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BFH - Entscheidung vom 30.09.2015

I R 77/13

Normen:
§ 21 Abs 1 S 2 UmwStG 2006
§ 20 UmwStG 1995
§ 40 Abs 2 FGO
§ 20 UmwStG 2002
§ 20 Abs 2 UmwStG 2006
UmwStG § 20

BFH, Urteil vom 30.09.2015 - Aktenzeichen I R 77/13

DRsp Nr. 2016/7910

Zulässigkeit der Klage der aufnehmenden Kapitalgesellschaft wegen der steuerlichen Bewertung eines eingebrachten (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils

NV: Die Senatsrechtsprechung, der zufolge bei einer Einbringung nach § 20 UmwStG 1995/2002 die aufnehmende Kapitalgesellschaft mangels Beschwer nicht durch Anfechtungsklage geltend machen kann, die ihrer Steuerfestsetzung zu Grunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101 , BStBl II 2012, 421 ), ist auch auf den Anteilstausch nach § 21 UmwStG 2006 anzuwenden.

Die aufnehmende Kapitalgesellschaft kann im Fall der Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteils i.S. des § 20 UmwStG 1995/2002 nicht durch Anfechtungsklage geltend machen, die ihrer Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (BFH- I R 79/10 - 08.06.2011; BFH - I R 2/11 - 25.04.2012; BFH - I B 168/13 - 06.02.2014).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 22. Oktober 2013 6 K 3548/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

UmwStG § 20 ;

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Geschäftsanteile ursprünglich allein von der V–KG gehalten wurden. V, der im Streitjahr (2008) zu 81,55 v.H. als Kommanditist an der V–KG beteiligt war, hielt außerdem 100 v.H. der Stamm- und Vorzugsaktien an der V–Inc., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA. Nach einem Wertgutachten wies die Bilanz der V–Inc. zum 31. Dezember 2007 ein bilanzielles Eigenkapital in Höhe von 4.164.876 US–$ (umgerechnet 2.665.520 €) aus. Nach dem Gutachten entsprach dieser Wert dem Substanzwert der V–Inc. zum 5. August 2008. Steuerlich wurden die von V gehaltenen Aktien als dessen Sonderbetriebsvermögen bei der V–KG behandelt und mit dem Buchwert von 1 € angesetzt. Mit Beschluss vom 4. August 2008 erhöhte die Gesellschafterversammlung das Stammkapital der Klägerin um 469.000 €. Den neuen Geschäftsanteil von nominal 469.000 € übernahm V. Er brachte dafür am 4. August 2008 alle Aktien der V–Inc. durch Abtretung in die Klägerin ein.

In ihrem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2008 wies die Klägerin auf der Aktivseite als Anlagevermögen Finanzanlagen in Höhe von 22.024.797,97 € aus. Unter "B. Erläuterung des Jahresabschlusses III." gliederte sie die Bilanzposition Finanzanlagen näher auf. Daraus geht hervor, dass sie die Beteiligung an der V–Inc. mit Anschaffungskosten von 2.692.447 € angesetzt hat. Den die Stammeinlage von 469.000 € übersteigenden Differenzbetrag stellte sie in die Kapitalrücklage ein. Diesen Jahresabschluss fügte die Klägerin ihrer Steuererklärung für das Streitjahr bei, die am 25. Mai 2009 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) einging. Mit dem Jahresabschluss reichte sie eine "Überleitungsrechnung zur Steuerbilanz hinsichtlich der Mehr-Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen vor Formwechsel" sowie eine Anlage "Korrektur nach § 60 (2) EStDV " ein. Das FA setzte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung eine Körperschaftsteuer in Höhe von 0 € fest.

Im Verlauf der sich anschließenden Außenprüfung entstand Streit darüber, inwiefern die Klägerin das Wahlrecht der übernehmenden Kapitalgesellschaft zur Buchwertfortführung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 ( UmwStG 2006) ausgeübt hat. Mit Schreiben vom 24. März 2010 legte die Klägerin dem FA daraufhin eine Steuerbilanz zum 31. Dezember 2008 vor, aus der eine Fortführung des Buchwerts der Anteile an der V–Inc. im Betrag von 1 € hervorgeht. Der Prüfer und nachfolgend das FA blieben demgegenüber bei ihrer Auffassung, die Klägerin habe das Wahlrecht zur Buchwertfortführung nicht in der Frist des § 21 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 ausgeübt. Mangels Vornahme von Abschreibungen auf die Beteiligung an der V–Inc. blieb dieser Streit jedoch ohne Auswirkungen auf die Höhe der für das Streitjahr festzusetzenden Körperschaftsteuer. Aus anderen Gründen änderte das FA im Anschluss an die Außenprüfung den Körperschaftsteuerbescheid und setzte die Körperschaftsteuer auf nunmehr 37.326 € fest.

Mit ihren vom Finanzgericht (FG) München gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen gegen jenen Änderungsbescheid haben die Klägerin und die V–KG geltend gemacht, die Klägerin habe das Bewertungswahlrecht hinsichtlich der eingebrachten Anteile an der V–Inc. mit Vorlage der Steuerbilanz am 24. März 2010 rechtzeitig zugunsten des Buchwertansatzes ausgeübt. Bei dem mit der Steuererklärung zuvor eingereichten Jahresabschluss für 2008 habe es sich noch nicht um die "steuerliche Schlussbilanz" i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 gehandelt. Sie haben vor dem FG übereinstimmend beantragt,

1. den die Klägerin betreffenden Körperschaftsteuerbescheid 2008 dergestalt abzuändern, dass die Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag in der Höhe festgesetzt wird, die sich ergibt, wenn die Anteile der Klägerin an der V–Inc. mit dem Buchwert von 1 € angesetzt werden,

2. hilfsweise, festzustellen, dass die Klägerin den Antrag zum Ansatz des Buchwerts nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 wirksam und fristgerecht gestellt hat und daher vom Ansatz eines Buchwerts der Beteiligung an der V–Inc. in Höhe von 1 € auszugehen ist.

Das FG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Oktober 2013 6 K 3548/12, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 235 ), wobei es sie im Hauptantrag (Ziff. 1) als unzulässig und im Hilfsantrag (Ziff. 2) als unbegründet angesehen hat.

Gegen das FG-Urteil haben die Klägerin und die V–KG Revision eingelegt. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 30. September 2015 I R 77/13 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO das Verfahren betreffend die V–KG (nunmehr I R 69/15) abgetrennt.

Die Klägerin beantragt,

1. das FG-Urteil "und die jeweils ... ergangenen Einspruchsentscheidungen" des FA aufzuheben,

"2. Für den Veranlagungszeitraum 2008 der Besteuerung der Klägerin ... mit Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag als Wert der zum 04.08.2008 von V aus dem Sonderbetriebsvermögen der V–KG in die Klägerin ... eingebrachten Beteiligung an der V–Inc. denjenigen Wert zu Grunde zu legen, welcher sich bei Antrag auf Ansatz des Buchwerts nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG 2006 ergibt (Betrag: EUR 1,00) und die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag für 2008 der Klägerin ... entsprechend festzusetzen, bzw. das Finanzamt hierzu zu verpflichten (Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO ).

3. Hilfsweise: Festzustellen, dass im Steuerrechtsverhältnis zwischen der V–KG und dem FA sowie der Klägerin ... und dem FA im Rahmen der Einbringung der Beteiligung an der V–Inc. durch V aus dem Sonderbetriebsvermögen der V–KG in die Klägerin ... der Antrag zum Ansatz des Buchwerts nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG 2006 wirksam und fristgerecht gestellt wurde und dass daher vom Buchwertansatz der Beteiligung an der V–Inc. bei der Klägerin ... auszugehen ist (Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO )."

II. Der Senat versteht die gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren umformulierten Hauptanträge der Klägerin (Revisionsanträge Nr. 1 und 2) in rechtsschutzorientierter Auslegung dahin, dass sie trotz ausdrücklicher Erwähnung nur (noch) der Einspruchsentscheidungen des FA weiterhin auf eine Änderung der angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt jener Einspruchsentscheidungen gerichtet sind. Des Weiteren versteht der Senat die Bezeichnung im Revisionsantrag Nr. 2 "Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO " nicht dahin, dass die Klägerin damit ihre bisherige Anfechtungsklage um eine Verpflichtungsklage hat erweitern wollen. Denn dabei würde es sich um eine im Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 FGO unzulässige Klageänderung handeln.

III.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Diese ist unzulässig.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats zum Umwandlungssteuergesetz 1995, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, kann im Fall der Einbringung eines (Teil–)Betriebs oder Mitunternehmeranteils i.S. des § 20 UmwStG 1995/ 2002 die aufnehmende Kapitalgesellschaft mangels Beschwer nicht durch Anfechtungsklage geltend machen, die ihrer Steuerfestsetzung zu Grunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (Senatsurteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101 , BStBl II 2012, 421 ; vom 25. April 2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649 ; Senatsbeschluss vom 6. Februar 2014 I B 168/13, BFH/NV 2014, 921 ; vgl. auch [zur Verschmelzung] Senatsurteil vom 21. Oktober 2014 I R 1/13, BFH/NV 2015, 690 ). Diese Rechtsprechung ist wegen der im Wesentlichen gleichen Ausgangslage auch auf die im Umwandlungssteuergesetz 2006 geregelten Einbringungstatbestände, also auch auf den hier einschlägigen Fall des Anteilstauschs nach § 21 UmwStG 2006, anzuwenden. Weder die Klägerin noch das FG —welches im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage die Revision zugelassen hat— haben sachliche Gesichtspunkte angeführt, die es angezeigt erscheinen lassen könnten, die Grundsätze der Senatsrechtsprechung nicht auf das Umwandlungssteuergesetz 2006 zu übertragen. Auch der Senat erkennt derartige Gründe nicht.

Da sich der im Streitfall geltend gemachte zu hohe Wertansatz der eingebrachten Aktien für die Besteuerung der Klägerin nicht nachteilig auswirkt, hat ihr die Vorinstanz danach zu Recht insoweit die erforderliche Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO ) für die erhobene Anfechtungsklage abgesprochen. Die Revision hat dagegen nichts vorgebracht. Des Weiteren hat das FG zutreffend angenommen, dass die Klägerin keine Einwendungen gegen die Höhe der mit dem angefochtenen Änderungsbescheid festgesetzten Körperschaftsteuer erhoben hat und ihre Anfechtungsklage somit insgesamt unzulässig ist.

2. Nicht zutreffend ist hingegen die Annahme des FG, die Klage sei hinsichtlich des Hilfsantrags (Revisionsantrag Nr. 3) zulässig. Es fehlt vielmehr an dem nach § 41 Abs. 1 FGO erforderlichen berechtigten Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Da dem Einbringenden ein eigenes Anfechtungsrecht gegen die Steuerfestsetzung der übernehmenden Kapitalgesellschaft zusteht (Senatsurteile in BFHE 234, 101 , BStBl II 2012, 421 ; in BFH/NV 2012, 1649 ; Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 921 ), besteht daneben kein Feststellungsinteresse der aufnehmenden Gesellschaft (Senatsurteil in BFHE 234, 101 , BStBl II 2012, 421 ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 22.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 3548/12