheide seiner Frau eingedrungen war. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer - hätte sie diese Überlegungen angestellt - eine geringere Freiheitsstrafe verhängt hätte.

Die Aufhebung der Einzelstrafe führt zum Wegfall der Gesamtstrafe. Dass die Einzelgeldstrafen für die anderen zum Nachteil der Ehefrau begangenen Taten von dem Fehler beeinflusst worden sind, kann der Senat ausschließen.

Vorinstanz: LG Bückeburg, vom 16.02.2015
Fundstellen
NStZ-RR 2015, 363
StV 2017, 43