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BFH - Entscheidung vom 15.10.2015

III R 15/13

Normen:
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a InvZulG 2007
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b InvZulG 2007
InvZulG 2007 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. b

BFH, Urteil vom 15.10.2015 - Aktenzeichen III R 15/13

DRsp Nr. 2015/21346

Begriff des Verbleibens eines Investitionsvorhabens in einer Betriebsstätte des Anspruchsberechtigten i.S. von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a u. b InvZulG 2007 Investitionszulagenbegünstigung mobiler Brennerstationen

NV: Die im BMF-Schreiben vom 8. Mai 2008 (BStBl I 2008, 590 , Tz. 72) enthaltenen Grundsätze über den zulagenunschädlichen Einsatz von Baugeräten außerhalb des Fördergebiets, der sich zusammengerechnet auf bis zu fünf Monate belaufen kann, sind auf Brennerstationen und Notebooks nicht übertragbar. Es kann daher offen bleiben, ob durch diese Verwaltungsregelung die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen in zutreffender Weise interpretiert werden.

Mobile Brennerstationen, mit denen ein Unternehmen bei seinen Kunden der Glasindustrie, Metallurgie und Abfallverwertung Industriedienstleistungen erbringt, sind nur dann nvestitionszulagenbegünstigt i.S. von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. b InvZulG 2007, wenn sie an nicht mehr als 30 Tagen außerhalb des Fördergebiets eingesetzt werden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. Januar 2013 3 K 125/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

InvZulG 2007 § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. b;

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Fördergebiet ansässige GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr, befasst sich mit der Projektierung, dem Bau und dem Vertrieb von Ausrüstungen für Industrieöfen. Sie erbringt darüber hinaus mit Hilfe von Thermoprozessöfen Industriedienstleistungen für die Glasindustrie, Metallurgie und Betriebe der Abfallverwertung. Die Klägerin entwickelte und baute sechs mobile Brennerstationen, die bei ihren Kunden eingesetzt wurden. Die Geräte werden zur Inbetriebnahme, Wartung und für kleinere Reparaturen von Großanlagen eingesetzt. Sie wurden am Betriebssitz der Klägerin gewartet und gelagert. Für die Einsätze vor Ort benötigen die Mitarbeiter der Klägerin auch Messkoffer mit Notebooks.

Im Mai 2009 beantragte die Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 die Gewährung einer Investitionszulage von 27,5 %, u.a. für die Brennerstationen, für welche sie eine Bemessungsgrundlage von 130.774 € angab, ebenso für die Anschaffung zweier Notebooks für zusammen 910 €.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gewährte für die Brennerstationen und die Notebooks keine Zulage, weil diese Wirtschaftsgüter entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Investitionszulagengesetzes 2007 ( InvZulG 2007) nicht während des Bindungszeitraums in einer Betriebsstätte des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet verblieben seien. Das FA setzte durch Bescheid vom 17. November 2009 für andere Wirtschaftsgüter eine Zulage von 6.175,95 € fest. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt und setzte die Investitionszulage unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Brennerstationen und die Notebooks um 36.213,10 € herauf (Urteil vom 29. Januar 2013 3 K 125/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1874 ). Es war der Ansicht, die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8. Mai 2008 (BStBl I 2008, 590 Tz. 72) enthaltenen Grundsätze über den zulagenunschädlichen Einsatz von Baugeräten außerhalb des Fördergebiets, der sich zusammengerechnet auf bis zu fünf Monate belaufen könne, seien nicht auf das Baugewerbe zu beschränken. Der Grund für die Ausnahme von der strengen Verbleibensvorschrift bei Baugeräten treffe auch auf die Klägerin zu, die Dienstleistungen bei baulichen Anlagen von Kunden erbringe. Im Streitfall sei keines der Wirtschaftsgüter mehr als fünf Monate im Jahr außerhalb des Fördergebiets eingesetzt worden, wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnungen ergebe. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 InvZulG 2007 seien erfüllt. Es handele sich um einen Betrieb der technischen, physikalischen und chemischen Untersuchung nach § 2 Abs. 1 Satz 9 Nr. 7 InvZulG 2007 und somit um einen Betrieb der produktionsnahen Dienstleistungen. Darüber hinaus sei ein Erstinvestitionsvorhaben i.S. von § 2 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 2007 (Betriebsstättenerweiterung) anzunehmen, da mit der Beschaffung der Wirtschaftsgüter eine Produktionserweiterung einhergegangen sei. Unstreitig gehöre die Klägerin zu den kleinen und mittleren Betrieben i.S. von § 5 Abs. 2 InvZulG 2007, auch liege der Betrieb im Randgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 2007 i.V.m. Anlage 3 zum InvZulG 2007, was den erhöhten Zulagensatz von 27,5 % rechtfertige.

Zur Begründung der Revision trägt das FA vor, aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Aufstellungen sei davon auszugehen, dass jede Brennerstation in mindestens einem Wirtschaftsjahr des Verbleibenszeitraums vollständig außerhalb des Fördergebiets eingesetzt worden sei. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Grundsätze über das Verbleiben von Baugeräten im Fördergebiet anzuwenden seien.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, die Zwecke, die der Gesetzgeber mit der Investitionszulage habe fördern wollen, würden durch ihren Betrieb erreicht. Die Verbleibensvoraussetzungen dienten der Verhinderung von Missbräuchen, die im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar seien. Der Art nach seien die von ihr eingesetzten Wirtschaftsgüter am ehesten mit Baugeräten vergleichbar. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe der von der Finanzverwaltung aufgestellten Fünf-Monats-Grenze nicht widersprochen. Außerhalb der Einsätze befänden sich die Wirtschaftsgüter ständig im Fördergebiet. Eine dauerhafte zeitliche, räumliche und tatsächliche Bindung zur Betriebsstätte im Fördergebiet sei zu bejahen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Brennerstationen und die Notebooks seien während des Bindungszeitraums in der Betriebsstätte der Klägerin im Fördergebiet verblieben.

1. Neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind —bei Vorliegen der weiteren zulagenrechtlichen Voraussetzungen— nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b InvZulG 2007 begünstigt, wenn sie mindestens fünf Jahre nach Beendigung des Erstinvestitionsvorhabens (Bindungszeitraum) zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte des verarbeitenden Gewerbes, der produktionsnahen Dienstleistungen oder des Beherbergungsgewerbes des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte eines solchen Betriebs des Anspruchsberechtigten im Fördergebiet verbleiben. Der Bindungszeitraum verkürzt sich auf drei Jahre, wenn das Erstinvestitionsvorhaben nach dem 31. Dezember 2006 begonnen worden ist und der Betrieb des Investors —wie hier— die Begriffsdefinition der EU-Kommission für kleinere und mittlere Unternehmen erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 2007).

2. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Begriff des Verbleibens eine dauerhafte zeitliche und räumliche bzw. tatsächliche Beziehung des begünstigten Wirtschaftsguts zu der Betriebsstätte im Fördergebiet (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. März 1998 III B 22/97, BFH/NV 1998, 1528 , m.w.N.). Dies setzt ein Verbleiben des Wirtschaftsguts im räumlichen Bereich der Betriebsstätte voraus (Senatsurteil vom 7. Februar 2002 III R 14/00, BFHE 198, 164 , BStBl II 2002, 312 ). Eine lediglich funktionale Bindung an das Fördergebiet genügt nicht (Senatsurteil vom 28. November 2002 III R 4/00, BFHE 201, 370 , BStBl II 2003, 365 ). Ein Wirtschaftsgut verbleibt grundsätzlich nicht im Fördergebiet, wenn es auch nur kurzfristig außerhalb des Fördergebiets zum Einsatz kommt (Senatsurteile in BFHE 198, 164 , BStBl II 2002, 312 , sowie vom 19. Oktober 2006 III R 52/05, BFH/NV 2007, 974 ).

a) In engen Grenzen hat die Rechtsprechung bei Wirtschaftsgütern, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt sind, im räumlich abgegrenzten Bereich der Betriebsstätte eingesetzt zu werden und deshalb typischerweise außerhalb der Betriebsstätte Verwendung finden, Ausnahmen von den strengen Verbleibensregeln zugelassen (z.B. BFH-Urteil vom 15. Mai 1997 III R 264/94, BFH/NV 1997, 898 ; BFH-Beschluss vom 5. Februar 1998 III B 60/97, BFH/NV 1998, 1128 ; Senatsurteile vom 10. Dezember 1998 III R 113/95, BFH/NV 1999, 965 , und in BFHE 201, 370 , BStBl II 2003, 365 ).

b) Die Finanzverwaltung trifft bei derartigen Wirtschaftsgütern eine Unterscheidung nach drei Fallgruppen (BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 590 Tz. 71 ff.):

Bei Transportmitteln (Tz. 71, z.B. Kraftfahrzeuge, Schiffe, Container) kommt es darauf an, ob sie innerhalb eines Jahres des Verbleibenszeitraums überwiegend, d.h. an mindestens 183 Tagen im Fördergebietsverkehr eingesetzt werden. Bei Baugeräten (Tz. 72, z.B. Bagger, Radlager, Betonmischfahrzeuge, Kräne) ist darauf abzustellen, ob sie innerhalb eines Jahres mehr als fünf Monate außerhalb des Fördergebiets eingesetzt werden und bei den anderen Wirtschafsgütern, die ihrer Art nach nicht zu einem Einsatz im abgegrenzten Bereich einer Betriebsstätte bestimmt sind (Tz. 73, z.B. Messestände, Messgeräte, Kameras), darauf, ob sie innerhalb eines Jahres länger als 30 Tage außerhalb des Fördergebiets zum Einsatz kommen.

3. Im Streitfall war das FG der Meinung, die zu den Baugeräten ergangene Verwaltungsvorschrift und die Fünf-Monats-Grenze seien auch auf die Brennerstationen und die Notebooks anzuwenden. Der Senat teilt diese Ansicht nicht. Die Verwaltungsregelung zu den Baugeräten ist großzügiger als die für die "anderen" Wirtschaftsgüter, weil Baugeräte wie Bagger u.ä. üblicherweise nicht nur für wenige Tage oder Wochen auf einzelnen Baustellen eingesetzt werden. Die Einsatzzeit bemisst sich hier in der Regel nach Monaten. Mit Baugeräten, die über Monate hinweg außerhalb der Betriebsstätte des Investors eingesetzt werden, sind die Brennerstationen nicht zu vergleichen. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob durch die zu Baugeräten ergangene Verwaltungsanweisung die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen in zutreffender Weise interpretiert werden. Zweifel daran hat er im Senatsurteil vom 20. Oktober 2005 III R 23/03 (BFH/NV 2006, 980 ) geäußert. Die Notebooks sind ohnehin keine Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach dazu bestimmt sind, außerhalb der Betriebsstätte des Investors eingesetzt zu werden.

4. Aus den im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Übersichten, auf welche sich das FG im angefochtenen Urteil bezogen hat und die damit Bestandteil der Tatsachenfeststellung sind (s. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213 , BStBl II 1968, 285 ; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 118 Rz 37), ist zu ersehen, dass die jeweiligen Einsätze vor Ort im Regelfall wenige Tage umfassten, in einzelnen Fällen bis zu drei Wochen. Aus den Aufstellungen geht auch hervor, dass die Voraussetzungen für eine Anwendung der zu den "anderen" Wirtschaftsgütern ergangenen Verwaltungsregelung, wonach solche Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums innerhalb eines Jahres an nicht mehr als 30 Tagen außerhalb des Fördergebiets eingesetzt werden dürfen, deutlich nicht erfüllt sind. Von einem kurzfristigen Einsatz außerhalb des Fördergebiets (vgl. Senatsurteil in BFHE 198, 164 , BStBl II 2002, 312 ) kann daher nicht mehr gesprochen werden. Die gesetzlichen Bindungsvoraussetzungen wurden nicht eingehalten.

5. Die Brennerstationen und die Notebooks verblieben somit im Bindungszeitraum entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b InvZulG 2007 nicht in einer Betriebsstätte der Klägerin im Fördergebiet. Die Gewährung einer Investitionszulage scheidet insoweit aus.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 , § 135 Abs. 1 FGO .

Vorinstanz: Sächsisches Finanzgericht, vom 29.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 125/11