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BGH - Entscheidung vom 28.05.2015

III ZR 318/14

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 631 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 28.05.2015 - Aktenzeichen III ZR 318/14

DRsp Nr. 2015/10318

Erstattung der Kosten für die Durchführung einer Marketingveranstaltung für ein Heparinpräparat in Ungarn und Rumänien

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg - 12. Zivilsenat - vom 14. August 2014 - 12 U 2539/13 - zu gewähren, wird abgelehnt.

Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird die Entscheidung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage, soweit diese auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.564 € (Durchführung einer Marketingveranstaltung im November 2010) nebst Zinsen und anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtet war, zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Streitwert: 288.564 €

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; BGB § 611 Abs. 1 ; BGB § 631 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts, hatte mit dem beklagten Hersteller von Pharmazeutika vereinbart, ein Heparinpräparat in Ungarn und Rumänien zu vermarkten. Sie macht Ansprüche wegen der von ihr behaupteten Durchführung einer Marketingveranstaltung im November 2010 geltend (18.564 €). Weiter fordert sie Schadensersatz in Höhe von 270.000 €, weil sie sich zur Kündigung der Vertragsverhältnisse mit der Beklagten veranlasst gesehen habe, da diese die erforderlichen Unterlagen für die Zulassung der Präparate in Ungarn und Rumänien nicht beigebracht habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie beabsichtigt, ihre Klage vollumfänglich weiterzuverfolgen. Ferner hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe für die Beschwerde zu gewähren.

II.

Die beantragte Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde, wie es gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person ist.

III.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von 18.564 € zuzüglich Nebenforderungen wegen der von ihr behaupteten Durchführung einer Marketingveranstaltung im November 2010. Das Rechtsmittel führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung von 270.000 € hingegen ist die Beschwerde unbegründet.

1. a) Die auf die Forderung wegen der Marketingveranstaltung gerichtete Klage hat das Berufungsgericht für unbegründet gehalten, weil der Vortrag der Klägerin hierzu im Widerspruch zu dem von ihr vorgelegten Schreiben vom 20. Dezember 2010 stehe. Dieses enthalte keine Rechnung für eine Veranstaltung im November 2010, sondern ein Angebot für die Durchführung einer solchen im Dezember 2010. Der Vortrag der Klägerin, die Fassung des Schreibens beruhe auf einem Diktatfehler, vermöge die inhaltlichen Widersprüche nicht zu erklären.

b) Mit Recht rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, indem es davon abgesehen habe, den Zeugen Dr. Kohnen zu der Behauptung der Klägerin zu vernehmen, zwischen den Parteien sei drei Wochen vor der Marketingveranstaltung im November 2010 eine Vereinbarung über deren Durchführung getroffen worden, wobei die Konditionen inhaltlich denen im Schreiben vom 20. Dezember 2010 entsprochen hätten. Das Berufungsgericht hat die Zeugenvernehmung zu Unrecht unter Hinweis auf den Wortlaut dieses Schreibens abgelehnt. Das Berufungsgericht hat mit seinen Erwägungen hierzu eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende vorweggenommene Beweiswürdigung angestellt. Der Sachvortrag der Klägerin war entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht in sich widersprüchlich, so dass dem Beweisangebot hätte nachgekommen werden müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Dabei muss das Gericht aufgrund dieser Darstellung nur in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (z.B. Senatsurteil vom 11. April 2013 - III ZR 80/12, [...] Rn. 41 m. umfangr. w. N.). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (Senat aaO mwN). Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Beweises ist danach nur zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (Senat aaO mwN). Sind hingegen dem Gericht die zur Begründung der geltend gemachten Rechtsfolgen notwendigen Tatsachen vorgetragen worden, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (Senat aaO mwN).

Diese Anforderungen erfüllt der unter Beweis gestellte Sachvortrag der Klägerin. Sie hat eine konkrete Vereinbarung der Parteien über die Durchführung der Marketingveranstaltung im November 2010 vorgetragen. Die behauptete Übereinkunft ist zudem nach Inhalt und Zeitpunkt präzisiert worden. Hieraus lässt sich ohne weiteres ein Entgeltanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB oder, wenn man die geschuldete Leistung als erfolgsbezogen ansieht, aus § 631 Abs. 1 BGB herleiten. Die Schlüssigkeit dieses Vorbringens wird nicht durch den vom Berufungsgericht aufgezeigten Widerspruch zu dem Wortlaut des Schreibens vom 20. Dezember 2010 in Frage gestellt, wonach die Marketingleistungen erst angeboten wurden und nicht eine Rechnung über bereits erbrachte Leistungen erstellt wurde. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 30. September 2013 noch in erster Instanz vorgetragen, die Fassung des Schreibens beruhe auf einem Diktatirrtum des mittlerweile verstorbenen Zeugen Obring. Dieses Vorbringen, dessen Richtigkeit bei der Prüfung der Schlüssigkeit zu unterstellen ist, erklärt den Widerspruch. Danach bleibt der Vortrag schlüssig, so dass der angebotene Beweis zu erheben ist. Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, die Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 30. September 2013 sei nicht überzeugend und räume den inhaltlichen Widerspruch des Schreibens vom 20. Dezember 2010 zu dem Klägervortrag nicht aus, stellt damit eine (vorweggenommene) Sachverhaltswürdigung dar, die erst nach Erhebung des zu der in Rede stehenden Behauptung angebotenen Beweises zulässig ist.

Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Beweises ist allerdings auch zulässig, wenn das tatsächliche Vorbringen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber willkürlich "aufs Geratewohl", gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt ist (st. Rspr. z.B. Senat aaO Rn. 42 mwN). Bei der Annahme von Willkür ist jedoch Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (Senat aaO mwN). Dies kann hier jedoch nicht angenommen werden.

Das Berufungsgericht ist ferner nicht der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachgegangen, die Marketingveranstaltung im November 2010 habe tatsächlich stattgefunden. Gegebenenfalls sind Feststellungen auch hierzu nachzuholen.

2. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in Höhe von 270.000 € besteht kein Revisionszulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Der Senat sieht insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO von einer Begründung ab.

Vorinstanz: LG Nürnberg, vom 20.11.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 4 HKO 3994/11
Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 14.08.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 2539/13