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BGH - Entscheidung vom 10.06.2015

IV ZR 374/13

Normen:
VVG § 5a Abs. 1 S. 1
VVG § 5a Abs. 2 S. 4

BGH, Urteil vom 10.06.2015 - Aktenzeichen IV ZR 374/13

DRsp Nr. 2015/10954

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung

Tenor

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des Landgerichts Augsburg - 4. Zivilkammer - vom 26. September 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 1.673,83 € festgesetzt.

Normenkette:

VVG § 5a Abs. 1 S. 1; VVG § 5a Abs. 2 S. 4;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2005 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Policenbegleitschreiben eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ( VAG ). Im Oktober 2006 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer rechnete den Vertrag ab, zahlte aber den Rückkaufswert nicht aus. Mit Schreiben vom 16. März 2011 erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.

Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen, insgesamt 1.673,83 €.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. VN nicht in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht belehrt. Es fehle an einer hinreichenden drucktechnischen Hervorhebung des Widerspruchsrechts in sämtlichen auf das Widerspruchsrecht hinweisenden Unterlagen. Im Antrag sei nur die Überschrift unterstrichen und fettgedruckt, der Text unterscheide sich aber drucktechnisch nicht vom übrigen Schriftbild. Entsprechendes gelte für die Widerspruchsbelehrung in der Verbraucherinformation. Im Policenbegleitschreiben fehle jegliche Hervorhebung der Widerspruchsbelehrung. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

II. Die Revision ist begründet.

1. Der - mit der Revision allein weiterverfolgte - Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB .

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Widerspruchsbelehrung weder in der Verbraucherinformation noch im Policenbegleitschreiben ausreichend drucktechnisch hervorgehoben. In der Verbraucherinformation ist nur die Überschrift fettgedruckt, während sich der Text der Belehrung drucktechnisch nicht vom übrigen Schriftbild unterscheidet. Im Policenbegleitschreiben ist die Widerspruchsbelehrung noch nicht einmal durch eine fettgedruckte Überschrift h ervorgehoben. Auf die - ebenfalls nicht hervorgehobene - Belehrung im Antrag kommt es ohnehin nicht an.

Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ( IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die vorherige Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Juni 2015

Vorinstanz: AG Landsberg, vom 25.10.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 332/11
Vorinstanz: LG Augsburg, vom 26.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 42 S 4406/11