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BGH - Entscheidung vom 16.04.2015

2 StR 437/14

Normen:
StGB § 263 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 16.04.2015 - Aktenzeichen 2 StR 437/14

DRsp Nr. 2015/9832

Nachweis der finanziellen Zahlungsunfähigkeit bei der Bewertung eines Eingehungsbetrugs

1. Zahlungsunfähigkeit oder eine an Zahlungsunfähigkeit grenzende schlechte finanzielle Situation muss von belastbaren Angaben getragen wein; hierfür genügt nicht, wenn lediglich einige Verbindlichkeiten und nicht zeitnah realisierbare Außenstände geschildert werden.2. Bei der Bestimmung des Zahlungsanspruchs, der dem Staat unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO zufällt, ist bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern von deren gesamtschuldnerischer Haftung auszugehen ist, wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsmacht an dem aus der Tat erzielten Vermögenswert hatten.3. Zudem ist § 73c Abs. 1 StGB zu beachten.

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg (Lahn) vom 29. April 2014, soweit sie verurteilt sind, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 263 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat unter Freisprechung im Übrigen den Angeklagten N. wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten O. wegen Betrugs in neun Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und den Angeklagten Or. wegen Begünstigung und Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Das Landgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass zu Lasten der Angeklagten N. und Or. lediglich deshalb nicht auf Verfall des Wertersatzes in Höhe von jeweils 106.315,03 Euro erkannt wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen; zu Lasten des Angeklagten O. hat es eine entsprechende Feststellung hinsichtlich eines Betrags von 263.409,04 Euro getroffen.

Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.

I.

Die Verurteilung des Angeklagten O. hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Der Schuldspruch wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB ) in den Fällen II. 1. bis 5. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

Die Strafkammer hat die einen Betrug begründende Täuschungshandlung des Angeklagten O. darin gesehen, dass er in den Fällen II. 1. bis 5. der Urteilsgründe jeweils namens der P. GmbH Heizöl bestellte, obwohl er von Anfang an geplant hatte, das Heizöl nicht zu bezahlen, und damit zahlungsunwillig war. Die Annahme der Zahlungsunwilligkeit hat die Strafkammer unter anderem darauf gestützt, dass keine Aussicht bestand, dass der P. GmbH zeitnah in einem Umfang finanzielle Mittel zufließen würden, um die bei den Mineralölhändlern bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen, und mithin der Angeklagte O. spätestens zum Zeitpunkt der ersten Tat davon ausgegangen sei, dass die finanzielle Situation der P. GmbH so schlecht sei, dass die Tankstelle nur noch für einen Übergangszeitraum betrieben werden könne (UA S. 34 f.).

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn das Landgericht ist damit von einer Zahlungsunfähigkeit, jedenfalls aber von einer an Zahlungsunfähigkeit grenzenden schlechten finanziellen Situation der GmbH ausgegangen, ohne dass sich diese Annahme auf eine sie tragende lückenlose Beweiswürdigung stützen kann. Weder den Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sind belastbare Angaben im Hinblick auf die finanzielle Situation der P. GmbH zu entnehmen. Es werden zwar einige Verbindlichkeiten der GmbH und nicht zeitnah realisierbare Außenstände geschildert. Vor dem Hintergrund aber, dass sich der Angeklagte dahin eingelassen hat, dass zwar Zahlungsziele hätten ausgenutzt werden sollen, es aber geplant gewesen sei, die Rechnungen später zu bezahlen (UA S. 34), dass die Tankstelle stets gut frequentiert war und nach Einschätzung der Angeklagten "gut lief" (UA S. 12), hätte die Annahme einer derart schlechten finanziellen Situation der P. GmbH einer ins Einzelne gehenden tatsachengestützten Begründung bedurft.

2. Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Betrugs führt auch zur Aufhebung der in drei Fällen tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten O. wegen Urkundenfälschung (vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325 , 328 mwN).

3. Bei dieser Sachlage hebt der Senat den Schuldspruch auch in den Fällen II. 6. bis 9. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, die Frage der Täuschungshandlung ohne Bindung an bisherige Feststellungen entscheiden zu können (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2000 - 2 StR 388/99, BGHR StPO § 353 Aufhebung 2; BGH, Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 StR 680/95, NStZ-RR 1997, 72 , 73).

II.

Die Verurteilung des Angeklagten N. wegen mittäterschaftlichen Betrugs in den Fällen II. 1. bis 5. der Urteilsgründe und des Angeklagten Or. wegen Begünstigung im Fall II. 1. und wegen einer einheitlichen Beihilfe zum Betrug in den Fällen II. 2. bis 5. entfällt schon deshalb, weil sie jeweils an den Tatbeitrag bzw. die Haupttat des Angeklagten O. anknüpfen.

Die Annahme eines Tatvorsatzes der Angeklagten begegnet aber auch für sich genommen Bedenken, denn das Landgericht hat wiederholt (auch) darauf abgestellt, dass den Angeklagten in allen fünf Fällen bewusst gewesen sei, dass das gelieferte Heizöl bei den jeweiligen Lieferanten nicht bezahlt worden war, und sie in Kauf nahmen, dass es auch nicht mehr durch die P. GmbH bezahlt werden würde (UA S. 18, 38 f., 41). Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht das Vorstellungsbild der Angeklagten zum Zeitpunkt der Täuschungshandlung durch den Angeklagten O. im Blick hatte.

III.

Von der Aufhebung erfasst wird auch die zu Lasten der Angeklagten jeweils getroffene Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO .

Für den neuen Tatrichter weist der Senat darauf hin, dass bei der Bestimmung des Zahlungsanspruchs, der dem Staat unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO zufällt, bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern von deren gesamtschuldnerischer Haftung auszugehen ist, wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsmacht an dem aus der Tat erzielten Vermögenswert hatten. Zudem ist § 73c Abs. 1 StGB zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NStZ 2011, 295 , 296 mwN).

Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.