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BGH - Entscheidung vom 28.10.2015

III ZR 64/15

Normen:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 28.10.2015 - Aktenzeichen III ZR 64/15

DRsp Nr. 2015/20251

Unterlassungsbegehren gegenüber einem Telekommunikationsunternehmen bzgl. der Verwendung von Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für eine Papierrechnung; Bemessung der Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz ( UKlaG ) an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln

1. Sowohl die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes als auch diejenige des in einem Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders allgemeiner Geschäftsbedingungen ist grundsätzlich mit 2.500,00 EUR je angegriffener Klausel anzusetzen.2. Die Ansetzung eines höheren Werts kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Februar 2015 - 29 U 830/14 - wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

BGB § 307 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger verlangt von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen, es zu unterlassen, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln zu verwenden, nach denen für die Zusendung einer Papierrechnung ein Entgelt zu bezahlen ist, dessen Höhe für Verträge über Mobilfunkdienstleistungen 1,50 Euro monatlich und für Festnetzverträge 2,50 Euro monatlich beträgt. Weiter wird die Unterlassung zweier Klauseln in den beiden Vertragstypen geltend gemacht, nach denen die Rechnungen in elektronischer Form im OnlineKundencenter zur Einsicht, zum Download oder zum Ausdruck zur Verfügung gestellt werden. Die Verträge, auf die diese Klauseln Anwendung finden, können sowohl über das Internet als auch in einem Ladengeschäft abgeschlossen werden.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und den Streitwert auf 10.000 Euro festgesetzt. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.

Sie hält die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig. Ihre Beschwer betrage jedenfalls mehr als 20.000 Euro. Mit der beabsichtigten Revision möchte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

II.

Die Nichtzulassungbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer nicht erreicht ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt lediglich 10.000 Euro, wobei für jede beanstandete Klausel 2.500 Euro anzusetzen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen ( Unterlassungsklagengesetz ) regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung (Senatsbeschlüsse vom 8. September 2011 - III ZR 229/10, [...] Rn. 1 und vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, [...] Rn. 5; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, [...] Rn. 5; vom 6. März 2013 - IV ZR 211/11, [...] Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, [...] Rn. 20 und vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders (z.B. Senatsbeschluss vom 8. September 2011 aaO Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 aaO und vom 6. März 2013 aaO Rn. 4 jew. mwN).

Diesen Wert setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 Euro je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, [...] Rn. 21 und vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 21). Dieser Ansatz ist auch in dem vorliegenden Fall zutreffend. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Ansetzung eines höheren Werts Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6 f). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich.

Soweit die Beklagte geltend macht, eine höhere Beschwer liege deshalb vor, weil die Klauseln nicht nur von der Beklagten, sondern auch von anderen Telekommunikationsdienstleistern verwendet würden und deshalb von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung seien, trifft dies nicht zu. Die wesentliche streitentscheidende Frage, ob eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsdienstleisters, nach der für die Zusendung einer Rechnung in Papierform ein gesondertes Entgelt anfällt, unwirksam ist, wenn der Anbieter sein Produkt nicht allein über das Internet vertreibt, ist bereits durch das Urteil des Senats vom 9. Oktober 2014 ( III ZR 32/14, NJW 2015, 328 Rn. 36 ff) grundsätzlich - zum Nachteil der Telekommunikationsunternehmen entschieden und hat damit keine Bedeutung für den allgemeinen Rechtsverkehr mehr.

Diese Entscheidung beantwortet und bejaht für die vorliegende Konstellation von Verträgen, die nicht allein über das Internet vertrieben werden, auch die von der Beklagten zur Begründung einer höheren Beschwer aufgeworfene Frage, ob eine Verpflichtung des Anbieters zur Übermittlung von Rechnungen in Papierform besteht. Eine Kontroverse über die Frage, ob diese Entscheidung, die zu einem Mobilfunkvertrag erging, auch für Verträge über Festnetzanschlüsse gilt, ist von der Beklagten nicht dargetan. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Senatsurteil vom 16. Juli 2009 ( III ZR 299/08, NJW 2009, 3227 ) zu Online-Tarifen und demjenigen vom 9. Oktober 2014 (aaO) zu Verträgen, die nicht ausschließlich über das Internet vertrieben werden, bestehen entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht. Vielmehr ergibt sich aus diesen Entscheidungen widerspruchsfrei, dass die kostenfreie Zurverfügungstellung einer Rechnung in Papierform bei Produkten, die nicht ausschließlich über das Internet vertrieben werden, zu den Pflichten des Anbieters gehört, die nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden können, während bei reinen "Online-Verträgen" unter dem Gesichtspunkt des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Bedenken dagegen bestehen, wenn die Rechnung nur über das Internet abrufbar ist oder für eine zusätzliche Papierrechnung ein gesondertes Entgelt verlangt wird.

Die von der Beschwerde zur Begründung einer höheren Beschwer aufgeworfene Frage, ob eine Papierrechnung bei Verträgen, die nicht ausschließlich über das Internet geschlossen werden, auch dann zu den Vertragspflichten des Anbieters gehört, wenn alle betroffenen Verträge die Zurverfügungstellung eines Internetanschlusses beinhalten, erfüllt ebenfalls die vorgenannten Voraussetzungen nicht, unter denen die Annahme einer höheren Beschwer als 2.500 Euro je beanstandeter Klausel in Betracht kommt. Es ist schon nicht ersichtlich und vorgetragen, dass diese Frage äußerst umstritten und für die gesamte Branche von entscheidender Bedeutung ist. Zudem ergibt sich die Antwort hierauf ebenfalls bereits aus dem Senatsurteil vom 9. Oktober 2014 (aaO). Auch wenn ein Internetanschluss zur Verfügung gestellt wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nutzer seinen privaten Rechtsverkehr im Wesentlichen über das Internet abwickelt. Dies wird allenfalls indiziert, wenn der Kunde einen reinen "Online-Tarif" wählt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die Pflicht zur Rechnungserteilung allein durch Bereitstellung in einem Internetkundenportal erfüllt werden könnte, dass eine solche Fallgestaltung vorliegt.

Soweit die Beklagte zur Begründung einer höheren Beschwer geltend macht, dass durch die Verurteilung bislang erzielte Erlöse für die Erstellung der Papierrechnungen im Bereich von ... Mio. Euro (Mobilfunk) und ... Mio. Euro (Festnetz) jährlich entfielen, führt dies nach oben genannten Grundsätzen ebenfalls nicht zu einer höheren Beschwer. Hierbei handelt es sich allein um wirtschaftliche Belastungen der Beklagten, die aus oben angestellten Erwägungen bei der Bemessung der Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz keine entscheidende Rolle spielen, zumal diese Belastungen aus der Unwirksamkeit von Klauseln entstehen, hinsichtlich derer die wesentlichen Fragen höchstrichterlich geklärt sind. Aus demselben Grund führt auch der Vortrag weiterer erheblicher Kostenbelastungen dadurch, dass zusätzliche Kunden, die bislang keine Papierrechnung beantragt hatten, bei deren Kostenfreiheit eine solche beantragen werden, nicht zu einer erhöhten Beschwer.

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Bemessung des Streitwerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

Vorinstanz: LG München I, vom 30.01.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 23800/12
Vorinstanz: OLG München, vom 05.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 29 U 830/14