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BFH - Entscheidung vom 08.07.2015

XI B 5/15

Normen:
§ 14 Abs 4 Nr 1 UStG 2005
§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005
§ 96 FGO
UStG VZ 2005
UStG VZ 2006
EStG § 15 Abs. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2015, 1444

BFH, Beschluss vom 08.07.2015 - Aktenzeichen XI B 5/15

DRsp Nr. 2015/14656

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung einer Briefkastenfirma mangels grundsätzlicher Bedeutung

1. NV: Die Angabe einer Anschrift, an der keinerlei geschäftliche Aktivitäten des Leistenden stattgefunden haben, reicht für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht aus. 2. NV: Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, muss nachweisen, dass die entsprechende Leistung tatsächlich an ihn bewirkt worden ist.

Der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung scheidet aus, wenn der dort angegebene Sitz des Leistungserbringers tatsächlich nicht bestand. Die Angabe einer Anschrift, an der keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht nicht aus.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. November 2014 5 K 38/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

EStG § 15 Abs. 1 ;

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nahm in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. aus der Rechnung der Firma … GmbH (X-GmbH) vom 28. November 2005 und der Firma … GmbH (Y–GmbH) vom 14. Dezember 2006 den Vorsteuerabzug vor.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) versagte nach Durchführung einer Außenprüfung in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 30. Januar 2012 den Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen. Das FA nahm an, die X-GmbH sei eine "Briefkastenfirma", die tatsächlich nicht wirtschaftlich tätig gewesen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass die X-GmbH die abgerechneten Leistungen erbracht habe. Auch die Y-GmbH habe die abgerechneten Leistungen nicht erbracht; sie sei schon im November 2006 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte aus, die X-GmbH habe unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift keinen Geschäftssitz gehabt und unter dieser Anschrift keine Geschäftstätigkeit in irgendeiner Form ausgeübt. Es bestünden außerdem Zweifel, ob die X-GmbH die in Rechnung gestellten Leistungen erbracht habe. Ebenso habe die Y–GmbH keinen Sitz an der in der Rechnung genannten Adresse gehabt. Die Gesellschaft sei seit November 2006 gelöscht und ihr Gewerbe überdies unter einer anderen Anschrift angemeldet gewesen. Zudem bestünden hinsichtlich der Y-GmbH Zweifel, ob diese die abgerechneten Leistungen erbracht habe.

Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet; die geltend gemachten Zulassungsgründe wurden teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) zuzulassen.

a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 , Rz 21, m.w.N.). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366 ; vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686 ). Für die Annahme einer Divergenz reichen indes weder eine (angeblich) unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung noch eine (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch (angebliche) schlichte Subsumtionsfehler aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. März 2013 IX B 154/12, BFH/NV 2013, 1239 ; vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363 ).

b) Gemessen daran liegt im Streitfall keine Divergenz vor.

aa) Der Vortrag des Klägers, das FG habe hinsichtlich der X–GmbH den Rechtssatz aufgestellt, eine Büroserviceadresse reiche als Geschäftssitz nicht aus, trifft nicht zu. Das FG hat vielmehr unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH lediglich den (zutreffenden) abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der Vorsteuerabzug scheide aus, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz tatsächlich nicht bestanden habe. Die Angabe einer Anschrift, an der keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfänden, reiche nicht aus (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2015 V S 19/14, BFH/NV 2015, 866 , Rz 29, m.w.N.). Es hat sodann —für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO )— auf Seite 4 des Urteils festgestellt, dass die X-GmbH an der in der Rechnung angegebenen Anschrift keine Geschäftstätigkeit in irgendeiner Form ausgeübt habe. Dass das FG die seine Würdigung tragenden tatsächlichen Feststellungen teilweise in den Entscheidungsgründen getroffen hat, ist unschädlich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 XI R 35/12, BFHE 249,330, BFH/NV 2015, 1064 , Rz 26, m.w.N.).

bb) Soweit der Kläger weiter geltend macht, das FG weiche insoweit vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Mahagében und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C–142/11 (EU:C:2012:373, BFH/NV 2012, 1404 ) ab, als es den abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, dass der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trage, liegt ebenfalls keine Abweichung vor. Dieser Rechtssatz entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 23/13, BFHE 247, 480 , BStBl II 2015, 313 , Rz 18, m.w.N.) und gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls hinsichtlich der Frage, ob die Leistung bewirkt worden ist, weiter (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V S 1/14 (PKH), BFH/NV 2014, 917 , Rz 6).

Außerdem hat das FG gar keine Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast getroffen (vgl. zum Verhältnis von Feststellungslast und Sachverhaltsaufklärung BFH-Urteil vom 23. März 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297 , BStBl II 2011, 884 , m.w.N.); denn es war sowohl hinsichtlich der X-GmbH als auch hinsichtlich der Y-GmbH davon überzeugt, dass diese an den in den Rechnungen angegebenen Anschriften nicht ansässig waren, und hat bereits aus diesem Grund den Vorsteuerabzug versagt.

2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ) wurde nicht hinreichend dargelegt.

a) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. November 2008 XI B 17/08, BFH/NV 2009, 429 ; vom 2. April 2014 XI B 16/14, BFH/NV 2014, 1098 ). Dies setzt u.a. die Darlegung einer klärbaren Rechtsfrage voraus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. April 2014 XI B 128/13, BFH/NV 2014, 1224 , Rz 18; vom 17. April 2014 III B 9/13, BFH/NV 2014, 1226 , Rz 12). Zur Klärbarkeit der Rechtsfrage sind schlüssige und substantiierte Angaben zu machen, die umso genauer sein müssen, je weniger sich aus der Vorentscheidung ergibt, dass die Entscheidung von der Beantwortung der bezeichneten Rechtsfrage abhängt (BFH-Beschluss vom 22. November 2013 III B 35/12, BFH/NV 2014, 531 , Rz 18; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 181, 188).

b) Der Kläger macht insoweit zwar unter Berufung auf Rechtsprechung mehrerer Finanzgerichte sinngemäß geltend, es sei klärungsbedürftig, ob beim Vorsteuerabzug der Schutz des guten Glaubens nicht erst im Billigkeitsverfahren, sondern bereits im Festsetzungsverfahren zu erfolgen habe (vgl. dazu auch die BFH-Beschlüsse vom 16. April 2014 V B 48/13, BFH/NV 2014, 1243 ; vom 26. September 2014 XI S 14/14, BFH/NV 2015, 158 ; in BFH/NV 2015, 866 , sowie die Revisionsverfahren V R 17/14, XI R 22/14, V R 23/14, XI R 31/14 und V R 62/14).

Allerdings hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Rechtsfrage im Streitfall klärbar ist. Dazu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil das FG nicht festgestellt hat, dass der Kläger gutgläubig war (vgl. zur Nichtzulassung bei fehlender Klärbarkeit in diesem Zusammenhang auch BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2014 V B 19/14, BFH/NV 2015, 243 ; vom 19. Dezember 2014 XI B 12/14, BFH/NV 2015, 534 ; vom 20. Januar 2015 XI B 112/14, BFH/NV 2015, 537 ). Das FG hat vielmehr in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Rechnung der X-GmbH vom November 2005 von Herrn … (G) stammt und der Kläger sämtliche Zahlungen betreffend die X-GmbH und die Y-GmbH an G geleistet hat, obwohl G zu dieser Zeit nicht mehr Geschäftsführer der X-GmbH gewesen sei und in der Y-GmbH keine Funktion gehabt habe.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: Niedersächsisches Finanzgericht, vom 20.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 38/13
Fundstellen
BFH/NV 2015, 1444