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BFH - Entscheidung vom 13.01.2015

VII R 25/13

Normen:
Pos 3926 UPos 9097 KN
Pos 9018 KN
KNPos. 9018

BFH, Urteil vom 13.01.2015 - Aktenzeichen VII R 25/13

DRsp Nr. 2015/4253

Einreihung von Pinzetten aus Kunststoff in die Kombinierte Nomenklatur

NV: Pinzetten aus Kunststoff, einzeln und steril in Folie sowie in einer Menge von 52 Stück in einer Pappschachtel mit der Aufschrift "steril, einzeln verpackt" sind nicht als medizinische oder chirurgische Instrumente in die Pos. 9018 KN, sondern in die Unterpos. 3926 90 97 KN (andere Waren aus Kunststoffen) einzureihen.

Bei der zolltariflichen Einreihung darf nur dann auf den Verwendungszweck einer Ware abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird und wenn er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware bemisst.

Tenor

Auf die Revision des Hauptzollamts wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 22. Mai 2012 4 K 254/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

KNPos. 9018;

Gründe

I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt —HZA—) erteilte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) unter dem 27. April 2011 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für Pinzetten aus Kunststoff, einzeln und steril in Folie sowie in einer Menge von 52 Stück in einer sog. Dispenserbox aus Pappe verpackt, mit der die Ware in die Unterpos. 3926 90 97 ("Andere Waren aus Kunststoff ...") der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht wurde.

Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) das HZA, eine vZTA zu erteilen, mit der die Pinzetten in die Pos. 9018 KN eingereiht werden. Es handele sich bei den Pinzetten um medizinische bzw. chirurgische Geräte im Sinne dieser Position, weil sie überwiegend von Ärzten und Chirurgen verwendet würden. Ihre Bestimmung zu medizinischen und chirurgischen Zwecken sei den Pinzetten selbst zwar nicht anzusehen, jedoch durch die Art ihrer Aufmachung eindeutig erkennbar. Sie seien einzeln in Polyfolie steril verpackt und würden in einer sog. Dispenserbox eingeführt und vertrieben, auf der sich ein Hinweis auf ihre Sterilität finde.

Mit seiner Revision macht das HZA geltend, die Pinzetten seien weder aufgrund einer besonderen Form noch einer besonderen Fertigung als Instrumente für medizinische oder chirurgische Zwecke erkennbar. Auf die vom FG herangezogenen Kriterien der Art der Aufmachung und Verpackung sowie der Sterilität könne die Einreihung in die Pos. 9018 KN nicht gestützt werden. Weder im Wortlaut der Position noch in den KN-Anmerkungen oder in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) werde die Art der Verpackung der Ware als ein maßgebendes Kriterium für deren Einreihung in die Pos. 9018 KN genannt.

Die Klägerin schließt sich der Tarifauffassung des FG an. Die Beschaffenheitsmerkmale der Ware, insbesondere ihre Sterilität, wiesen auf eine Verwendung im medizinischen oder chirurgischen Bereich hin. Dementsprechend seien die von ihr erworbenen Pinzetten in einem Prüfungsbericht als humanmedizinische bzw. chirurgische Instrumente der Pos. 9018 KN beschrieben.

II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die der Klägerin erteilte vZTA ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Die streitigen Waren sind in die Unterpos. 3926 90 97 KN einzureihen. Eine aus dem Kapitel 39 KN weisende Einreihung als medizinische oder chirurgische Instrumente in die Pos. 9018 KN (vgl. Anm. 2 Buchst. u zu Kapitel 39 KN) kommt nicht in Betracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des erkennenden Senats darf bei der zolltariflichen Einreihung auf den Verwendungszweck einer Ware nur abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird und wenn er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware bemisst (vgl. EuGH-Urteile vom 27. November 2008 C–403/07 —Metherma—, Slg. 2008, I–8921, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2009, 15; vom 12. Juli 2012 C–291/11 —TNT Freight Management—, ZfZ 2012, 332 ; vom 22. November 2012 C–320/11 —Digitalnet––, ZfZ 2013, 22 , jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 23. September 2009 VII R 42/07, BFHE 226, 570 , ZfZ 2010, 51 , m.w.N.).

Die erstgenannte Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Zur Pos. 9018 KN gehören (u.a.) medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Instrumente, Apparate und Geräte. Somit ist ein bestimmter Verwendungszweck dieser Instrumente, Apparate oder Geräte ein tarifliches Einreihungskriterium. Dementsprechend heißt es in Rz 01.0 der ErlHS, diese Instrumente, Apparate und Geräte seien im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie in fast allen Fällen üblicherweise die Handhabung durch Ärzte, Chirurgen, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen usw. in ihrer Berufspraxis verlangen.

Die zweite Voraussetzung, dass der Ware der bestimmte Verwendungszweck nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften "innewohnt", ist dagegen nicht erfüllt. Das FG hat diese Einreihungsvoraussetzung bejaht, indem es einen auf der Verpackung angebrachten Hinweis auf die Sterilität der Pinzetten für die Erkennbarkeit ihres Verwendungszwecks hat genügen lassen. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach den vorgenannten EuGH- und Senatsentscheidungen ist die Frage, ob ein bestimmter Verwendungszweck einer Ware innewohnt, anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware zu beantworten. Die Gestaltung ihrer Verpackung ist insoweit ohne Bedeutung. Ebenso unerheblich ist der vom FG als unstreitig bezeichnete Umstand, dass die Pinzetten "weit überwiegend von Ärzten bzw. Chirurgen verwendet" werden. Über ein objektives Merkmal der Ware, das auf einen ihr innewohnenden Verwendungszweck hinweist, sagt diese Feststellung nichts.

Ob die Rz 19.0 der ErlHS mit der dort genannten "Art der Aufmachung" ein zulässiges Einreihungskriterium beschreibt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Jedenfalls weisen die dort genannten Beispielsfälle keine Ähnlichkeit mit der Aufmachung der streitigen Pinzetten auf, denn diese sind kein Bestandteil von Etuis oder Kästen, die eindeutig erkennbar eine "Garnitur von Instrumenten für einen bestimmten Eingriff enthalten".

Ebenso kann offen bleiben, ob die Sterilität ein (wenn auch vergängliches) Beschaffenheitsmerkmal ist, welches (da im Zeitpunkt der Wareneinfuhr ansonsten nicht erkennbar) durch den Hinweis auf der Verpackung erkennbar gemacht wird, denn dieses Beschaffenheitsmerkmal macht nicht zwingend einen medizinischen oder chirurgischen Verwendungszweck deutlich. Wie das HZA zutreffend ausführt, gibt es verschiedene Einsatzbereiche, welche Sterilität der verwendeten Werkzeuge erfordern. Der nicht weiter begründeten und damit nicht nachvollziehbaren Ansicht des FG, der Hinweis auf die Sterilität der Pinzetten, lasse "keinen Zweifel aufkommen, dass die Pinzetten für medizinische bzw. chirurgische Zwecke bestimmt sind", kann nicht gefolgt werden.

Andere Beschaffenheitsmerkmale der Pinzetten, die auf einen ihnen innewohnenden medizinischen oder chirurgischen Verwendungszweck hinweisen, sind vom FG nicht festgestellt.

Anders als die Klägerin meint, ergeben sich Anhaltspunkte für die tarifliche Einreihung der Waren des Streitfalls weder aus der Einreihungsverordnung der Kommission betreffend Ballon- bzw. Führungskatheter noch daraus, dass der Hersteller der Pinzetten und sie (die Klägerin) für Medizinprodukte zertifiziert sind, dass die Pinzetten anlässlich einer Prüfung der Klägerin durch das Hauptzollamt X im Jahr 2003 als Waren der Pos. 9018 KN angesehen wurden oder dass eine Gassterilisation ursprungsbegründend sein kann. Auch besteht keine durch Anwendung der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN aufzulösende Konkurrenz verschiedener Tarifpositionen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Vorinstanz: Finanzgericht Hamburg, vom 22.05.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 254/11