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BGH - Entscheidung vom 09.12.2015

VIII ZR 349/14

Normen:
BGB § 307 Abs. 1 S. 2 Ba
BGB Cl
BGB § 308 Nr. 5
BGB § 307 Abs. 1 S. 2 (Ba)
BGB § 308 Nr. 5
UKlaG § 1
UKlaG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 305
BGB § 307 Abs. 1 S. 2
BGB § 307 Abs. 2
BGB § 308 Nr. 5
EnWG § 41 Abs. 3 S. 2

Fundstellen:
BB 2016, 514
DB 2016, 7
MDR 2016, 315
NJW 2016, 2101
NJW 2016, 8
WM 2016, 665
ZIP 2016, 1031

BGH, Urteil vom 09.12.2015 - Aktenzeichen VIII ZR 349/14

DRsp Nr. 2016/3381

Außerordentliche Kündigung eines Energieliefervertrages aus wichtigem Grund (hier:einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch den Lieferanten); Beschränkung des bei Preisänderungen bestehenden Kündigungsrechts des Kunden auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Preisänderung

Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Normsonderkundenverträgen eines Gasversorgungsunternehmens enthaltene Klausel: "Anpassungen des Vertrags ausgenommen Preisanpassungen und vertragswesentliche Regelungen, werden dem Kunden mit einer Frist von mindestens 6 Wochen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt. In diesem Fall ist der Kunde berechtigt, den Vertrag in Textform ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Inkrafttreten der Anpassung zu kündigen. Kündigt er den Vertrag nicht, so treten die Anpassungen ab dem in der Mitteilung genannten Zeitpunkt in Kraft. Die X-AG ist verpflichtet, den Kunden in der schriftlichen Mitteilung auf die Bedeutung seines Schweigens hinzuweisen." benachteiligt den Kunden unangemessen und ist daher unwirksam.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden, unter deren Zurückweisung im Übrigen, das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 26. November 2014 im Kostenpunkt und hinsichtlich der Entscheidung zu der nachfolgend zitierten Klausel 10.2 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 18. Juli 2014 im Kostenpunkt und hinsichtlich der Entscheidung zur Hauptsache teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, bei mit Verbrauchern geschlossenen Verträgen über die Lieferung von Erdgas, die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:

"10.2 Anpassungen des Vertrags ausgenommen Preisanpassungen und vertragswesentliche Regelungen, werden dem Kunden mit einer Frist von mindestens 6 Wochen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt. In diesem Fall ist der Kunde berechtigt, den Vertrag in Textform ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Inkrafttreten der Anpassung zu kündigen. Kündigt er den Vertrag nicht, so treten die Anpassungen ab dem in der Mitteilung genannten Zeitpunkt in Kraft. Die W. AG ist verpflichtet, den Kunden in der schriftlichen Mitteilung auf die Bedeutung seines Schweigens hinzuweisen."

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Normenkette:

UKlaG § 1 ; UKlaG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ; BGB § 305 ; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; BGB § 307 Abs. 2 ; BGB § 308 Nr. 5 ; EnWG § 41 Abs. 3 S. 2;

Tatbestand

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 4 UKlaG . Die Beklagte, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, verwendete im Jahr 2012 in Normsonderkundenverträgen, die keine Mindestlaufzeiten vorsehen, gegenüber Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, unter anderem folgende Bestimmungen:

"3.1 Dem Kunden steht im Fall einer Preisänderung das Recht zu, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich auf das Datum des Wirksamwerdens der Preisänderung zu kündigen.

[...]

10.2 Anpassungen des Vertrags, ausgenommen Preisanpassungen und vertragswesentliche Regelungen, werden dem Kunden mit einer Frist von mindestens 6 Wochen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt. In diesem Fall ist der Kunde berechtigt, den Vertrag in Textform ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Inkrafttreten der Anpassung zu kündigen. Kündigt er den Vertrag nicht, so treten die Anpassungen ab dem in der Mitteilung genannten Zeitpunkt in Kraft. Die W. AG ist verpflichtet, den Kunden in der schriftlichen Mitteilung auf die Bedeutung seines Schweigens hinzuweisen."

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung vorgenannter oder inhaltsgleicher Klauseln mit der Begründung in Anspruch, die zeitlichen Einschränkungen der in den Klauseln geregelten Kündigungsrechte "auf das Datum des Wirksamwerdens der Preisänderung" beziehungsweise "zum Inkrafttreten der Anpassung" schlössen eine spätere Kündigung des Kunden aus und widersprächen damit dem gesetzlichen Leitbild des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG .

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat teilweise Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG zu, da die in Rede stehenden Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien.

Insbesondere wichen die Klauseln nicht von wesentlichen Grundgedanken des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ab. Zwar werde das in § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG geregelte Kündigungsrecht des Sonderkunden durch den Wortlaut der Vorschrift zeitlich nicht begrenzt. Sinn und Zweck des Kündigungsrechts in § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG sei es aber, dass der Kunde sich vom Vertrag lösen könne, bevor die ihm mitgeteilte Vertragsänderung, vor allem eine Preiserhöhung, wirksam werde. Dies werde durch die Klauseln gewährleistet.

II.

Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nur hinsichtlich der Klausel 3.1 stand, so dass die Revision insoweit zurückzuweisen ist. Hinsichtlich der Klausel 10.2 steht dem nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG aktivlegitimierten Kläger indes entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG zu.

Bei beiden von der Beklagten gegenüber ihren Kunden (Verbrauchern) verwendeten Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 BGB , die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegen.

A. Zur Klausel 3.1:

Diese Klausel, die das bei Preisänderungen bestehende Kündigungsrecht des Kunden auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Preisänderung beschränkt, weicht entgegen der Auffassung der Revision nicht zum Nachteil des Kunden von wesentlichen Grundgedanken des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG ab und ist deshalb nicht nach § 307 Abs. 1 , 2 Nr. 1 BGB unwirksam; der Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 1 UKlaG ist insofern unbegründet.

1. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG lautet: "Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen." Der Wortlaut verhält sich mithin zu einer zeitlichen Befristung der Ausübung des Rechts zur fristlosen Kündigung nicht. Dem Schweigen der Norm zu einer zeitlichen Grenze des Kündigungsrechts kann jedoch nicht, wie die Revision meint, entnommen werden, dass das Gesetz dem Verbraucher aus Anlass einer Preisänderung ein (nachfolgend) zeitlich unbefristetes Kündigungsrecht einräumt.

a) Energielieferverträge sind Dauerschuldverhältnisse. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG berechtigt den Letztverbraucher, den Energieliefervertrag außerordentlich aus wichtigem Grund (einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch den Lieferanten) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.

Es ist allgemein anerkannt, dass die außerordentliche fristlose Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund innerhalb einer angemessenen Zeit seit Kenntnis von dem Kündigungsgrund erklärt werden muss. Das hat seinen Grund zum einen darin, dass der eine Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber erhalten soll, ob von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird; zum anderen gibt der Kündigungsberechtigte mit dem längeren Abwarten zu erkennen, dass für ihn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz des Vorliegens eines Grundes zur fristlosen Kündigung nicht unzumutbar ist. Diese Erwägungen liegen auch der Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB , die seit dem 1. Januar 2002 gilt, zugrunde (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 178). Sie galten indes auch schon für die frühere Rechtslage, bei der es - mit Ausnahme einzelner Vorschriften (etwa § 626 Abs. 2 BGB ) - an einer gesetzlichen Festlegung der Frist für die Erklärung der außerordentlichen Kündigung fehlte (BGH, Urteile vom 23. April 2010 - LwZR 20/09, NJW-RR 2010, 1500 Rn. 13 mwN; vgl. auch Senatsurteile vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361 Rn. 19; vom 15. Dezember 1993 - VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 unter II 1; vom 27. Januar 1982 - VIII ZR 295/80, NJW 1982, 2432 unter II 1 b; vom 15. Februar 1967 - VIII ZR 222/64, WM 1967, 515 unter IV 2).

b) Die Auffassung der Revision steht in Widerspruch zu dem dargestellten Erfordernis, die Kündigung innerhalb angemessener Frist zu erklären. Denn sie führte dazu, dass dem Kunden noch Monate oder Jahre nach einer Preisänderung, unter Rückgriff auf diese, das Recht eingeräumt wäre, sich von dem Vertrag zu lösen. Für einen solchen Regelungsgehalt des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG lassen sich weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte entnehmen.

c) Darüber hinaus entspricht eine derartig weitreichende und einseitig zu Lasten des Energieversorgers gehende Wortlautinterpretation ersichtlich nicht dem Sinn und Zweck des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG . Die Norm will (lediglich) verhindern, dass der Kunde ohne seinen Willen an einen Energielieferungsvertrag auch noch nach dem Zeitpunkt gebunden bleibt, zu dem sich die Preiserhöhung aufgrund (unterstellt wirksamer) einseitiger Leistungsbestimmung des Versorgers, zu Lasten des Kunden auswirken würde. Dieser Zweck wird vollständig erfüllt, wenn dem Kunden das Recht eingeräumt wird, den Vertrag auf das Datum des Inkrafttretens der Preisänderung zu kündigen.

2. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch aus einer Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben kein anderes Normverständnis.

Die Revision beruft sich darauf, dass im Anhang A Buchst. b der GasRichtlinie 2003/55/EG sowie in dem Anhang I Abs. 1 Buchst. b der dieser Richtlinie nachfolgenden Gas-Richtlinie 2009/73/EG jeweils bestimmt ist, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, "dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat". Daraus ergibt sich indes nur, dass auch die genannten Richtlinien darauf abzielen, im Interesse des Verbraucherschutzes mit Hilfe der rechtzeitigen Informationen über die neuen Bedingungen zu gewährleisten, dass die von einer Preisänderung betroffenen Kunden sich von einem Vertrag, dessen neue Preisgestaltung sie nicht akzeptieren, so rechtzeitig lösen können, dass die Preisänderung ihnen gegenüber nicht mehr wirksam wird (vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 Rn. 47 - Schulz und Egbringhoff). Es bestehen somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gasrichtlinien dem Haushaltskunden aus Anlass einer Preiserhöhung ein zeitlich unbegrenztes - also auch noch lange nach dem Wirksamwerden der Preiserhöhung ausübbares - Kündigungsrecht hätten einräumen wollen.

3. Der Regelungsgehalt des § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG beschränkt sich mithin darauf, dem Kunden ein Kündigungsrecht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vertragsänderung einzuräumen. Diesen gesetzlichen Anforderungen wird die streitgegenständliche Klausel 3.1 in vollem Umfang gerecht mit der Folge, dass die Klausel der rechtlichen Prüfung nach § 307 Abs. 1 , 2 Nr. 1 BGB standhält.

B. Zur Klausel 10.2:

Diese Klausel hält der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB in zweifacher Hinsicht nicht stand. Zum einen verstößt sie gegen § 308 Nr. 5 BGB , zum anderen genügt sie den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht.

1. Der Senat kann die angegriffene Klausel, die er uneingeschränkt selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2013 - VIII ZR 225/12, NJW 2013, 1805 Rn. 9 mwN), unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt auf ihre Wirksamkeit prüfen. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG bildet einen einheitlichen Streitgegenstand, gleichviel auf welche materiell-rechtliche Verbotsgründe er vom Kläger gestützt wird oder gestützt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 17 ff. mwN - Biomineralwasser; vom 20. März 2013 - I ZR 209/11, GRUR 2013, 1170 Rn. 9 - Telefonwerbung für DSL-Produkte; vgl. auch BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 85/92, WM 1993, 845 unter II 1 a; vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 9; jeweils mwN).

2. Die Klausel 10.2 ist an § 308 Nr. 5 BGB zu messen, weil sie eine Erklärungsfiktion beinhaltet. Denn die dem Kunden von der Beklagten mitgeteilte Vertragsänderung kommt durch Schweigen des Kunden zustande, sofern dieser den Energieliefervertrag nicht vorher kündigt. Den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB genügt die Klausel nicht.

a) Nach § 308 Nr. 5 BGB ist eine Formularbestimmung unwirksam, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist (Buchst. a) und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen (Buchst. b).

Die Möglichkeit, eine ausdrückliche Erklärung gemäß § 308 Nr. 5 Buchst. a BGB abzugeben, hat der Vertragspartner des Verwenders nur, wenn ihn die Klauselfassung in seiner Entschließung, welchen Inhalt er seiner Erklärung geben will, nicht einengt, sondern sie ihm gestattet, seinen wirklichen Willen frei zu äußern (Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 308 Nr. 5 BGB Rn. 39; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 308 Nr. 5 BGB Rn. 11; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB , Neubearb. 2013, § 308 Nr. 5 Rn. 15).

b) Diesem Erfordernis wird die Klausel 10.2 nicht gerecht.

In Satz 1 der Klausel 10.2 ist bestimmt, dass dem Kunden Anpassungen des Vertrags - ausgenommen Preisanpassungen und vertragswesentliche Regelungen - mit einer Frist von mindestens sechs Wochen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens schriftlich mitgeteilt werden. In den nachfolgenden Sätzen 2 und 3 wird dem Kunden ein Kündigungsrecht zum Inkrafttreten der Anpassung eingeräumt, dessen Nichtausübung innerhalb der eingeräumten Frist zum Eintritt der Vertragsanpassung führt, wobei der Kunde von der Beklagten nach Satz 4 der Bestimmung in der schriftlichen Ankündigung der Vertragsanpassung auf die Bedeutung seines Schweigens hinzuweisen ist.

Diese Regelung gestattet es dem Kunden mithin nur, sich vom Vertrag durch Kündigung zu lösen oder die angekündigte Vertragsänderung durch Schweigen zu akzeptieren. Andere Erklärungsmöglichkeiten räumt die Beklagte ihren Kunden mit der Klausel nicht ein. Insbesondere wird dem Kunden nicht gestattet, der mitgeteilten Vertragsänderung (schlicht) zu widersprechen und so den Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen fortzuführen.

3. Unabhängig davon genügt die Klausel auch den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht.

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 25. November 2015 - VIII ZR 360/14, unter II 2 a, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 37; vom 28. Mai 2015 - VIII ZR 179/13, BGHZ 201, 271 Rn. 27; jeweils mwN).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vertragsklausel diesen Transparenzanforderungen gerecht wird, ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 25. November 2015 - VIII ZR 366/14, aaO; vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, aaO; vom 28. Mai 2015 - VIII ZR 179/13, aaO; jeweils mwN). Auslegungszweifel gehen hierbei gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Diese Auslegungsregel hat zur Folge, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 337/11, BGHZ 194, 121 Rn. 16 mwN).

b) Hiervon ausgehend wird die Klausel 10.2 den Anforderungen an die Transparenz einer Formularbestimmung nicht gerecht.

Dem durchschnittlichen Kunden wird nicht in der gebotenen Weise verständlich, welcher Art die Vertragsanpassung ist, mit der die Beklagte möglicherweise während der Laufzeit des Energieliefervertrags an ihn herantreten wird. Der Kunde kann nach Lektüre der Klausel mit hinreichender Klarheit nur erkennen, dass eine Preisanpassung nicht Gegenstand des Änderungsverlangens sein kann. Nicht ausreichend verständlich ist hingegen der Begriff der "vertragswesentlichen Regelung".

aa) Zwar führt die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht für sich genommen zur Intransparenz der Vertragsklausel, sofern sich der Vertragspartner des Verwenders die erforderlichen Informationen zur Inhaltsbestimmung des Begriffs unschwer ohne fremde Hilfe selbst verschaffen kann (vgl. BGH, Urteile vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06, NJW 2007, 1198 Rn. 41 ff. [zu "Transportkosten"]; vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08, NJW 2010, 671 Rn. 21 ff. [zu "Verwaltungskosten"]). Intransparent wird die einen auslegungsbedürftigen Begriff verwendende Bestimmung aber dann, wenn der Vertragspartner diese Erkenntnismöglichkeit nicht hat. So verhält es sich hier.

bb) Der Senat hat zu einer Haftungsfreizeichnungsklausel, die als schlagwortartige Beschreibung vertragswesentlicher Pflichten den Begriff der "Kardinalpflicht" enthielt, ausgeführt, dass sich einem juristischen Laien, der den in der Rechtsprechung verwendeten Begriff der "Kardinalpflicht" nicht kennt, trotz aufmerksamer und sorgfältiger Lektüre des Vertrages nicht erschließt, was mit diesem Begriff gemeint ist (Senatsurteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 , 36 f.). Das Gleiche gilt für den in der Klausel 10.2 enthaltenen Begriff der "vertragswesentlichen Regelung". Auch dieser hat jedenfalls für den juristischen Laien keine erkennbare Kontur. Insbesondere lässt der Begriff im Dunkeln, ob damit nur solche Regelungen gemeint sind, deren Änderung die Durchführung des Vertragszwecks gefährden würde (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ) oder etwa auch Regelungen, die für die praktische Vertragsdurchführung wichtige (Neben[leistungs]-)Pflichten beschreiben, wie etwa vom Verwender versprochene Leistungen im Rahmen der Vertragsabwicklung (Abrechnungsmodalitäten, Mitteilungen etc.).

cc) Dem sich daraus ergebenden Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB steht nicht etwa entgegen, dass der Beklagten eine Konkretisierung des Begriffs der vertragswesentlichen Regelung nicht möglich (gewesen) wäre. Es ist zwar anerkannt, dass das Transparenzgebot den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht überfordern darf und die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des nach den Umständen Möglichen besteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 27 mwN). Indes wäre es der Beklagten vorliegend unschwer möglich gewesen, die Klausel 10.2 konkreter zu fassen, indem sie den Begriff der "vertragswesentlichen Regelung", gegebenenfalls durch Nennung einiger Beispiele, wenigstens abstrakt erläutert hätte (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04, aaO), um den Kunden so die Möglichkeit zu eröffnen, eine Begriffsvorstellung zu entwickeln.

III.

Nach allem kann das Urteil des Berufungsgerichts, soweit es die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts in Bezug auf die Klausel 10.2 durch Zurückweisung der Berufung der Klägerin bestätigt hat, keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen mehr zu treffen sind, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Auf die Berufung der Klägerin ist das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Klausel 10.2 abzuändern und insoweit nach dem Klageantrag zu entscheiden. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 9. Dezember 2015

Vorinstanz: LG Rostock, vom 18.07.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 195/13
Vorinstanz: OLG Rostock, vom 26.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 15/14
Fundstellen
BB 2016, 514
DB 2016, 7
MDR 2016, 315
NJW 2016, 2101
NJW 2016, 8
WM 2016, 665
ZIP 2016, 1031