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BFH - Entscheidung vom 18.06.2015

X B 20/15

Normen:
§ 115 FGO
§ 126 Abs 4 FGO
FGO § 126 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2015, 1418

BFH, Beschluss vom 18.06.2015 - Aktenzeichen X B 20/15

DRsp Nr. 2015/14653

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die steuerliche Berücksichtigung vorweg genommener Betriebsausgaben oder Werbungskosten in Bezug auf ein erst später gewerblich genutztes Grundstück Zulassung der Revision bei Vorliegen eines Zulassungsgrundes, aber im Ergebnis fehlende Erfolgsaussicht

NV: § 126 Abs. 4 FGO ist im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bei allen Zulassungsgründen entsprechend anzuwenden (Fortsetzung ständiger Rechtsprechung).

1. § 126 Abs. 4 FGO , wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist auch im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entsprechend anzuwenden. 2. Aufwendungen können nur dann als vorweg genommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden, wenn mit ihnen nicht nur irgend eine noch unsichere Einkommensquelle angestrebt wird, sondern eine klar erkennbare Beziehung zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart besteht. Hiervon kann nicht ausgegangen werden bei Aufwendungen für Grundstücke, deren gewerbliche Nutzung unklar ist.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 2014 2 K 2059/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Normenkette:

FGO § 126 Abs. 4 ; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie machen Verluste in Gestalt von Aufwendungen für Grundstücke geltend, die der Kläger zwischen 1981 und 2005 erworben hatte. In den Streitjahren wurden die Grundstücke weder betrieblich genutzt noch standen den Aufwendungen Einnahmen bzw. Erträge gegenüber. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob und in welcher Weise diese Grundstücke dazu dienten, Einkünfte zu erzielen. In Rede steht eine Freizeitanlage, der die fraglichen Grundstücke in Anspruch nähme.

Das Finanzgericht (FG) hat die Berücksichtigung der Aufwendungen unter den in Betracht kommenden Aspekten des gewerblichen Grundstückshandels, der Betriebsaufspaltung (Betrieb der Gondelbahn durch die Betriebsgesellschaft) und der privaten Vermögensverwaltung (mit dem Ziel etwa der Vermietung und Verpachtung) abgelehnt. Die Aufwendungen seien nicht durch einen Betrieb des Klägers veranlasst. Ein gewerblicher Grundstückshandel liege nicht vor, da eine Veräußerungsabsicht nicht feststellbar sei. Die Zuordnung zu einem künftigen Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sei nicht möglich, da eine diesbezügliche Gewinnerzielungsabsicht —mangels Veranlassungszusammenhangs mit einer bestimmten Einkunftsart— nicht festzustellen sei. Es sei angesichts der Umstände nicht ersichtlich, ob und wann es zu dem Betrieb kommen werde. Auch sei mittlerweile fraglich, ob ein etwaiges Betriebsunternehmen von dem Kläger beherrscht würde, nachdem der Kläger später selbst erklärt habe, die Anlage werde ein Fremder führen müssen. Es sei daher erst recht nicht absehbar, ob und ggf. wann künftige Erträge eines künftigen Besitzunternehmens die Verluste übersteigen könnten. Schließlich komme der Ansatz von Verlusten unter dem Gesichtspunkt der privaten Vermögensverwaltung nicht in Betracht, da auch dieser voraussetze, dass in absehbarer Zeit hieraus Einkünfte erzielt würden.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) geltend. Das FG gehe von dem abstrakten Rechtssatz aus, eine Gewinnerzielungsabsicht fehle bereits dann, wenn die Totalgewinnprognose objektiv negativ sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gelte aber der zweigliedrige Liebhabereibegriff (BFH-Urteil vom 12. September 2002 IV R 60/01, BFHE 200, 284 , BStBl II 2003, 85 ). Die Gewinnerzielungsabsicht fehle, wenn eine negative Totalgewinnprognose vorliege (objektives Merkmal) und zudem die Verluste vom Steuerpflichtigen aus privaten Gründen hingenommen würden (subjektives Merkmal).

Soweit das FG ausführe, der Kläger habe nach den Streitjahren angedeutet, es werde wohl nicht zur Betriebsaufspaltung kommen, sei dies nicht entscheidungserheblich. Für die Gewinnerzielungsabsicht komme es auf die Sicht des Streitjahres an (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405 , BStBl II 1984, 751 , und BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2000 VIII B 68/00, nicht veröffentlicht). Auch insoweit liege eine Divergenz vor, da das FG von dem abstrakten Rechtssatz ausgegangen sei, für die Gewinnerzielungsabsicht komme es auf die tatsächlichen späteren Umstände an.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) tritt der Beschwerde entgegen.

Das FG habe seine Entscheidung nicht auf fehlende Gewinnerzielungsabsicht, sondern darauf gestützt, dass eine einkommensteuerrelevante Tätigkeit nicht dargelegt, nicht nachgewiesen und damit nicht erkennbar sei. Daher habe es bereits am Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart gefehlt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Senat teilt allerdings nur bedingt die Beurteilung des FA, das FG habe seine Entscheidung nicht auf fehlende Gewinnerzielungsabsicht, sondern auf fehlenden Veranlassungszusammenhang gestützt. Das FG hat zwar einleitend formuliert, die Berücksichtigung von Betriebsausgaben setze die wirtschaftliche Veranlassung durch einen Betrieb des Klägers voraus. Es hat diese jedoch u.a. mit eingehenden Überlegungen zur Gewinnerzielungsabsicht verneint, insbesondere im Rahmen der Ausführungen zu einer etwaigen Betriebsaufspaltung. Das FG hat damit die Gesichtspunkte des Veranlassungszusammenhangs und der Gewinnerzielungsabsicht untrennbar miteinander verwoben, so dass der eine nicht ohne den anderen Bestand haben könnte.

2. Ob sich das FG im Rahmen dieser Überlegungen in Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt hat, ob ein etwaiger Widerspruch ferner auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG im Ergebnis entscheidungserheblich war, kann der Senat im Ergebnis dahinstehen lassen. Die Beschwerde bleibt in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO ohne Erfolg.

a) Nach § 126 Abs. 4 FGO ist eine Revision zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die Vorschrift ist im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entsprechend anzuwenden (vgl. dazu u.a. BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2008 X B 25/08, BFH/NV 2008, 1673 ; vom 12. Dezember 2011 VIII B 83/11, BFH/NV 2012, 726 ; vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987 ; vom 11. Dezember 2013 I B 174/12, BFH/NV 2014, 665 ; vom 25. Juni 2014 VII B 210/13, BFH/NV 2014, 1714 ; vom 18. November 2014 V B 54/14, BFH/NV 2015, 223 ; vom 6. Februar 2015 IX B 97/14, BFH/NV 2015, 821 ).

Der Senat folgt nicht den im Schrifttum hiergegen vorgetragenen Bedenken (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 116 Rz 56), denen zufolge die Revision bei Vorliegen eines Zulassungsgrundes ungeachtet der Erfolgsaussichten zuzulassen sei, andernfalls der Senat in Beschlussbesetzung über Rechtsfragen entschiede, die grundsätzlich der Vollsenat zu entscheiden habe. Steht bereits im Beschwerdeverfahren aufgrund der ihrerseits nicht mit zulässigen und begründeten Zulassungsrügen angegriffenen Feststellungen des FG zur Überzeugung des dort zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers fest, dass die Revision keine Erfolgsaussicht hat, so ist es bereits in den Maßstäben der einzelnen Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO angelegt, die Revision nicht zuzulassen. Über die Zulassungsgründe hat aber gerade dieser Spruchkörper zu befinden. Eine unzulässige Kompetenzverschiebung findet daher nicht statt.

Eine Rechtsfrage von etwaiger grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wäre in einem solchen Fall im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht klärungsfähig (zu diesem Aspekt ausdrücklich bereits der Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1673 ). Entsprechendes gilt für die Rechtsfortbildungsrevision i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 FGO , da sie ein Spezialfall der Grundsatzrevision ist. Bei der durch § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 FGO erfassten Divergenz beurteilt sich zwar grundsätzlich die Frage der Entscheidungserheblichkeit der abweichend beantworteten Rechtsfrage nach der Rechtsauffassung des FG. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 FGO muss aber die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH "erfordern". Eine Rechtsfrage, zu der im Revisionsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit außerhalb eines etwaigen obiter dictum überhaupt keine Aussagen möglich wären, verlangt eine Entscheidung des BFH im Allgemeininteresse nicht, und im Interesse der Beteiligten —einschließlich der Kosteninteressen— liegt die Durchführung eines Revisionsverfahrens und eine Entscheidung durch den BFH erst recht nicht, wenn das FG-Urteil ohnehin im Ergebnis richtig ist. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schließlich knüpfen zwar ebenfalls für die Frage, ob die Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift auf ihnen beruhen kann, an die Rechtsauffassung des FG an. Dieser Zulassungsgrund ist indes in erster Linie nicht von dem Allgemeininteresse, sondern dem Interesse der Beteiligten getragen, eine verfahrensrechtlich korrekte Grundlage für eine materiell-rechtlich richtige Entscheidung herbeizuführen. Bei Verfahrensfehlern, von denen bereits im Beschwerdeverfahren feststeht, dass sie sich auf die Entscheidung im Ergebnis nicht auswirken, ginge daher die Zulassung der Revision oder die Zurückverweisung nach § 116 Abs. 6 FGO über das Rechtsschutzbedürfnis des unterlegenen Beteiligten hinaus (ebenso im Ergebnis für diesen Zulassungsgrund Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 98). Damit gilt der Rechtsgedanke des § 126 Abs. 4 FGO im Rahmen aller Zulassungsgründe und kann allgemein im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Revision entsprechend angewandt werden.

b) Das FG-Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis eindeutig als zutreffend, so dass die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen ist. Auf Grundlage der nicht mit Zulassungsrügen angegriffenen Feststellungen des FG steht fest, dass die Klage ungeachtet etwaiger Überlegungen zur Gewinnerzielungsabsicht bereits wegen fehlenden Veranlassungszusammenhangs abzuweisen ist.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Aufwendungen als vorweggenommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden, wenn mit den Aufwendungen nicht nur irgendeine noch unsichere Einkommensquelle angestrebt wird, sondern eine klar erkennbare Beziehung zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart besteht. Es bedarf eines hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhangs mit späteren Einnahmen (vgl. grundlegend bereits BFH-Urteil vom 3. November 1961 VI 196/60 U, BFHE 74, 319 , BStBl III 1962, 123 ; weiter u.a. Urteile vom 13. Februar 2003 IV R 44/01, BFHE 201, 495 , BStBl II 2003, 698 ; vom 18. August 2010 X R 30/07, BFH/NV 2011, 215 ; vom 30. Oktober 2014 IV R 34/11, BFHE 247, 418 , BStBl II 2015, 380 ; vgl. auch Vorlagebeschlüsse vom 17. Juli 2014 VI R 2/12, BFHE 247, 25 , BFH/NV 2014, 1954 , und VI R 8/12, BFHE 247, 64 , BFH/NV 2014, 1970 , jeweils m.w.N.).

bb) Ein derartiger konkreter Zusammenhang fehlt. Im Streitfall steht noch nicht einmal fest, welche tatsächlichen Pläne der Kläger mit den fraglichen Grundstücken verfolgt, geschweige denn, welcher Einkunftsart etwaige mit den Grundstücken in Zusammenhang stehende Einnahmen zuzuordnen sein könnten. Das FG hat keine Feststellungen dazu treffen können, ob der Kläger die Grundstücke veräußern möchte, ob er sie selbst betrieblich nutzen oder dies einer Gesellschaft überlassen will, ob dies ggf. eine von ihm selbst mit der Folge der Betriebsaufspaltung oder von einem fremden Dritten beherrschte Gesellschaft wäre, oder wie er sonst die Grundstücke als Einkommensquelle zu erschließen beabsichtigt. Eine wahlweise, letztlich spekulative Zuordnung der Aufwendungen zu entweder dieser oder jener Einkunftsart, ohne dass auch nur feststünde, ob überhaupt jemals eine Einkunftsart verwirklicht werden wird, ermöglicht die Berücksichtigung als vorweggenommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO .

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Vorinstanz: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, vom 12.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 2059/13
Fundstellen
BFH/NV 2015, 1418