Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 21.07.2015

II ZR 163/15

Normen:
ZPO § 513 Abs. 1 1. Fall
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
ZPO § 546

BGH, Urteil vom 21.07.2015 - Aktenzeichen II ZR 163/15

DRsp Nr. 2015/17959

Anforderungen an die Berufungsbegründung im Zivilprozess; Stützung der Berufung auf dem Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf einer Rechtsverletzung

1. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit eines erstinstanzlichen Urteils ist lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus Sicht des Berufungsführers infrage stellen. 2. Einem mittelbar über einen Treuhänder beteiligten Gesellschafter, der aufgrund der Regelungen im Gesellschafts- und Treuhandvertrag im Innenverhältnis einem unmittelbaren Gesellschafter gleichgestellt ist, steht gegen jeden Mitgesellschafter, der die Auskunft unschwer erteilen kann, ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschriften der anderen Anleger zu.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 27. Mai 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 513 Abs. 1 1. Fall; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ; ZPO § 546 ;

Tatbestand

Die Klägerin ist über die beklagte Treuhänderin als Kommanditistin an einem Publikumsfonds beteiligt. Sie begehrt Auskunft über die Namen und Anschriften der weiteren Treugeber.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Auskunftsanspruch ergebe sich nicht aus § 716 BGB . Die Treugeber hätten sich weder zu einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen noch bildeten sie eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Klägerin sei keine "Quasi-Gesellschafterin", so dass ihr unter diesem Gesichtspunkt der Anspruch nicht zustehe. Auch aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag folge der Anspruch nicht.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin auszusprechen, dass die Berufung nicht unzulässig sei, und den Rechtstreit zur Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen und zur Begründung ausgeführt: Die Berufungsbegründung genüge insgesamt nicht den an sie gemäß § 520 Abs. 3 ZPO zu stellenden Anforderungen, da sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nicht näher eingehe, sondern sich auf formelhafte Wendungen und den Verweis auf andere Rechtsprechung beschränke.

II. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO , hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat, wenn die Berufung darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Fall 1, § 546 ZPO ), die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleiten. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus Sicht des Berufungsführers infrage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - II ZR 207/12, [...] Rn. 5; Beschluss vom 10. März 2015 - VI ZB 28/14, NJW 2015, 1458 Rn. 8, z.V.i. BGHZ vorgesehen, beide mwN). Enthält die Berufungsbegründung zu einem Streitpunkt eine § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn der bezeichnete Umstand geeignet ist, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - II ZR 207/12, [...] Rn. 5; Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 166/14, WM 2015, 1679 Rn. 12, beide mwN).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin. Die Klägerin hat die Umstände bezeichnet, aus denen sich aus ihrer Sicht die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergaben.

a) In der Berufungsbegründung wird ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund entsprechender Regelungen im Gesellschafts- und Treuhandvertrag den unmittelbaren Kommanditisten im Innenverhältnis gleichgestellt. Ergänzend wird auf den Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 2. Mai 2013 und die Anlagen B1 und K1 verwiesen. In dem in Bezug genommenen erstinstanzlichen Schriftsatz wird zur Gleichstellung der "treuhänderischen Kommanditisten" - womit ersichtlich die über die beklagte Treuhänderin beteiligten Anleger gemeint sind - mit den direkt beigetretenen Kommanditisten zunächst auf eine einheitliche "Beitrittserklärung" sowohl für "treuhänderische Kommanditisten" als auch direkt beigetretene Kommanditisten verwiesen (Anlage K1). Ferner wird angeführt, unstreitig heiße es im streitgegenständlichen Treuhandvertrag unter § 14) (Anlage B1), dass der Treugeber wirtschaftlich so behandelt werde, als sei er unmittelbar Kommanditist der Beteiligungsgesellschaft. Auch in weiteren Regelungen würden die "treuhänderischen Kommanditisten" den direkt beigegetretenen angeglichen. Die einzelnen Bestimmungen des Treuhandvertrags, denen eine solche Gleichstellung entnommen wird, werden dabei konkret bezeichnet. Daraus, so wird anschließend gefolgert, werde deutlich, dass die "treuhänderischen Kommanditisten" alle wesentlichen Gesellschaftsrechte eines direkt beigetretenen Kommanditisten innehätten. Man müsse vielmehr fragen, welches "Sonderrecht" ein direkt beigetretener Kommanditist gegenüber einem "treuhänderischen Kommanditisten" haben solle.

Die Berufungsbegründung fasst diese Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen sodann dahin zusammen, das Amtsgericht habe verkannt, dass durch die (weitgehende) Gleichstellung von Treugeberkommanditisten die Klägerin einen Auskunftsanspruch gegen die beklagte Treuhänderin habe, und zitiert anschließend auszugsweise aus einer Entscheidung des Senats (Beschluss vom 28. Mai 2013 - II ZR 207/12, [...] Rn. 8) in einem von der Berufungsbegründung als "praktisch identisch" bezeichneten Fall. In dem zitierten Auszug aus dem Beschluss des Senats vom 28. Mai 2013 wird unter Bezugnahme unter anderem auf das Senatsurteil vom 5. Februar 2013 ( II ZR 134/11, BGHZ 196, 131) ausgeführt, einem als mittelbaren Kommanditisten beteiligten Kläger stehe gegen die beklagte geschäftsführende Gesellschafterin ein Auskunftsanspruch über die Namen und Adressen aller weiteren Treugeberkommanditisten und direkt beigetretenen Kommanditisten der Fondsgesellschaft zu, wenn die Treugeberkommanditisten aufgrund entsprechender Regelungen im Gesellschafts- und Treuhandvertrag den unmittelbaren Kommanditisten im Innenverhältnis gleichgestellt seien.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlen danach in der Berufungsbegründung nicht gänzlich Ausführungen dazu, warum die Klägerin, anders als das Amtsgericht, die Fallgestaltungen für vergleichbar hält, namentlich, warum sie die Auffassung vertritt, sie habe eine einem unmittelbar beigetretenen Kommanditisten vergleichbare Rechtsstellung erworben.

Eine solche Rechtstellung leitet die Klägerin aus den im Einzelnen angeführten Regelungen des Treuhandvertrags und aus der für unmittelbare und mittelbare Kommanditisten identischen Beitrittserklärung her. Weiter sieht sie den vorliegenden Sachverhalt als identisch mit dem der zitierten Senatsentscheidung zugrundeliegenden an. Dass das Berufungsgericht die Fälle anders als die Berufungsbegründung ungleich gelagert sieht, ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung. Denn darauf, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind, kommt es nicht an. Dies ist allein eine Frage der Begründetheit der Berufung.

c) Das Amtsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung auch nicht auf mehrere, voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen, sondern lediglich hinsichtlich des einheitlichen Streitgegenstands auf verschiedene, von ihm verneinte Anspruchsgrundlagen gestützt. Deshalb war es nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ausreichend, dass die Klägerin ihren Auskunftsanspruch aus einer vom Amtsgericht verneinten Stellung als Quasi-Gesellschafterin abgeleitet wissen will. Dieser Berufungsangriff war geeignet, der amtsgerichtlichen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - II ZR 207/12, [...] Rn. 7).

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass in dem vom Senat entschiedenen und von der Berufungsbegründung herangezogenen Fall (Beschluss vom 28. Mai 2013 - II ZR 207/12, [...]) Anspruchsgegner nicht die Treuhandkommanditistin, sondern die geschäftsführende Gesellschafterin war. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats steht einem mittelbar über einen Treuhänder beteiligten Gesellschafter, der aufgrund der Regelungen im Gesellschafts- und Treuhandvertrag im Innenverhältnis einem unmittelbaren Gesellschafter gleichgestellt ist, gegen jeden Mitgesellschafter, der die Auskunft unschwer erteilen kann, ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschriften der anderen Anleger zu. Das gilt auch gegenüber einem das Anlegerregister führenden Treuhänder (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 9).

Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Verneinung einer QuasiGesellschafterstellung der Klägerin nicht allein anhand einer Auslegung des Treuhandvertrags begründet werden kann, sondern auch die Regelungen des Gesellschaftsvertrags herangezogen werden müssen. Auf eine Ergänzung des Tatsachenvortrags zum Inhalt des Gesellschaftsvertrags hätte bereits das Amtsgericht hinwirken müssen (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. Juli 2015

Vorinstanz: AG Dortmund, vom 23.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 433 C 10601/12
Vorinstanz: LG Dortmund, vom 27.05.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 199/13