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BGH - Entscheidung vom 14.01.2015

2 StR 150/14

Normen:
StPO § 154a Abs. 2

BGH, Beschluss vom 14.01.2015 - Aktenzeichen 2 StR 150/14

DRsp Nr. 2015/4037

Unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs beim Anlegen einer Hanfplantage

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. November 2013 werden als unbegründet verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 154a Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. Dezember 2011 - 64 KLs 26/11 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 10.000 Euro angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; ferner hat es einen Wertersatzverfall in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Den Angeklagten M. hat das Landgericht der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig gesprochen, den Angeklagten F. der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und gegen beide Angeklagte unter Einbeziehung von Strafen aus Vorahndungen jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts, die Angeklagten H. und S. erheben zudem Verfahrensrügen.

1. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO ). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

a) Das vom Angeklagten H. hinsichtlich der Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe in der Sache geltend gemachte Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Insoweit trägt die Revision im Kern vor, diese Taten seien bereits Gegenstand einer Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO in dem früheren, vor dem Landgericht Aachen gegen den Angeklagten geführten Verfahren mit dem Aktenzeichen 64 KLs 26/11 gewesen.

Entgegen der Auffassung der Revision waren die betroffenen Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe indes nicht Gegenstand dieses früheren Verfahrens und daher auch nicht von der dort erfolgten teilweisen Verfahrenseinstellung erfasst. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass dem Angeklagten H. insoweit im Anklagesatz des Verfahrens 64 KLs 26/11 ausschließlich die Errichtung einer im Zeitraum Juni 2010 bis etwa März 2011 in einem zuvor als Vorratsraum benutzten Gebäudeteil des Tatanwesens in V. /Niederlande und vom damaligen Mitangeklagten Hu. betreuten Cannabisplantage samt der daraus mindestens erzielten einzelnen Ernte zur Last gelegt wurde. Die Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe betreffen dagegen zwei Erntevorgänge aus einer in der Scheune des Tatanwesens in einem Container bzw. dem Dachboden angelegten gesonderten Cannabisplantage, die der Angeklagte vom gesondert Verfolgten Sc. im Herbst 2010 übernommen hatte und die vom Mitangeklagten M. betreut wurde. Aus der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift ergibt sich zudem, dass der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung im Verfahren 64 KLs 26/11 beide Anbauorte auf dem Anwesen bekannt waren. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bezog sich daher der maßgebliche Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft im Verfahren 64 KLs 26/11 allein auf die im Vorratsraum des Anwesens errichtete Plantage, während die weiteren Anbauvorgänge in der Scheune samt den daraus gewonnenen Ernten davon nicht umfasst waren. Diese sind vielmehr sowohl materiellrechtlich (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12 [...] Rn. 31, insoweit in BGHSt 58, 99 nicht abgedruckt; Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; Weber, BtMG , 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 634, § 29 Rn. 115) als auch prozessual als gesonderte Taten anzusehen. Angesichts der unterschiedlichen Tatmodalitäten, auch hinsichtlich der mit der Betreuung der Plantagen beauftragten Personen, führt allein die räumliche Nähe der Plantagen nicht dazu, dass durch die gesonderte Betrachtung der einzelnen Anbauvorgänge ein einheitlicher Lebensvorgang unnatürlich aufgespalten werden würde, wie die Revision meint.

b) Soweit der Generalbundesanwalt allerdings davon ausgeht, der Tatvorwurf der früheren Anklage im Verfahren 64 KLs 26/11 sei auch von der Anklage im hiesigen Verfahren umfasst, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Gegenstand des diesbezüglichen Tatvorwurfs der hiesigen Anklage - die im Anklagesatz nicht ausdrücklich zwischen einzelnen Plantagen innerhalb des Anwesens differenziert - waren vier Erntevorgänge, "wobei eine Ernte bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Aachen (64 KLs 26/11) war und dort gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde". Aus den im Anklagesatz wiedergegebenen Strafvorschriften lässt sich entnehmen, dass dem Angeklagten H. insoweit drei Fälle zur Last gelegt wurden. Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass der Erntevorgang, der bereits Gegenstand des früheren Verfahrens war, vom maßgeblichen Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft ausgenommen sein sollte; es wäre auch widersinnig anzunehmen, die Staatsanwaltschaft wolle eine Tat in vollem Bewusstsein dessen anklagen, dass das Verfahren insoweit bereits eingestellt worden war. Da mithin diese Tat von vornherein nicht Gegenstand des hiesigen Verfahren war, bedarf es insoweit nicht der vom Generalbundesanwalt beantragten Einstellung des Verfahrens gemäß § 354 Abs. 1 StPO (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. September 2014 - 4 StR 69/14 [...] Rn. 19 mwN).

2. Der Senat kann über das Rechtsmittel ungeachtet des Einstellungsantrags des Generalbundesanwalts insgesamt durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine vom Generalbundesanwalt beantragte Verfahrensbeschränkung (§ 154a Abs. 2 StPO ) oder Schuldspruchänderung, der der Senat nicht folgen will, einer Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluss nicht entgegensteht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. Juni 2007 - 2 StR 203/07, NJW 2007, 2565 , 2566, vom 11. August 1999 - 2 StR 44/99, wistra 2000, 465, 466, und vom 23. Juli 1993 - 2 StR 346/93, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Antrag 1; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 57. Aufl., § 349 Rn. 22; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 349 Rn. 28, jeweils mwN). Dies gilt erst recht in den Fällen der vorliegenden Art, in denen der Generalbundesanwalt die Einstellung des Verfahrens im Hinblick auf eine Tat beantragt, die gar nicht Gegenstand des Verfahrens wurde, da dies den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch, hinsichtlich derer er Verwerfung der Revision beantragt hat, in keiner Weise tangiert.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 27.11.2013