Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BFH - Entscheidung vom 21.10.2015

XI R 28/14

Normen:
UStG § 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 4
InsO § 1 Satz 1, §§ 315 ff.
FGO § 127
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 9, Art. 168 Buchst. a
UStG § 2 Abs. 1 S. 1
InsO § 1 S. 1
FGO § 127
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) und Buchst. c)
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UStG § 15 Abs. 4
InsO §§ 315 ff.
MwStSystRL Art. 168 Buchst. a)

Fundstellen:
BFHE 252, 460

BFH, Urteil vom 21.10.2015 - Aktenzeichen XI R 28/14

DRsp Nr. 2016/5724

Berechtigung des Vorsteuerabzugs in einem Nachlassinsolvenzverfahren

Dient ein Insolvenzverfahren über einen Nachlass sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des vormals als Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigten Erblassers wie auch der Befriedigung von dessen Privatverbindlichkeiten, ist der Gesamtrechtsnachfolger aus den Leistungen des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Nachlassinsolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Tenor

Auf die Revisionen des Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 9. Mai 2014 4 K 2584/13 aufgehoben.

Die Umsatzsteuer für 2012 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids des Beklagten vom 15. September 2014 auf ... € festgesetzt und die Klage im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Beklagte zu 4/10 und der Kläger zu 6/10 zu tragen.

Normenkette:

UStG § 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 15 Abs. 4 ; InsO § 1 Satz 1, §§ 315 ff.; FGO § 127 ; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 9, Art. 168 Buchst. a;

Gründe

I.

Das zuständige Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 10. Juli 2006 auf den Antrag des gerichtlich bestellten Nachlasspflegers das Insolvenzverfahren über den Nachlass des am 4. Juni 2006 verstorbenen A, der bis zu seinem Tod eine Apotheke betrieb, und bestellte den Kläger, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Kläger) zum Insolvenzverwalter.

Die Hauptverbindlichkeit des Nachlasses, die aus der Übernahme der Apotheke herrührte, machte einen Anteil von ... € der Insolvenzforderungen aus, die sich auf insgesamt ca. ... € beliefen. Den Verbindlichkeiten standen Aktiva aus dem Privat- und Unternehmensvermögen in Höhe von ... € bzw. ... € gegenüber.

Der Kläger erteilte für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter am 14. Juni 2012 eine Rechnung mit einem gesonderten Steuerausweis über ... €. Dementsprechend machte der Kläger mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Kalendervierteljahr 2012 vom 2. Juli 2012 für die Masse einen Vorsteuerbetrag in Höhe von ... € und damit eine sich hieraus ergebende Vorsteuererstattung in gleicher Höhe geltend.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung setzte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) mit Bescheid vom 5. September 2012 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 2. Kalendervierteljahr 2012 auf ... € fest. Das FA differenzierte hinsichtlich der Vorsteuerbeträge danach, ob die vom Kläger verwerteten Aktiva aus dem Privatvermögen oder aus dem Unternehmensvermögen stammten, ging entsprechend den Prüfungsfeststellungen davon aus, dass 67 % der verwerteten Aktiva dem Privatvermögen zuzuordnen seien und versagte insoweit den Vorsteuerabzug.

Den Einspruch des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2013 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1726 veröffentlichten Urteil teilweise statt.

Zwar sei die Abwicklung des Unternehmens des A noch unternehmerisch. Der Kläger, der als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A dessen hinterlassenes Privat- und Unternehmensvermögen zur Bedienung der privaten und unternehmerischen Verbindlichkeiten veräußert habe, könne die Vorsteuer jedoch nur anteilig abziehen. Bei der erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit dienten, sei § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) analog anzuwenden.

Die Insolvenzverwaltertätigkeit habe nur insoweit unternehmerischen Interessen gedient, als Verbindlichkeiten des vormaligen Unternehmens bedient worden seien. Die Quote der unternehmerischen Insolvenzforderungen sei ein feststehender Wert, der einen objektiven Verursachungsbeitrag des Unternehmens an der Insolvenz widerspiegele. Das FA habe dagegen eine Zurechnung nach dem Verhältnis der Vermögensanteile vorgenommen. Diese sei schon nicht präzise, weil eine eindeutig nachvollziehbare Zuordnung zum Privat- oder Unternehmensvermögen schwer möglich sei. Die Aufteilung des FA sei zudem fehlerhaft.

Entsprechend dem Anteil der dem Unternehmen zuzuordnenden Verbindlichkeiten (... €) am Gesamtbestand der Insolvenzforderungen (... €) von gerundet 60 % sah das FG ... € der ausgewiesenen Vorsteuer in Höhe von ... € als abziehbar an.

Gegen das Urteil des FG richten sich die Revisionen des FA und des Klägers.

Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und bringt im Wesentlichen vor, es komme bei der Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG auf den objektiven Inhalt einer Eingangsleistung, nicht auf deren Entstehungsgrund an. Demnach sei entgegen der vom FG vertretenen Rechtsansicht nicht darauf abzustellen, ob die aus der Verwertung des (privaten) Vermögens erzielten Erlöse der Tilgung unternehmerischer Verbindlichkeiten dienten.

Es verstoße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, wenn das FG davon ausgehe, dass die Eingangsleistung des Insolvenzverwalters in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einzelnen Ausgangsumsätzen stehe und zu den Veräußerungsvorgängen keinerlei Bezug habe.

Das Verhältnis der vorhandenen Vermögenswerte sei insbesondere deshalb ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab, weil es, anders als das FG meine, leicht ermittelbar sei und im Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs definitiv feststehe. Dagegen sei die Aufteilung der Vorsteuer nach der Quote der unternehmerisch veranlassten Insolvenzforderungen nicht praktikabel, weil nicht alle Forderungen angemeldet würden und deshalb nicht bekannt seien. Zudem käme es bei jeder Änderung der Höhe einer Insolvenzforderung zu einer Änderung des Aufteilungsmaßstabs.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 15. September 2014 den Umsatzsteuerbescheid für 2012 erlassen und hierin unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuern in unstreitiger Höhe von ... € die Umsatzsteuer auf ... € festgesetzt. Entsprechend der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sowie der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 2. Kalendervierteljahr 2012 vom 5. September 2012 hat es auch bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 2012 von der vom Kläger ausgewiesenen Vorsteuer in Höhe von ... € nur anteilig ... € anerkannt.

Das FA beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2012 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 15. September 2014 auf ... € festzusetzen sowie die Revision des FA zurückzuweisen.

Das Urteil des FG verstoße gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 UStG .

Eine Aufteilung der Vorsteuern aus Eingangsleistungen der Masse komme bei einer Unternehmerinsolvenz nicht in Betracht. Das Insolvenzverfahren betreffe nur den unternehmerischen Bereich, wenn das Unternehmensvermögen nicht nur untergeordnet beteiligt sei. Die "Miterledigung" von privaten Verbindlichkeiten sei nur eine Reflexwirkung der Unternehmerinsolvenz. Entgegen der Ansicht des FG sei im Streitfall der volle Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zu gewähren. Eine Vorsteueraufteilung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG scheide vorliegend aus, da der verstorbene A als Betreiber der Apotheke zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.

Auf die Revision des FA erwidert der Kläger, dass nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine Aufteilung anhand der Ausgangsumsätze nur erfolgen könne, wenn, was hier nicht der Fall sei, keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich sei. Gehe man vorliegend von einer Vorsteueraufteilung aus, sei es sachgerecht, auf das Verhältnis der Verbindlichkeiten abzustellen, weil das Insolvenzverfahren nach § 1 Satz 1 der Insolvenzordnung ( InsO ) primär dazu diene, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen. Die Verwertung des Vermögens sei nur das Mittel zu diesem Zweck. Im Streitfall bestehe auch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der steuerpflichtigen Tätigkeit des verstorbenen A und den Leistungen, die er, der Kläger, als Insolvenzverwalter erbracht habe.

II.

Beide Revisionen sind zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 15. September 2014 im Umfang des Tenors zu ändern und die Klage im Übrigen abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). In der Sache haben jedoch weder die Revision des FA noch die des Klägers Erfolg.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die in Rede stehende Vorsteuer nur entsprechend dem Anteil der dem Unternehmen des verstorbenen A zuzuordnenden Verbindlichkeiten am Gesamtbestand der Insolvenzforderungen in Höhe von ... € abziehbar ist.

A. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Da dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt, konnte es keinen Bestand haben (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 30. Mai 2001 VI R 85/00, BFH/NV 2001, 1291 , unter 1., Rz 10; vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161 , BStBl II 2006, 337 , unter II.1., Rz 16; vom 10. November 2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373 , BStBl II 2011, 311 , Rz 23 f.; vom 24. April 2013 XI R 3/11, BFHE 242, 410 , BStBl II 2014, 86 , Rz 25).

1. Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2012 vom 15. September 2014 hat den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das 2. Kalendervierteljahr 2012 vom 5. September 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2013, der Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen ist, i.S. der §§ 68 Satz 1, 121 Satz 1 FGO ersetzt. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird gemäß der auch im Revisionsverfahren (§ 121 FGO ) geltenden Vorschrift des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das gilt auch für den Umsatzsteuer-Jahresbescheid im Verhältnis zum Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Februar 1991 V R 130/86, BFHE 163, 408 , BStBl II 1991, 465 , unter II., Rz 9; vom 4. November 1999 V R 35/98, BFHE 190, 67 , BStBl II 2000, 454 , unter II.1., Rz 12 ff.; in BFHE 212, 161 , BStBl II 2006, 337 , unter II.1., Rz 17; in BFHE 231, 373 , BStBl II 2011, 311 , Rz 24; in BFHE 242, 410 , BStBl II 2014, 86 , Rz 26, jeweils m.w.N.). Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist deshalb nunmehr die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuer-Jahresbescheids für 2012 vom 15. September 2014.

2. Dennoch bedarf es vorliegend keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO , da die Sache spruchreif ist. Der erkennende Senat kann auf der Grundlage der gleichwohl fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. September 2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37 , unter II., Rz 13; vom 11. Juli 2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266 , Rz 28; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465 , Umsatzsteuer-Rundschau 2014, 743 , Rz 29, jeweils m.w.N.).

B. Die zulässige Revision des FA hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das FG zutreffend entschieden hat, hat die vorzunehmende Aufteilung der vom Kläger als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A in Rechnung gestellten Vorsteuer ausschließlich auf der Grundlage der angemeldeten Insolvenzforderungen zu erfolgen.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

a) Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige, der "Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet", zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen.

Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG , Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG , Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG (Art. 169 MwStSystRL) benannt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258 , BStBl II 2012, 844 , Rz 19 ff., m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH—; vom 15. April 2015 V R 44/14, BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 , Rz 10, m.w.N.).

b) Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer daher eine teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 236, 258 , BStBl II 2012, 844 , Rz 25; in BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 , Rz 11, jeweils m.w.N.).

2. Der V. Senat des BFH hat mit seinem Urteil in BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 entschieden, dass ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer aus der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, die betreffende Vorsteuer anteilig abziehen kann (Rz 12 ff.). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat aus den dort genannten Gründen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, an.

3. Für das hier vorliegende Nachlassinsolvenzverfahren gilt nichts anderes.

a) Zwar endet mit dem Tod des Unternehmers dessen Unternehmereigenschaft i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG und somit auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug i.S. von § 15 UStG . Der Gesamtrechtsnachfolger tritt jedoch in die umsatzsteuerrechtlich noch nicht abgewickelten unternehmerischen Rechtsverhältnisse seines Rechtsvorgängers ein (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. Januar 2010 V R 24/07, BFHE 229, 378 , BStBl II 2011, 241 , Rz 24, m.w.N.). Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem aufgegebenen Betrieb zusammenhängen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 229, 378 , BStBl II 2011, 241 , Rz 26, m.w.N.). Als Gesamtrechtsnachfolger hat der Erbe deshalb für die Abwicklung aller umsatzsteuerrechtlich relevanten Vorgänge zu sorgen. Führt der Gesamtrechtsnachfolger die wirtschaftliche Tätigkeit des Erblassers nicht fort, sondern verkauft er im Rahmen der Liquidation des Unternehmens die Gegenstände des ererbten Unternehmensvermögens, handelt er insoweit als Unternehmer (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 229, 378 , BStBl II 2011, 241 , Rz 22).

b) Wie das FG zutreffend erkannt hat, hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keinen Einfluss auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenz- bzw. Gemeinschuldners (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Februar 1986 V R 16/81, BFHE 146, 287 , BStBl II 1986, 579 , unter 1., Rz 11; vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14 , BStBl II 2000, 46 , unter 2.c aa, Rz 37; vom 28. Juni 2000 V R 45/99, BFHE 192, 129 , BStBl II 2000, 703 , unter II.1., Rz 9; Bunjes/Korn, UStG , 14. Aufl., § 2 Rz 38; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 142; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz , § 2 Rz 666; Stöcker in Küffner/Stöcker/Zugmaier, Umsatzsteuer, § 2 Rz 509, jeweils m.w.N.).

c) Danach kann auch das Nachlassinsolvenzverfahren gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten dienen, wenn der Erblasser, wie hier, bis zu seinem Tod als Unternehmer tätig war. Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers, die er als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A erbracht hat, und vormals von diesem ausgeführten und zum vollen Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen liegt mithin vor, soweit der Kläger das Nachlassvermögen anteilig zur Befriedigung unternehmerischer Insolvenzforderungen verwendet hat.

4. Die Vorentscheidung hat die sich aus dem Begriff der wirtschaftlichen Zurechnung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ergebenden Aufteilungsgrundsätze zutreffend berücksichtigt. Die hiergegen vom FA erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

a) Entgegen der vom FA vertretenen Ansicht kommt eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters nicht in Betracht (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 , Rz 17).

b) Das FG ist ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Verwertung des Nachlasses nur das Mittel zum Zweck sei, das letztlich dem Ziel der Verwaltertätigkeit, der Tilgung der Verbindlichkeiten, diene. Denn das Verfahren der Nachlassinsolvenz bezieht sich auf das gesamte nachgelassene Vermögen, dessen Verwertung zu einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger des Erblassers führen soll (§ 1 Satz 1 i.V.m. §§ 315 ff. InsO ). Die Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter bestand daher nicht, wie der Aufteilungsmaßstab des FA nahelegt, im Ausführen von Verwertungsumsätzen, sondern in der Abwicklung des gesamten Nachlasses zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger. Für den Vorsteuerabzug aus der vom Insolvenzverwalter erbrachten Leistung kommt es mithin entgegen der Ansicht des FA nicht auf die Umsätze im Insolvenzverfahren an.

c) Die Aufteilung der Vorsteuer nach der Quote der unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten ist, anders als das FA meint, auch praktikabel, weil jeweils auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen, mithin auf feststehende Zahlen, abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 , Rz 19). Im Übrigen ist im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A die betreffende Vorsteuer durch eine andersartige sachgerechte Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG hätte aufteilen können.

C. Die gleichfalls zulässige Revision des Klägers hat in der Sache ebenso wenig Erfolg.

Der Kläger hat als Verwalter im Verfahren der Insolvenz über den Nachlass des A keinen Anspruch darauf, dass die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf ... € festgesetzt wird.

1. Auch im Verfahren der Insolvenz über einen Nachlass, das sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des zum Vorsteuerabzug berechtigten vormaligen Unternehmers wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten desselben dient, ist der Insolvenzverwalter —wie vorstehend unter II.B.2. ff. ausgeführt— aus seiner Leistung nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

2. Der Senat weist darauf hin, dass sich aus der Entscheidung des EuGH Larentia + Minerva vom 16. Juli 2015 C–108/14 und C–109/14 (EU:C:2015:496, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2015, 1673 ) nichts anderes ergibt.

Diese Rechtssachen betreffen schon anders als im Streitfall die Besonderheiten der Vorsteueraufteilung bei Holdinggesellschaften (vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 250, 263 , BStBl II 2015, 679 , Rz 21; vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252 , Rz 41). Das hier vorliegende Nachlassinsolvenzverfahren diente zudem, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten, so dass die vom Kläger als Verwalter im Insolvenzverfahren über den Nachlass des A erbrachte Leistung sowohl die vormals wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeit des A betroffen hat und die Vorsteuer auch im Lichte des EuGH-Urteils Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, DStR 2015, 1673 ) entsprechend aufzuteilen ist.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO .

Die Kosten des gesamten Verfahrens sind verhältnismäßig zu teilen, wenn wie hier ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt.

Vorinstanz: FG Köln, vom 09.05.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 2584/13
Fundstellen
BFHE 252, 460