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BGH - Entscheidung vom 27.08.2015

III ZR 65/15

Normen:
BGB § 242
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 4

BGH, Beschluss vom 27.08.2015 - Aktenzeichen III ZR 65/15

DRsp Nr. 2015/16668

Schadenersatzanspruch Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils; Berufung auf die verjährungshemmende Wirkung eines Mahnbescheids

1. Vom Anwendungsbereich des § 688 Abs. 2 Nr. 2 , § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO werden nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273 , 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die Zug um Zug zu erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sogenannten großen Schadensersatz, bei dem Ersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf. 2. Dem Gläubiger ist es im Regelfall nach § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des kleinen Schadensersatzes zu berufen, wenn er im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben in § 688 Abs. 2 Nr. 2 , § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des großen Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Januar 2015 - 17 U 156/13 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: bis 40.000 €

Normenkette:

BGB § 242 ; ZPO § 543 Abs. 2 ; ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 4 ;

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

1. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen sind - zum Nachteil der Klägerin - höchstrichterlich geklärt, insbesondere durch die Urteile des XI. Zivilsenats vom 23. Juni 2015 ( XI ZR 536/14, WM 2015, 1461 ) und des erkennenden Senats vom 16. Juli 2015 ( III ZR 238/14, WM 2015, 1559 ).

a) Demzufolge werden vom Anwendungsbereich der Regelung in § 688 Abs. 2 Nr. 2 , § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273 , 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die Zug um Zug zu erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sogenannten "großen" Schadensersatz, bei dem Ersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015, aaO S. 1463 Rn. 21 ff und Senatsurteil vom 16. Juli 2015, aaO S. 1561 Rn. 21 f, jeweils mwN). Die demnach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015, aaO Rn. 24 ff und Senatsurteil vom 16. Juli 2015, aaO S. 1562 Rn. 23, jeweils mwN).

b) Das im Anwaltsschreiben vom 1. August 2011 unterbreitete Angebot der Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Gesellschaftsbeteiligung der Klägerin genügt für die Erbringung der Gegenleistung nicht. Hierfür bedarf es der Übertragung der Rechte aus den Beteiligungen selbst. Ein durch das Angebot der Klägerin etwa begründeter Annahmeverzug der Beklagten lässt die das Mahnverfahren sperrende Abhängigkeit der geforderten Leistung von einer noch zu erbringenden Gegenleistung unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015, aaO S. 1461 f Rn. 20 mwN und Senatsurteil vom 16. Juli 2015, aaO S. 1561 Rn. 20 mwN; vgl. auch S. 1562 Rn. 25). Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es in Fällen, in denen die Kapitalanlage in der Rechtsposition als Treuhandkommanditist besteht (mittelbare Beteiligung), genügt, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug um Zug zu gewährende Leistung die Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung bzw. dem Treuhandvertrag anbietet (BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - XI ZR 272/10, NJW 2012, 2951, 2952 Rn. 11; Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - XI ZR 295/11, BKR 2013, 158 Rn. 1 und vom 6. Juli 2010 - XI ZB 40/09, NJW-RR 2010, 1295 , 1296 Rn. 14; Urteil vom 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, NJW 2010, 1077 , 1080 Rn. 29). Denn damit ist nur gesagt, welche Gegenleistung der Anleger Zug um Zug gegen Schadensersatz anbieten muss, nicht aber, dass mit dem Angebot bereits die von ihm geschuldete Gegenleistung erbracht wäre; sonst würde es der - auch von der Klägerin selbst vorgenommenen - Einschränkung des Anspruchs auf Leistung Zug um Zug gar nicht mehr bedürfen.

c) Den "kleinen" Schadensersatz (Differenzschaden) macht die Klägerin nicht geltend, weshalb die von der Beschwerde aufgeworfene Frage - ob es dem Anleger nur insoweit verwehrt sei, sich auf die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids zu berufen, als die im Mahnverfahren geltend gemachte Forderung den "kleinen" Schadensersatz übersteige - nicht entscheidungserheblich ist. Abgesehen davon ist es dem Gläubiger im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe (wenigstens) des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen, wenn er im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben in § 688 Abs. 2 Nr. 2 , § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015, aaO S. 1464 Rn. 34 und Senatsurteil vom 16. Juli 2015, aaO S. 1562 Rn. 30).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass sich die Klägerin gemäß § 242 BGB nicht auf die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids berufen darf, so dass etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB , Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ) verjährt sind (§ 214 Abs. 1 BGB ). Seine Feststellung, dass die Klägerin, die sich das Verhalten ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB , § 85 Abs. 2 ZPO ), in ihrem Mahnantrag bewusst wahrheitswidrig angeben ließ, dass ihre Gegenleistung erbracht sei, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerde hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG Hanau, vom 27.08.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 724/12
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 07.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 156/13