Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 31.03.2015

3 StR 630/14

Normen:
StPO § 349 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 31.03.2015 - Aktenzeichen 3 StR 630/14

DRsp Nr. 2015/7832

Strafrechtliche Bewertung der bloßen Bereitschaft zur Entgegennahme von eingeführten Betäubungsmitteln; Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln i.R. der Revision

1. Zwar ist es nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt.2. Auch der im Inland aufhältige Erwerber von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann deshalb wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet; wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind.3. Hat der Besteller hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, ist er wegen der Bestellung zwar wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr.

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von jeweils vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die sichergestellten Betäubungsmittel, ca. 1,85 kg Kokain, eingezogen. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt sind; der Angeklagte X. beanstandet zudem das Verfahren.

Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es deshalb nicht an.

1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten mit einem - nicht namentlich feststellbaren - Dritten vor dem 8. März 2012 überein, unter finanzieller Beteiligung aller anderthalb bis zwei Kilogramm Kokain in den Niederlanden zu erwerben, diese Betäubungsmittel in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und in Hannover zu strecken, zu portionieren und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte M. begab sich zu diesem Zweck mit dem unbekannten Dritten am 8. März 2012 nach Utrecht und später nach Amsterdam. Dabei machten sie sich in zwei Autos, mit einem von dem Angeklagten X. angemieteten VW Polo sowie mit einem in seinem Eigentum stehenden BMW 730d, auf den Weg. Den BMW übergaben sie auf Weisung des Angeklagten X. , der das Fahrzeug auf nicht näher feststellbare Weise zur Finanzierung des Rauschgiftgeschäfts einsetzte, in den Niederlanden an einen unbekannten Empfänger. Sodann erwarben der Angeklagte M. und sein unbekannter Begleiter von einer oder mehreren unbekannt gebliebenen Personen das in drei Beuteln abgepackte Kokaingemisch, das jeweils unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen zwischen gut 30 % und über 96 % aufwies. Am Abend des 9. März 2012 machten sich der Angeklagte M. und sein unbekannter Begleiter in dem VW Polo auf den Rückweg nach Hannover, wo sie am frühen Morgen des 10. März 2012 eintrafen. Am selben Tag gegen 14.15 Uhr wurde das erworbene Betäubungsmittel von einem Kurierfahrer, zu dessen Identität keine Feststellungen getroffen werden konnten, angeliefert und dem Angeklagten M. übergeben.

b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten das verfahrensgegenständliche Kokain als Täter in die Bundesrepublik Deutschland einführten. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 - 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315 , 319 mwN). Auch der im Inland aufhältige Erwerber von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann deshalb wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet; wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32 , 33 mwN). Hat der Besteller hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, ist er wegen der Bestellung zwar wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 7. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 190 mwN).

Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Angeklagten Einfluss auf den Transportweg oder in anderer Weise auf die Einfuhr des Kokains hatten; es ist auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte M. beim Erwerb der Betäubungsmittel mit den Verkäufern die von diesen durchzuführende Einfuhr vereinbarte (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 29. Januar 1986 - 2 StR 613/85, StV 1986, 384 ). Hinsichtlich des Angeklagten X. , der bei dem Erwerb der Betäubungsmittel in den Niederlanden nicht einmal zugegen war, sind ebenfalls keine Umstände festgestellt, die auf seine Täterschaft bei der Einfuhr des Kokains hindeuten könnten.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einem neuen Rechtsgang Umstände festgestellt werden können, die die Annahme täterschaftlicher Einfuhr durch die Angeklagten - oder jedenfalls einen von ihnen - rechtfertigen könnten. Eine Umstellung des Schuldspruchs verbietet sich zudem auch deshalb, weil in Fällen wie dem vorliegenden eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Einfuhr der Betäubungsmittel in Betracht kommt; die Voraussetzungen der Anstiftung sind dabei selbständig zu prüfen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1987 - 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3). Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen rechtsfehlerfreien Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat von der Möglichkeit abgesehen, die bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu lassen.

3. Die Gestaltung der Urteilsgründe gibt dem Senat - erneut - Anlass zu folgenden Bemerkungen:

Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Es ist regelmäßig untunlich, den Inhalt der überwachten Telekommunikation wörtlich oder auch nur in einer ausführlichen Inhaltsangabe wiederzugeben (hier UA S. 6 bis 23, 26 bis 27 und 55 bis 57), die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen aus der Hauptverhandlung der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen oder verlesene Urkunden, auf deren Wortlaut es nicht ankommt, wörtlich wiederzugeben. Ein solches Vorgehen kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen und unter Umständen den Bestand des Urteils gefährden (st. Rspr.; s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 3 StR 121/13, [...] mwN).

Vorinstanz: LG Hannover, vom 19.06.2014