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BFH - Entscheidung vom 04.03.2015

IV R 30/12

Normen:
§ 7g Abs 1 S 2 Nr 2 EStG 2002 vom 14.08.2007
EStG VZ 2008
EStG § 7g Abs. 1 S. 1

BFH, Urteil vom 04.03.2015 - Aktenzeichen IV R 30/12

DRsp Nr. 2015/9283

Voraussetzungen der Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrages zu Gunsten eines noch in Gründung befindlichen Betriebes

NV: Im zeitlichen Anwendungsbereich des § 7g EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912 ) setzt der Nachweis der Investitionsabsicht auch bei noch in Gründung befindlichen Betrieben zwar keine verbindliche Bestellung des anzuschaffenden Wirtschaftsguts noch im Wirtschaftsjahr der Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags voraus. An die Feststellung der Investitionsabsicht sind jedoch strenge Maßstäbe zu legen (Anschluss an BFH-Urteil vom 20. Juni 2012 X R 42/11, BFHE 237, 377 , BStBl II 2013, 719 ).

1. § 7g EStG ist auch zu Gunsten noch in Gründung befindlicher Betriebe anwendbar. 2. An den dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweis sind allerdings bei in Gründung befindlichen Betrieben strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist der Nachweis, dass der Steuerpflichtige bereits in dem Jahr, für das er den Abzugsbetrag geltend macht, ernsthaft und endgültig zur Anschaffung des Investitionsguts entschlossen war. Zum Nachweis reicht die schlichte Behauptung des Steuerpflichtigen nicht aus. Auch die Gründung einer Gesellschaft (hier: zum Zweck der Investition in eine Biogasanlage) und die Einholung von unverbindlichen Angeboten sowie Kostenvoranschlägen oder die Teilnahme an Informationsveranstaltungen reichen in der Regel nicht aus, um die erforderliche Investitionsabsicht nachzuweisen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. März 2012 14 K 164/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

EStG § 7g Abs. 1 S. 1;

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde 2002 unter dem Namen "X-GmbH & Co. KG" als Vorratsgesellschaft gegründet. Gegenstand des Unternehmens war der An- und Verkauf sowie die Verpachtung von Grundstücken. Komplementärin war die Y-GmbH. Kommanditist war der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 500 €. Im Dezember 2006 wurden das Kommanditkapital auf 300.000 € erhöht und der Zweck der Gesellschaft auf das Betreiben und die Errichtung einer Biogasanlage erweitert. Ausweislich der Handelsregistereintragung vom … 2009 schied die bisherige Komplementärin später aus der Gesellschaft aus, und die Z-GmbH, trat als Komplementärin ein. Zugleich wurde die Einlage des bisherigen Kommanditisten auf 75.000 € herabgesetzt; neuer Kommanditist mit einer Einlage in Höhe von 225.000 € wurde Herr A. Der Name der Gesellschaft wurde in den jetzigen Namen der Klägerin geändert.

In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr (2008) wies die Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 200.000 € aus. Dieser beruhte auf der Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912 ) —EStG— (40 % der voraussichtlichen Herstellungskosten einer Biogasanlage in Höhe von 500.000 €).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags als nicht erfüllt an, da die Klägerin für die beabsichtigte Herstellung einer Biogasanlage im Streitjahr noch keinen Bauantrag gestellt habe. Das FA stellte daher mit Bescheid für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) vom 20. Dezember 2010 Einkünfte der Klägerin in Höhe von 0 € fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7g EStG .

Sie beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 15. März 2012 14 K 164/11 und die Einspruchsentscheidung vom 28. April 2011 aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid für 2008 vom 20. Dezember 2010 dahin zu ändern, dass ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 200.000 € festgestellt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). In revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass sie im Streitjahr zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags nach § 7g EStG berechtigt war.

1. Nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag). Voraussetzung ist u.a., dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG ). Bei Personengesellschaften wie der Klägerin ist § 7g EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft tritt (§ 7g Abs. 7 EStG ).

a) Bei der Prüfung der Frage, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen, hält es der Senat auch im zeitlichen Anwendungsbereich des § 7g EStG in seiner für das Streitjahr geltenden Fassung für erforderlich, in den Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung strenge Maßstäbe anzulegen (Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 20. Juni 2012 X R 42/11, BFHE 237, 377 , BStBl II 2013, 719 ; ebenso BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 37/11, BFH/NV 2013, 351 ).

aa) Wie bereits § 7g EStG in seiner bis 2007 geltenden Fassung ist auch § 7g EStG in seiner im Streitjahr und insoweit bis heute geltenden Fassung zugunsten noch in Gründung befindlicher Betriebe anwendbar. Der Gesetzeszweck —die Förderung der Liquidität, Eigenkapitalbildung, Investitions- und Innovationskraft kleiner und mittlerer Betriebe (BTDrucks 16/4841, S. 51)— schließt in Gründung befindliche Betriebe in mindestens gleichem Maße ein wie bereits etablierte Unternehmen (BFH-Urteil in BFHE 237, 377 , BStBl II 2013, 719 , Rz 20). Nicht mehr zwingend bedarf es für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung der verbindlichen Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Denn die jetzt vom Gesetz ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal gemachte Investitionsabsicht kann auch durch andere geeignete (und objektiv belegbare) Indizien nachgewiesen werden (Anschluss an BFH-Urteil in BFHE 237, 377 , BStBl II 2013, 719 , Rz 28 ff.; ebenso BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 351 ; so jetzt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Mai 2009 i.d.F. vom 20. November 2013 IV C 6 –S 2139-b/07/10002, 2013/1044077, BStBl I 2013, 1493 , Rz 29).

An den dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweis sind allerdings bei in Gründung befindlichen Betrieben strenge Anforderungen zu stellen. Die besondere Situation, die der Steuerpflichtige durch die Geltendmachung einer Investitionsförderung für einen bisher nicht existierenden Betrieb schafft, rechtfertigt und gebietet es, im jeweiligen Einzelfall konkret zu prüfen, ob er die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG aufgestellte Voraussetzung erfüllt, also beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich innerhalb der drei folgenden Wirtschaftsjahre anzuschaffen oder herzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 377 , BStBl II 2013, 719 , Rz 23). Erforderlich ist insoweit der Nachweis, dass der Steuerpflichtige bereits in dem Jahr, für den er den Abzugsbetrag geltend macht, ernsthaft und endgültig zur Anschaffung des Investitionsguts entschlossen war. Wenn hierfür —wie die Klägerin meint— die schlichte Behauptung des Steuerpflichtigen genügte, wäre dies in Wahrheit die mit dem Zweck des § 7g EStG nicht zu vereinbarende Steuerminderung nach Gutdünken (so bereits BFH-Beschluss vom 2. September 2014 X B 10/14, BFH/NV 2015, 190 ).

bb) Danach war die Investitionsabsicht im Streitfall konkret zu prüfen, denn die Eröffnung des Betriebs der Klägerin war im Streitjahr noch nicht abgeschlossen. Allein die Gründung einer Gesellschaft zum Zweck der Investition in eine Biogasanlage reicht für die Eröffnung des Betriebs einer solchen Anlage nicht aus.

Auch die Einholung von unverbindlichen Angeboten sowie Kostenvoranschlägen oder die Teilnahme an Informationsveranstaltungen reichen in der Regel nicht aus, um die erforderliche Investitionsabsicht nachzuweisen. Aus einem derartigen —für den Steuerpflichtigen in der Regel kostenfreien und risikolosen— Erkundungsverhalten lässt sich regelmäßig noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Schluss auf eine vorhandene Investitionsabsicht ableiten.

cc) Bei der Prüfung der Investitionsabsicht ist jedoch eine begrenzte Berücksichtigung der künftigen Entwicklung zulässig. Auch wenn die Prognoseentscheidung grundsätzlich aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtags bzw. des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen ist, ist ein solches Vorgehen zulässig, wenn allein die bis zum Stichtag offen zutage getretenen äußeren Umstände für eine sichere Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens innerer Tatsachen noch nicht ausreichen. Daher kann der Nachweis der Investitionsabsicht als geführt angesehen werden, wenn in dem Jahr, für das der Investitionsabzug vorgenommen wird, bereits konkrete Verhandlungen über den Erwerb der wesentlichen Betriebsgrundlagen geführt werden, die dann nach dem Ende dieses Wirtschaftsjahres —ggf. über weitere Zwischenschritte, deren zeitlicher Abstand den bei ernsthaft geplanten Investitionen üblichen Rahmen nicht wesentlich überschreitet— tatsächlich in die verbindliche Investitionsentscheidung münden.

b) Nach den dargelegten Grundsätzen ist das angegriffene Urteil revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

aa) Zu Unrecht geht das FG zwar zunächst davon aus, dass der Nachweis der Investitionsabsicht bei einer noch nicht abgeschlossenen Betriebseröffnung, wie sie im Streitfall vorliegt, nur durch die verbindliche Bestellung der Wirtschaftsgüter, für die ein Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird, erbracht werden könne. Es hat die Klage aber nicht nur mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin die Investitionsabsicht im Streitjahr nicht nachgewiesen habe, weil sie die Biogasanlage, für die sie den Investitionsabzugsbetrag begehrt, im Streitjahr noch nicht verbindlich bestellt habe. Selbständig tragend hat das FG die Abweisung der Klage vielmehr auch damit begründet, dass gegen eine bereits im Streitjahr vorhandene Investitionsabsicht der Klägerin auch die Tatsache spreche, dass die (im erstinstanzlichen Verfahren) vorgelegten Planungsunterlagen noch im Dezember 2008 den Landwirt A und nicht die Klägerin ausweisen. Die Klägerin habe zum maßgeblichen Bilanzstichtag lediglich ein Angebot der B AG vom 30. Dezember 2008 über die Lieferung und Montage einer Biogasanlage eingeholt. Die eigentliche Bestellung im Folgejahr sei auch nicht auf der Basis dieses Angebots, sondern aufgrund eines Angebots der Firma C erfolgt. Unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls —und insoweit unter Berücksichtigung der unter II.1.a aufgeführten Rechtsgrundsätze— ist das FG damit zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis, die Anschaffung der Biogasanlage bereits im Streitjahr beabsichtigt zu haben, nicht geführt hat, weil sie die Biogasanlage im Streitjahr nicht verbindlich bestellt habe und sich auch aus den vorgelegten Unterlagen, die lediglich A, nicht aber die Klägerin ausweisen, nicht ergebe, dass die Klägerin die Anschaffung der Biogasanlage im Streitjahr beabsichtigt habe.

bb) Diese Würdigung des FG ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716 , m.w.N.).

(1) Die Gehörsrüge der Klägerin greift nicht durch. Dies folgt schon daraus, dass diese Verfahrensrüge unzureichendes rechtliches Gehör für den Rügenden selbst und nicht für den Verfahrensgegner voraussetzt, aber nicht die Klägerin, sondern das FA vor dem FG die Vernehmung des Verfassers des Schreibens der B AG vom 30. Dezember 2008 als Zeugen beantragt hat. Zudem kam es nach der insoweit maßgeblichen Sicht des FG auf die Ermittlung, "unter welchen Umständen es zu diesem Angebot ... gekommen ist", und auf die Frage, "wer das Angebot in Auftrag gegeben hat und welche Unterlagen und Planungsdaten zur Angebotserstellung vorgelegen haben", nicht an. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, weshalb es der Klägerin nicht möglich war, diese ihrer Ansicht nach entscheidungserheblichen Angaben selbst vorzutragen, obwohl es sich bei dem Angebot der B AG gerade um ein ihr unterbreitetes Angebot handeln soll.

(2) Soweit die Klägerin die Tatsache, dass die vorgelegten Unterlagen allein A und nicht sie als Antragsteller, als die Vereinbarung Unterzeichnenden oder als Unternehmer ausweisen, damit zu begründen versucht, dass "der Bauantrag für den Bau einer privilegierten Biogasanlage im Außenbereich unabhängig von der Rechtsform immer von dem an der Rechtsform der Biogas mehrheitlich beteiligten Landwirt gestellt werden muss", übersieht sie —ungeachtet der Richtigkeit ihrer Behauptung—, dass es sich bei den vorgelegten Unterlagen nicht allein um Bauantragsunterlagen handelt. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, dem Handelsregister sei am 18. Dezember 2008 u.a. mitgeteilt worden, dass A einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin sei, zwingend, dass A die vorgelegten Unterlagen nicht im eigenen Namen, sondern gerade als Vertreter der Klägerin unterzeichnet hat.

(3) Soweit die Klägerin nunmehr vorträgt, dass die Firma C und die B AG zusammen gehören und dass sie —die Klägerin— im Dezember 2008 bereits mit Planungskosten belastet gewesen sei, handelt es sich um die Behauptung von Tatsachen, die —selbst wenn sie zutreffen sollten— vom FG nicht festgestellt worden sind und mangels darauf bezogener durchgreifender Verfahrensrügen vom BFH daher nicht berücksichtigt werden können.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: Niedersächsisches Finanzgericht, vom 15.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 14 K 164/11