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BFH - Entscheidung vom 29.07.2015

X R 11/13

Normen:
EStG § 10a, § 79 Satz 2
GG Art. 3
SGB VI § 68, § 255e
EStG § 10a
EStG § 79 S. 2
GG Art. 3
SGB VI § 68
SGB VI § 255e

Fundstellen:
BFHE 250, 531

BFH, Urteil vom 29.07.2015 - Aktenzeichen X R 11/13

DRsp Nr. 2015/18990

Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgebeiträgen

1. Ein Steuerpflichtiger ist nicht berechtigt, seine Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben gemäß § 10a EStG abzuziehen, wenn er nicht mehr "aktiv", sondern lediglich in früheren Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen ist. 2. Eine Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug ergibt sich ebenfalls nicht aus einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk. 3. Die Abzugsberechtigung gemäß § 10a EStG ist auch nicht daraus abzuleiten, dass der Steuerpflichtige über seinen Ehegatten gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat. 4. Die Nichtgewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 5. März 2012 7 K 2772/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Normenkette:

EStG § 10a , § 79 Satz 2; GG Art. 3 ; SGB VI § 68 , § 255e;

Gründe

I.

Die verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben zwei Kinder und wurden in den Streitjahren 2006 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war in den Streitjahren als Arbeitnehmerin bei der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ist nach Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VI ) seit dem 1. Januar 2000 Mitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Versorgungswerk). In den Jahren 1976 bis 1999 war er in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Die in dieser Zeit erworbenen Rentenanwartschaften des Klägers würden (Stand September 2009) einer monatlichen Rente von rd. 815 € entsprechen.

Die Kläger schlossen im Jahr 2005 jeweils im eigenen Namen einen Altersvorsorgevertrag zum Aufbau einer sog. Riesterrente ab. Aus den dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) vorgelegten Bescheinigungen nach § 10a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung ( EStG ) ergibt sich, dass im Jahr 2006 auf den Vertrag des Klägers keine und auf den Vertrag der Klägerin Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.272 € geleistet wurden. Die Kläger erhielten für das Beitragsjahr 2006 Altersvorsorgezulagen in Höhe von insgesamt 504 €. Dabei wurden dem Altersvorsorgevertrag des Klägers die Grundzulage in Höhe von 114 € sowie aufgrund des gemeinsamen Antrags mit der Klägerin zwei Kinderzulagen in Höhe von jeweils 138 € gutgeschrieben, die Klägerin erhielt die Grundzulage in Höhe von 114 €. Im Streitjahr 2009 leistete der Kläger auf seinen Altersvorsorgevertrag Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.946 €, während auf den Vertrag der Klägerin Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.456 € eingezahlt wurden. Die Kläger erhielten für das Beitragsjahr 2009 Altersvorsorgezulagen in Höhe von insgesamt 678 €.

Bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2006 und 2009 berücksichtigte das FA lediglich für die Klägerin einen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG , den es wie folgt berechnete: 
Beitragsjahre  2006   2009  
geleistete Altersvorsorgebeiträge    1.272 €    3.402 € 
zuzüglich Altersvorsorgezulage  504 €  678 € 
Summe  1.776 €  4.080 € 
davon abzugsfähig  1.575 €  2.100 € 
Differenz  201 €  1.980 € 

Mit ihren Einsprüchen gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2009 beanspruchten die Kläger —erfolglos— für den Kläger einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 201 € für 2006 und in Höhe von 1.980 € für 2009. Auch ihre Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied in dem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2014, 270 veröffentlichten Urteil, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG gehöre der Kläger nicht zu der von dieser Regelung begünstigten Personengruppe. Die Nichteinbeziehung des Klägers in den Kreis der Begünstigten verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz.

Die Kläger begründen ihre Revision damit, sowohl das FA als auch das FG hätten § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG fehlerhaft ausgelegt. Der Wortlaut des § 10a Abs. 1 EStG differenziere nicht zwischen Pflichtversicherten im jeweiligen Veranlagungszeitraum und Personen, welche in früheren Jahren Pflichtversicherte gewesen seien. Der Gesetzgeber habe eine begriffliche Unterscheidung zwischen "aktiv" und "passiv" Versicherten weder in der Gesetzesbegründung noch im Gesetzeswortlaut vorgenommen. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung habe in seinem Bericht zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz —AVmG—) vom 25. Januar 2001 (BTDrucks 14/5150, 35) vielmehr erklärt, es handele sich bei den explizit genannten Gruppen um Personengruppen, bei denen zur Stabilisierung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung das Rentenniveau geringfügig abgesenkt werde und für die ein Anreiz geschaffen werden solle, zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung eine freiwillige kapitalgedeckte private Rentenversicherung aufzubauen. Nicht begünstigt sei folglich, wer von der Senkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung wirtschaftlich nicht betroffen sei.

Der Kläger sei trotz seiner seit 2000 bestehenden Zugehörigkeit zum Versorgungswerk von den Eingriffen durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögens-Ergänzungsgesetz —AVmEG—) vom 21. März 2001 (BGBl I 2001, 403 ) wirtschaftlich betroffen, da er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung seit dem Jahr 1976 nicht unwesentliche Entgeltpunkte und damit Rentenansprüche erworben habe. Werde § 10a EStG so wie vom FG und FA ausgelegt, führe die Nichtgewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, da der Kläger als "passiv" Pflichtversicherter in der gesetzlichen Rentenversicherung (wie auch alle freiwillig Versicherten) ebenso wie die Gruppe der "aktiv" Pflichtversicherten von der Absenkung des Rentenniveaus durch das AVmG sowie das AVmEG zukünftig betroffen sei.

Mit dem AVmEG sei die Rentenanpassungsformel insbesondere durch § 68 i.V.m. § 255e SGB VI dahingehend geändert worden, dass für die Ermittlung des aktuellen Rentenwerts ab dem 1. Juli 2001 u.a. ein Altersvorsorgeanteil (AVA) eingefügt worden sei. Dieser AVA werde angewendet, um eine Dämpfung der jährlichen Rentenanpassung zu erreichen und solle nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu einem langsameren Anstieg des "aktuellen Rentenwerts" führen. Die Änderung wirke auf alle Entgeltpunkte, die zur Berechnung der späteren Altersrente herangezogen würden (§§ 64 ff. SGB VI ), egal ob es sich dabei um Entgeltpunkte aus einer Pflichtmitgliedschaft oder aus einer freiwilligen Mitgliedschaft handele und unabhängig davon, ob die Entgeltpunkte bereits vor oder erst nach Einführung des § 10a EStG durch das AVmG angesammelt worden seien. Selbst wenn der AVA keine unmittelbare Wirkung innerhalb der Rentenanpassungsformel mehr entfalten könne, weil er ab dem Jahr 2013 bei 4 % eingefroren worden sei, sei durch die verminderte Rentendynamik ein empfindlicher Basiseffekt eingetreten, der alle Entgeltpunkte betreffe. Folglich definiere sich der Personenkreis, der durch das AVmEG und das AVmG ab dem Veranlagungszeitraum 2002 wirtschaftlich von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen sei, aus der Gesamtheit der Versicherten bei der gesetzlichen Rentenversicherung.

Als problematisch im Hinblick auf den Gleichheitssatz sehen die Kläger den Ausschluss von Pflichtversicherten eines berufsständischen Versorgungswerks aus dem Kreis der Begünstigten des § 10a EStG im Hinblick auf die Änderungen durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BStBl I 2004, 554 ) an. Seitdem seien die Beitragsleistungen an berufsständische Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbrächten, mit Beitragsleistungen in die gesetzliche Rentenversicherung auf eine Stufe gestellt worden. Das Versorgungswerk des Klägers erbringe derartige Leistungen; es erhebe bei den (Pflicht–) Mitgliedern Pflichtbeiträge in Höhe des jeweils geltenden Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung. Berufsständische Versorgungseinrichtungen unterschieden sich von der gesetzlichen Rentenversicherung zwar dadurch, dass sie nach dem Kapitaldeckungs- und nicht nach dem Umlageverfahren arbeiteten und keine staatlichen Zuschüsse und Transferleistungen erhielten sowie dadurch, dass kein AVA in ihre Rentenberechnungen eingefügt worden sei. Dennoch sei eine hinreichende Vergleichbarkeit gegeben. Die Versorgungswerke seien ebenso von den Auswirkungen des demographischen Wandels betroffen wie die gesetzlichen Rentenversicherungen, so dass auch von ihren Mitgliedern erwartet werde, zusätzlich für den Ruhestand vorzusorgen.

Ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes ( GG ) liege auch darin, dass in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige, die einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlägen, die der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sei, ebenfalls den zusätzlichen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG erhielten. Obwohl diese Personengruppe keine Absenkung des Rentenniveaus durch den AVA hinnehmen müsse, komme sie dennoch in den Genuss der Steuervergünstigung. Zwar sei § 10a Abs. 1 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8. April 2010 —StEUVUmsG— (BGBl I 2010, 386 ) aufgrund einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 dahingehend eingeschränkt worden, dass nur noch die in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten den zusätzlichen Sonderausgabenabzug erhalten könnten. Allerdings bestehe Vertrauensschutz und damit die Steuervergünstigung fort, wenn die Mitgliedschaft in dem ausländischen Versorgungswerk vor dem 1. Januar 2010 begründet worden sei (§ 52 Abs. 24c Satz 2 EStG , ab 31. Juli 2014 § 10a Abs. 6 EStG ). Da der Kläger seine Pflichtmitgliedschaft in dem inländischen Versorgungswerk vor dem 1. Januar 2010 begründet habe, genieße er ebenfalls Vertrauensschutz, so dass ihm der zusätzliche Sonderausgabenabzug zustehe.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 für 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. April 2011 für 2009 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 23. Juli 2008 und für 2009 vom 4. April 2011 so zu ändern, dass dem Kläger ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug in Höhe von 201 € für 2006 und in Höhe von 1.980 € für 2009 gewährt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und unterstützt das Vorbringen des FA.

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger den zusätzlichen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG nicht in Anspruch nehmen kann. Der Kläger ist weder abzugsberechtigt, weil er in früheren Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war (unter 1.) noch weil er in den Streitjahren Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk gewesen ist (unter 2.). Der Kläger kann seine Abzugsberechtigung auch nicht daraus ableiten, dass er gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat (unter 3. und 4.). Die Nichtgewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs gemäß § 10a EStG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG (unter 5.).

1. Der Kläger kann nicht bereits deshalb den zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen, weil er in den Jahren 1976 bis 1999 in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen ist.

Nach § 10a Abs. 1 EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI zustehenden Zulage in den Veranlagungszeiträumen 2006 und 2007 bis zu 1.575 € und ab dem Veranlagungszeitraum 2008 jährlich bis zu 2.100 € als Sonderausgaben abziehen.

Hiermit sind lediglich die Steuerpflichtigen gemeint, die in dem konkreten Veranlagungszeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind; eine frühere Pflichtmitgliedschaft reicht nicht aus. Dies zeigen sowohl der Wortlaut der Vorschrift (unter a), die Gesetzesmaterialien (unter b), die Gesetzessystematik (unter c) als auch der Sinn und Zweck des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs gemäß § 10a EStG (unter d).

a) Der Wortlaut des § 10a EStG bezeichnet die in einer gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten als Anspruchsberechtigte. Zwar ist —dies ist den Klägern zuzugeben— im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich verankert worden, dass damit nur die derzeit "aktiv" in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten gemeint sind. Einer solchen expliziten Formulierung bedurfte es indes nicht. Für die Einkommensteuer gilt gemäß § 2 Abs. 7 EStG das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Die Besteuerungsgrundlagen sind daher auf das Kalenderjahr bezogen zu ermitteln, was bedeutet, dass die im EStG genannten Voraussetzungen in dem zu beurteilenden Kalenderjahr vorliegen müssen und für jedes Kalenderjahr neu zu prüfen sind.

Die subjektiven Voraussetzungen für die Förderung nach § 10a EStG müssen daher in dem Veranlagungszeitraum bestanden haben, in dem der zusätzliche Sonderausgabenabzug geltend gemacht wird (allgemeine Meinung, s. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG , 34. Aufl., § 10a Rz 8; Fischer in Kirchhof, EStG , 14. Aufl., § 10a Rz 5; Myßen, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 10a Rz B 20; Kauffmann in Frotscher, EStG , Freiburg 2011, § 10a Rz 34; Braun in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 10a EStG Rz 11; Mühlenharz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10a Rz 20; Steiner in Lademann, EStG , § 10a EStG Rz 8), so dass auch die Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis veranlagungszeitraumbezogen zu beurteilen ist. Hätte der Gesetzgeber auch eine frühere "passive" Pflichtmitgliedschaft als ausreichend für die Abzugsberechtigung angesehen, hätte er dies entsprechend gesetzlich normieren müssen.

b) Die Gesetzesmaterialien bestätigen den Befund, dass nur die "aktiv" in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten den zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen dürfen. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 14. November 2000 wird im Allgemeinen Teil in der Beschreibung der Notwendigkeit und Ziele der Reform darauf hingewiesen, dass "zur Wiederherstellung von Sicherheit und Vertrauen in die gesetzliche Alterssicherung ... den heutigen und künftigen Beitragszahlern ein Signal zu geben (ist), dass die Belastung ihrer Einkommen nicht über ein bestimmtes Beitragssatzniveau steigt" (BTDrucks 14/4595, 37). Die Verbindung dieses Personenkreises der heutigen und künftigen Beitragszahler mit der Förderung des Aufbaus einer kapitalgedeckten Altersvorsorge ist ebenfalls den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, da ausgeführt wird, "in dem Maße, wie die Möglichkeit besteht, zusätzliche Versorgungsleistungen im Alter aufzubauen, können die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die absehbaren demographischen Wirkungen eingestellt werden" (BTDrucks 14/4595, 38). Im Besonderen Teil der Gesetzesbegründung wird die Umschreibung des Kreises der begünstigten Personen dahingehend präzisiert, dass zu diesem alle Steuerpflichtigen gehören, die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten (BTDrucks 14/4595, 62). Hätte die geförderte Personengruppe auch "passiv" Pflichtversicherte umfassen sollen, hätte dies in einer Formulierung wie "entrichten oder entrichtet haben" zum Ausdruck kommen müssen.

Auch der Regierungsentwurf eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001, mit dem die Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des AVmG und des AVmEG wirkungsgleich und systemgerecht auf die Beamtenversorgung übertragen werden sollten, spricht ausdrücklich von den "aktiven" Beamten, die die Möglichkeit erhalten sollten, private Vorsorge zu betreiben, und —ebenso wie es bei den rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern der Fall sei— in die gesetzliche Förderung einer privaten zusätzlichen Vorsorge ab 2002 einbezogen würden (vgl. BRDrucks 735/01, 75).

Besonders deutlich erkennbar wird die gesetzgeberische Intention, wenn in dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften darauf hingewiesen wird, der Sonderausgabenabzug stehe grundsätzlich denjenigen zu, "die von den leistungsrechtlichen Auswirkungen der Rentenreform 2001 und des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 wirtschaftlich betroffen sind und in den betreffenden Alterssicherungssystemen weiterhin 'aktiv' versichert sind" (BRDrucks 4/10, 28).

c) Die Systematik des § 10a EStG zeigt ebenfalls, dass der Gesetzgeber eine frühere gesetzliche Pflichtmitgliedschaft des Steuerpflichtigen nicht als ausreichend ansieht. Ansonsten hätte es einer Regelung wie § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG nicht bedurft. Danach sind Steuerpflichtige abzugsberechtigt, die nicht zum begünstigten Personenkreis nach Satz 1 oder 3 gehören und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit oder eine Versorgung wegen Dienstunfähigkeit aus einem der in § 10a Abs. 1 Satz 1 oder 3 genannten Alterssicherungssysteme beziehen, wenn unmittelbar vor dem Bezug der entsprechenden Leistungen der Leistungsbezieher einer der in Satz 1 oder 3 genannten begünstigten Personengruppen angehörte. Wäre die Rechtsauffassung der Kläger richtig, wären diese Steuerpflichtigen auch ohne die gesonderte Normierung in § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG bereits wegen ihrer früheren Pflichtmitgliedschaft zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug berechtigt gewesen, so dass diese Vorschrift überflüssig wäre, wovon jedoch nicht auszugehen ist.

d) Die teleologische Auslegung unterstreicht das gefundene Ergebnis. Der zusätzliche Sonderausgabenabzug sollte die vom Gesetzgeber vorgenommenen leistungsmindernden Einschnitte im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung durch die steuerliche Förderung des Aufbaus einer privaten geförderten Altersvorsorge ausgleichen. Es ist unbestritten, dass —wie der Kläger überzeugend nachgewiesen hat— seine künftigen Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der in den Jahren 1976 bis 1999 erworbenen Entgeltpunkte wegen der Änderungen durch das AVmEG ebenfalls geringer ausfallen werden. Der Zweck des AVmG besteht jedoch darin, durch die steuerliche Förderung einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Steuerpflichtige wegen der bestehenden Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung gezwungen ist, sowohl gegenwärtig als auch zukünftig Beiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung zu leisten, obwohl er hierdurch nur gekürzte Anwartschaften aufbauen kann. Es reicht nach der gesetzlichen Intention des AVmG demgegenüber nicht aus, in der Vergangenheit Rentenanwartschaften erworben zu haben, die zu geringeren Leistungsansprüchen führen und insofern —wie der Kläger— von den Reformmaßnahmen negativ betroffen zu sein. Dies zeigt auch die fehlende Einbeziehung der freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten, die ebenfalls von den Auswirkungen der Rentenreform betroffen sind und dennoch die Förderung gemäß § 10a EStG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in Anspruch nehmen können.

2. Die Pflichtmitgliedschaft in dem Versorgungswerk berechtigt den Kläger ebenfalls nicht zur Inanspruchnahme des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs gemäß § 10a Abs. 1 EStG .

a) Bereits in der Begründung zum AVmG hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung Pflichtversicherten nicht zum Kreise der Begünstigten gehören sollen, da diese Personengruppe durch das AVmG keine Kürzung des ihnen zustehenden Rentenniveaus hinzunehmen habe (s. BTDrucks 14/4595, 62).

Dies wird von den Klägern auch nicht bestritten; sie sind vielmehr der Meinung, die berufsständischen Versorgungwerke seien als gesetzliche Rentenversicherung i.S. des § 10a EStG anzusehen, da auch bei den Versorgungswerken eine Pflichtmitgliedschaft bestehe, die Höhe der Beiträge sich an den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung orientiere und die Leistungen der Versorgungswerke aufgrund der demographischen Entwicklungen ebenfalls Kürzungen erfahren hätten.

b) Ihre Auffassung wird jedoch vom Wortlaut verschiedener Regelungen des EStG nicht gestützt. Der Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar nicht im EStG definiert, obschon er in einigen Vorschriften des EStG —wie z.B. in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7— verwendet wird. Da jedoch in § 125 SGB VI die Aufgabenträger der "gesetzlichen Rentenversicherung" abschließend aufgezählt werden, kann davon ausgegangen werden, dass das EStG grundsätzlich auf die Begriffsbestimmung des SGB VI verweist. Ein solches Verständnis liegt z.B. auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73 ) zugrunde (ebenso BMF-Schreiben vom 24. Juli 2013 IV C 3–S 2015/11/10002, BStBl I 2013, 1022 ; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 126; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 10 Rz 20; Schmidt/Heinicke, EStG , 34. Aufl., § 10 Rz 63).

Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die die Aufgabe haben, die Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung der ihnen angehörenden Mitglieder sicherzustellen, existieren als Sondersysteme der Pflichtversicherung (so Dankelmann in: jurisPK- SGB VI , 2008, § 6 SGB VI Rz 44). Sie sind eigenständische Alterssicherungssysteme neben der gesetzlichen Rentenversicherung (so Kreikebohm/Schmidt, SGB VI § 6 Rz 12), was sich auch in der Befreiungsmöglichkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zeigt.

Der Dualismus der Versorgungssysteme wird ebenfalls in den Normen des EStG erkennbar, in denen gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen ausdrücklich unterschieden werden, so dass die fehlende Nennung der berufsständischen Versorgungswerke in § 10a Abs. 1 EStG den eindeutigen Rückschluss auf den gesetzgeberischen Willen zulässt, den Mitgliedern der berufsständischen Versorgungswerke keinen zusätzlichen Sonderausgabenabzug zu gewähren. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass die an sie geleisteten Beiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG im gleichen Maße wie die Rentenversicherungsbeiträge abziehbar sind oder die von ihnen erhaltenen Leibrenten ebenfalls mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu versteuern sind.

c) Aus teleologischer Sicht muss ebenfalls davon ausgegangen werden, dass der Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung in § 10a Abs. 1 EStG gleichbedeutend mit den gleichlautenden Begriffen in den anderen genannten Normen ist und damit berufsständische Versorgungswerke nicht umfasst. Der Sinn und Zweck des Gesetzes liegt darin, dass die von der zukünftigen Absenkung des Rentenniveaus aufgrund des AVmEG Betroffenen durch den zusätzlichen Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgebeiträge hierfür einen Ausgleich erhalten sollten. Da die Mitglieder der Versorgungswerke nach dem AVmEG keine Absenkung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen müssen, bedarf es auch keiner Einbeziehung der berufsständischen Versorgungswerke in diese Steuervergünstigung (so bereits im Ergebnis Senatsurteil vom 21. Juli 2009 X R 33/07, BFHE 225, 457 , BStBl II 2009, 995 , unter II.1.a).

3. Der Kläger kann seine Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug auch nicht daraus ableiten, dass er gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat.

a) Mit der mittelbaren Zulageberechtigung des Ehegatten wird der Tatsache Rechnung getragen, dass auch der nicht pflichtversicherte Ehegatte von der Renten- und Versorgungsniveaukürzung —mittelbar— betroffen ist. Es soll damit beiden Ehegatten ermöglicht werden, eine eigenständige zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen (s. Begründung des Gesetzentwurfs zum AVmG, BTDrucks 14/4595, 65), und ein Anreiz für den von der Rentenkürzung des pflichtversicherten Ehegatten gleichfalls betroffenen Ehepartner geschaffen werden, für eine eigene freiwillige kapitalgedeckte Altersvorsorge zu sorgen.

b) Anders als § 79 Satz 2 EStG räumt § 10a Abs. 1 EStG dem mittelbar betroffenen Ehegatten indes nicht die Möglichkeit ein, selbst einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz zu vielen Vorschriften, in denen im Falle der Zusammenveranlagung die Pausch- und Höchstbeträge ohne weitere Voraussetzungen verdoppelt werden (vgl. z.B. § 10 Abs. 3 EStG , § 10b Abs. 2 EStG ), ist in § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich geregelt, dass der Abzugsbetrag nach § 10a Abs. 1 EStG nur dann von beiden Ehegatten in Anspruch genommen werden kann, wenn jeder Ehegatte für sich die entsprechenden persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10a Abs. 1 EStG erfüllt. Berücksichtigt werden können die von dem mittelbar begünstigten Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG lediglich im Rahmen des Abzugsvolumens, das dem nach § 10a Abs. 1 EStG begünstigten Ehegatten zusteht.

c) Für eine über den ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Umfang hinausgehende Begünstigung der Beiträge eines gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar Berechtigten durch Gewährung eines eigenen zusätzlichen Sonderausgabenabzugs besteht kein Grund.

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 225, 457 , BStBl II 2009, 995 unter II.2.c darauf hingewiesen, dass der vom Gesetzgeber verfolgte generelle Förderzweck für die Zulage bereits nicht gegeben sei, soweit ein von der abgeleiteten Zulageberechtigung erfasster Ehegatte trotz eigener Erwerbstätigkeit nur deshalb nicht gemäß § 79 Satz 1 EStG unmittelbar zulageberechtigt sei, weil er nicht dem Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG angehört. Bei der Regelung des § 79 EStG sei der Gesetzgeber nämlich erkennbar davon ausgegangen, dass eine Zulageberechtigung nur dann gegeben sein solle, wenn der Betroffene von der Absenkung des Renten- und Versorgungsniveaus entweder unmittelbar betroffen sei oder der von der Absenkung des Altersversorgungsniveaus seines Ehegatten mittelbar betroffene Ehegatte diese Absenkung nicht bereits anderweitig, z.B. durch eigene von der Absenkung nicht erfasste Berufstätigkeit, kompensieren könne.

Unter Berücksichtigung dieses Förderzwecks vermag der Senat keine Notwendigkeit zu erkennen, dem Steuerpflichtigen, der über ein Versorgungswerk seine Altersversorgung erhält, über den gesetzlich eingeräumten Umfang hinaus die Berücksichtigung seiner Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben zu gewähren.

4. An dem unter 1. bis 3. dargestellten Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass die Renten, die auf Beiträgen beruhen, die nur nach § 79 EStG gefördert wurden, in demselben Umfang zu versteuern sind wie die Renten, deren Förderung sowohl auf § 79 EStG als auch auf § 10a EStG beruht. Diese Frage ist erst —wie auch die Kläger einräumen— in einem Verfahren, das die Besteuerung der Rentenbezüge gemäß § 22 Nr. 5 EStG zum Gegenstand hat, zu überprüfen (vgl. zu der insofern vergleichbaren Situation des Zusammenwirkens der einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor Inkrafttreten des AltEinkG und der Regelungen der Versorgungsphase seit Inkrafttreten des AltEinkG den Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 , unter B.I.2.b).

5. Die Kläger werden nicht dadurch in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 GG verletzt, dass dem Kläger der zusätzliche Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG verwehrt wird.

a) Verfolgt ein Steuergesetz zulässigerweise ebenfalls Lenkungsziele, so muss der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Will der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, hat er eine große Gestaltungsfreiheit. In der Entscheidung darüber, welche Personen durch finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte aber stehen ihm im weitesten Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden. Diese Erwägungen gelten auch, wenn der Gesetzgeber eine Subvention steuerrechtlich überbringt, statt sie direkt finanziell zuzuwenden (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. statt vieler Urteil des BVerfG vom 20. April 2004 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 , unter C.I.4., m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe stellt die gesetzliche Einschränkung der Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG auf nur "aktiv" Pflichtversicherte keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar.

aa) Der Zweck des AVmG besteht —wie bereits dargestellt— darin, den Steuerpflichtigen als Ausgleich eine steuerliche Förderung zukommen zu lassen, die wegen einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung gezwungen sind, auch gegenwärtig und zukünftig Beiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung zu leisten, obwohl sie hierdurch nur gekürzte Anwartschaften aufbauen können. Die Nichteinbeziehung der ehemals Pflichtversicherten kann demnach weder als sachwidrig noch willkürlich angesehen werden.

bb) Auch die Besonderheit des Streitfalls, dass der Kläger aufgrund seiner früheren Pflichtmitgliedschaft bereits erhebliche Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, die aufgrund der Einbeziehung des AVA in die Berechnung des neuen aktuellen Rentenwerts gemäß § 68 Abs. 4 SGB VI zu einer geringeren Rente führen werden, führt zu keiner nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung.

(1) Zum einen stellt es keine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse dar, wenn ein Gesetzgeber davon ausgeht, dass Pflichtversicherte vorrangig einem Versorgungssystem angehören und in diesem die wesentlichen Versorgungsanwartschaften erwerben, und er dann bei der Ausgestaltung steuerlicher Vergünstigungen nur die Versorgungseinrichtung in Blick nimmt, in der der Steuerpflichtige aktives Mitglied ist.

(2) Zum anderen steht dem Gesetzgeber —wie allgemein anerkannt ist— im Bereich des Steuerrechts grundsätzlich die Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu. Er ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 , unter C.I.2.b, m.w.N.). Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Allerdings liegt eine typisierende Gruppenbildung nur vor, wenn die tatsächlichen Anknüpfungspunkte im Normzweck angelegt sind. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (Beschluss des BVerfG vom 23. Juni 2004 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03, BVerfGE 111, 115 , unter C.I.1.a).

(3) Diese Voraussetzungen für eine zulässige typisierende Gruppenbildung sind im Streitfall gegeben. Die Beschränkung der Begünstigten auf die aktiven Pflichtversicherten ist im Normzweck bereits angelegt (vgl. oben unter II.1.d). Auch sind die mit der Versagung eines eigenen zusätzlichen Sonderausgabenabzugs für den nicht berechtigten Ehegatten verbundenen steuerlichen Nachteile —wie der Streitfall exemplarisch zeigt— nicht gravierend. Vor allem aber wäre eine Regelung dergestalt, dass die individuelle wirtschaftliche Betroffenheit von den künftigen Rentenkürzungen zum Maßstab der Anspruchsberechtigung gemäß § 10a Abs. 1 EStG gemacht würde, nur mit Schwierigkeiten administrierbar.

c) Der Kläger ist auch nicht im Verhältnis zu den Beamten benachteiligt, die ohne Besoldung beurlaubt sind und unter den Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Nr. 4 EStG den zusätzlichen Sonderausgabenabzug geltend machen können.

Das BMF hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Aufnahme der beurlaubten Beamten in den Kreis der Abzugsberechtigten folgerichtig ist. Beurlaubte Beamte erhalten grundsätzlich keine Besoldung, so dass ihnen infolgedessen auch kein Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zustehen würde. Die Zeiten der Beurlaubung können jedoch ruhegehaltsfähig sein (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Beamtenversorungsgesetzes). Die insoweit beurlaubten Beamten sind dann im Gegenzug aufgrund der Gewährleistungserstreckung der Versorgungsanwartschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei. Obwohl sie also weiterhin aktiv neue Versorgungsanwartschaften aufbauen und damit den nichtbeurlaubten Beamten gleichgestellt sind, hätten sie den zusätzlichen Sonderausgabenabzug nicht in Anspruch nehmen können, obwohl sie gleichermaßen wie die Besoldungsempfänger von den Einschnitten in das Beamtenversorgungsrecht betroffen waren. Das Gesetz zur Einbeziehung beurlaubter Beamter in die kapitalgedeckte Altersversorgung vom 15. Januar 2003 (BGBl I 2003, 58 ) hat diese "systemwidrige Lücke" (so die Begründung des Gesetzes zur Einbeziehung beurlaubter Beamter in die kapitalgedeckte Altersversorgung, BTDrucks 15/97, 1) durch die ab dem 1. Januar 2002 geltende Ergänzung des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG geschlossen.

d) Sofern die Kläger es im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als problematisch ansehen, dass den begünstigten Pflichtversicherten in den Veranlagungszeiträumen, in denen der AVA eingefroren war (2003, 2007 und 2008) bzw. eingefroren ist (ab 2013 ff.), der zusätzliche Sonderausgabenabzug gewährt wurde und weiterhin gewährt wird, obwohl die "aktiv" Pflichtversicherten wirtschaftlich in den besagten Veranlagungszeiträumen von den Eingriffen in die Rentenanpassungsformel überhaupt nicht betroffen gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden.

Selbst wenn man hierin überhaupt eine Vergünstigung und nicht nur eine zulässige Generalisierung und Pauschalisierung sehen würde, könnte dies nicht dazu führen, dem Kläger einen Anspruch auf den zusätzlichen Sonderausgabenabzug zu vermitteln. Es ist ständige Rechtsprechung des BVerfG, dass der allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich kein Instrument ist, der es einem Steuerpflichtigen erlaubt, die einem anderen eingeräumte, seine eigene Steuerpflicht nicht betreffende Steuervergünstigung zu bekämpfen, da aus einer Steuervergünstigung für eine Gruppe aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch einer anderen Gruppe auf eine andere Steuervergünstigung folgt, die wirtschaftlich zu einer vergleichbaren Entlastung führt (s. Urteile des BVerfG in BVerfGE 110, 274 , unter C.II.4.d bb, und vom 17. Dezember 2014 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50 , unter B.I.2.b aa). Die von dem BVerfG in seinem Urteil in BStBl II 2015, 50 hiervon für den Fall gemachte Ausnahme, dass die den Dritten gewährte Steuervergünstigung für eine gleichheitsgerechte Belastung durch die betreffende Steuer insgesamt übergreifende Bedeutung hat, liegt im Streitfall erkennbar nicht vor.

e) Aus denselben Gründen liegt kein Verstoß gegen Art. 3 GG darin, dass in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige, die Pflichtmitglied einer der deutschen gesetzlichen Rentenversicherungspflicht vergleichbaren ausländischen Pflichtversicherung gewesen sind, nach Auffassung der Finanzverwaltung zunächst den zusätzlichen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG erhalten konnten, obwohl sie keine Absenkung des Rentenniveaus durch das AVmEG hinnehmen mussten. Durch das StEUVUmsG wurde zudem die Gewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 dahingehend eingeschränkt, dass nur noch die in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten —und damit die von dem AVmEG betroffenen Personen— den zusätzlichen Sonderausgabenabzug erhalten können.

Soweit der Kläger die Vertrauensschutzregelung gemäß § 52 Abs. 24c Satz 2 EStG (ab 31. Juli 2014: § 10a Abs. 6 EStG ), die den in einer ausländischen Pflichtversicherten unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumt wurde, aus Gleichheitsgründen beanspruchen will, ist darauf hinzuweisen, dass für den Kläger zu keinem Zeitpunkt seit Bestehen der Regelung des § 10a EStG ein Vertrauenstatbestand existierte, nach dem er in seiner Person einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug hätte erhalten können. Die Finanzverwaltung zählte bereits in dem BMF-Schreiben vom 5. August 2002 IV C 4–S 2222–295/02, BStBl I 2002, 767 ausdrücklich die selbständig Tätigen, die einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehören, nicht zum Kreis der Berechtigten gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG (s. dort Anlage 1 unter C. Nr. 2) und wies zudem in Tz. 2 darauf hin, dass die persönlichen Voraussetzungen im jeweiligen Beitragsjahr (Veranlagungszeitraum) zumindest während eines Teils des Jahres vorliegen mussten.

Im Unterschied dazu wurde den unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen in Tz. 10 des BMF-Schreibens explizit eine Abzugsberechtigung eingeräumt, sofern sie einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlagen und soweit die Pflichtmitgliedschaft der deutschen Rentenversicherungspflicht vergleichbar war.

f) Der Ausschluss der Pflichtversicherten eines berufsständischen Versorgungswerks aus dem Kreis der Begünstigten des § 10a EStG verstößt auch im Hinblick auf die grundlegenden steuerlichen Änderungen durch das AltEinkG nicht gegen Art. 3 GG .

Das BVerfG hat bereits in zwei Nichtannahmebeschlüssen vom 18. Dezember 2002 2 BvR 367/02 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 409 ) und vom 2. Juni 2003 2 BvR 592/03 (Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1, 188) entschieden, es sei nicht ersichtlich, dass die Regelung des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, soweit diese den in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten und gleichgestellten Personen eine steuerliche Begünstigung in Gestalt des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgebeiträge bei der Einkommensteuer gewähre, die jeweiligen Beschwerdeführer, die entweder als Rechtsanwalt oder als Arzt Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke waren, aber von dieser Begünstigung ausschließe. Der Ausschluss lasse sich auf einen vernünftigen, einleuchtenden und hinreichenden sachlichen Grund zurückführen: Die Beschwerdeführer gehörten mit der berufsständischen Versorgung einem anderen Alterssicherungssystem an als der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung und müssten weder nach dem AVmEG noch nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 eine Absenkung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen.

Dass sich zwischenzeitlich die steuerliche Behandlung der Beiträge und die Besteuerung der empfangenen Leistungen der unterschiedlichen Versorgungseinrichtungen der ersten Säule der Altersvorsorge durch das AltEinkG seit 2005 angeglichen haben, ändert indes nichts an dem vom BVerfG genannten sachlichen Differenzierungsgrund der unterschiedlichen Betroffenheit von den Leistungskürzungen des AVmEG sowie des Versorgungsänderungsgesetzes 2001, so dass die Rechtsprechung des BVerfG weiterhin aktuell und damit zugrunde zu legen ist.

6. Da der Kläger nicht zum begünstigten Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG gehört, kommt es auf die Frage nicht mehr an, welche Folgen daraus zu ziehen sind, dass er im Streitjahr 2006 unstreitig keine eigenen Altersvorsorgebeiträge erbracht hat, sondern ihm lediglich die Grundzulage gewährt wurde sowie seinem Altersvorsorgevertrag die Kinderzulagen gemäß § 85 Abs. 2 EStG zugeordnet wurden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 05.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 2772/09
Fundstellen
BFHE 250, 531