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BFH - Entscheidung vom 09.09.2015

XI R 9/14

Normen:
§ 37 Abs 2 AO
§ 155 Abs 4 AO
§ 169 Abs 2 S 1 Nr 2 AO
§ 173 Abs 1 AO
§ 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO
§ 175 Abs 1 S 2 AO
§ 175 Abs 2 AO
§ 32 Abs 4 S 2 EStG 2002 vom 16.08.2001
§ 62 Abs 1 EStG 2002
§ 63 Abs 1 S 2 EStG 2002
§ 70 Abs 4 EStG 2002 vom 16.08.2001
EStG VZ 2005
EStG VZ 2007
EStG § 70 Abs. 4 a.F.

BFH, Urteil vom 09.09.2015 - Aktenzeichen XI R 9/14

DRsp Nr. 2015/21127

Aufhebung der Bewilligung des Kindesgeldes und Rückforderung wegen nachträglicher Kenntnis der Familienkasse von den Grenzbetrag überschreitenden Einkommen der Kinder

NV: Nach der Rechtsprechung des BFH zur Änderung von Kindergeldfestsetzungen wegen nachträglicher Kenntnis vom Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und § 175 Abs. 2 AO ist für das erforderliche rückwirkende "Ereignis" maßgeblich auf das Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze abzustellen.

Nach Ablauf der Festsetzungsverjährung ist die Aufhebung der Bewilligung des Kindergeldes und die Rückforderung geleisteter Beträge gem. § 70 Abs. 4 EStG a.F. unzulässig, auch wenn die Familienkasse nachträglich Kenntnis davon erlangt hat, dass das Einkommen der Kinder im betreffenden Zeitraum die Grenzbeträge überschritten hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. September 2013 6 K 8188/09 betreffend die Kindergeldzeiträume der Jahre 2001 bis 2003, die Bescheide der Familienkasse ... vom 20. November 2008 und deren Einspruchsentscheidungen vom 5. Juni 2009 und vom 8. Juni 2009 hinsichtlich der Kindergeldfestsetzungen für das Kind B für die Zeiträume März bis Dezember 2001, Januar bis September 2002, Oktober bis Dezember 2003 sowie für das Kind C für den Zeitraum Juli bis Dezember 2003 aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Familienkasse zu tragen.

Im Übrigen haben die Kosten des Verfahrens die Klägerin zu 3/4 und die Familienkasse zu 1/4 zu tragen.

Normenkette:

EStG § 70 Abs. 4 a.F.;

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihrer Söhne B, geboren am …. Februar 1983, und C, geboren am …. Juli 1985. Der Vater der Kinder ist im Januar 1996 verstorben.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) gewährte für die beiden Kinder in den streitbefangenen Zeiträumen Kindergeld in Unkenntnis der Tatsache, dass diese seit dem tödlichen Unfall des Vaters während ihrer Ausbildung jeweils eine monatliche Halbwaisenrente von ca. 820 € bis 864 € und jeweils Waisengeld einschließlich einer Gewinnrente von 105,16 € bezogen hatten.

Die Familienkasse hatte der Klägerin ab dem 15. Dezember 2000 im Hinblick auf die bevorstehende Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes B sowie ab dem 17. April 2003 betreffend das Kind C Mitteilungen über die Voraussetzungen für die Fortzahlung des Kindergeldes übermittelt, in denen verschiedene allgemein gehaltene Angaben zu den Voraussetzungen über die Fortzahlung des Kindergeldes gemacht und zu denen Antworten der Klägerin erbeten wurden. In den entsprechenden Schreiben waren keine Anfragen zu etwaigen Halbwaisenrenten und zum Waisengeld enthalten.

Die Klägerin erklärte auf den erstmaligen Hinweis der Familienkasse vom …. September 2006, wonach auch Rentenbezüge zu berücksichtigen seien, am …. Oktober 2006 betreffend ihren Sohn C und am 14. Juni 2007 für ihren Sohn B, dass diese jeweils eine monatliche Halbwaisenrente von 858,52 € sowie ein monatliches Waisengeld einschließlich einer Gewinnrente von jeweils 105,16 € für die Jahre 2005 und 2006 bezogen hatten. Auf Anfrage reichte die Klägerin die Rentenbescheide für ihre Kinder ein und erklärte telefonisch, dass der Unfall des Vaters der Kinder im Jahr 1995 geschehen sei; seitdem hätten die Kinder die genannten Renten bezogen.

Die Familienkasse hob mit Bescheiden vom 20. November 2008 die Kindergeldfestsetzungen betreffend das Kind B für die Zeit vom März bis Dezember 2001, Januar bis September 2002, Oktober bis Dezember 2003 und Januar 2004 bis Dezember 2007 sowie für das Kind C für die Zeit von Juli bis Dezember 2003, Januar 2004 bis Dezember 2005 sowie Januar bis Dezember 2006 und ab Januar 2007 jeweils wegen Überschreitens der Einkünfte- und Bezügegrenze von § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) a.F. auf und forderte die entsprechend ausgezahlten Beträge zurück.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies die Familienkasse überwiegend zurück.

Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens kam es zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, dass die Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes rechtmäßig sei. Die Familienkasse habe die Kindergeldfestsetzung für die Zeiträume Januar 2004 bis Dezember 2007 (betreffend B) und Januar 2004 bis Oktober 2006 (C) nach § 70 Abs. 4 EStG a.F. aufheben dürfen. Für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen betreffend die Zeiträume von 2001 bis 2003 sei § 70 Abs. 4 EStG a.F. hingegen entweder noch nicht anwendbar bzw. es sei insoweit bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Aufhebung der entsprechenden Kindergeldfestsetzungen sei aber nach § 175 Abs. 2 der Abgabenordnung ( AO ) bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Festsetzungsverjährung sei wegen der Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO nicht eingetreten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 217 veröffentlicht.

Mit ihrer hiergegen eingelegten und auf die Jahre 2001 bis 2003 (Streitjahre) beschränkten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 175 AO ).

Das FG habe den Anwendungsbereich von § 175 AO im Streitfall in unzulässiger Art und Weise überdehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lägen die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vor, wenn die Behörde —wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO— lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlange (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66 , BStBl II 1993, 897 , unter C.II.1.a, m.w.N.). Danach handele es sich bei der nachträglichen Kenntniserlangung der Familienkasse von dem Bezug der Halbwaisenrenten und den damit einhergehenden höheren Einkünften nicht um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 AO . Zwar könne es sich bei der Kenntniserlangung der Familienkasse um ein Ereignis im Sinne der Norm handeln. Doch sei dieses nicht nach Entstehen des Kindergeldanspruchs eingetreten. Denn der Bezug der Halbwaisenrenten sei bereits vor Entstehen des Kindergeldanspruchs der Klägerin erfolgt. Der Grund für die nachträglich bekannt gewordenen höheren Einkünfte, auf die das FG abstelle, sei das Bekanntwerden der Halbwaisenrenten, die bereits seit 1996 und damit vor Entstehen der streitbefangenen Kindergeldansprüche bezogen worden seien. Dies habe auch das Sächsische FG so gesehen (Sächsisches FG, Urteil vom 2. April 2003 1 K 1279/99, juris).

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil betreffend die Jahre 2001 bis 2003 sowie die Bescheide vom 20. November 2008 betreffend B für den Zeitraum März 2001 bis Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009, für den Zeitraum Januar 2002 bis September 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 und für den Zeitraum Oktober 2003 bis Dezember 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2009 und den Bescheid vom 20. November 2008 betreffend C für den Zeitraum Juli 2003 bis Dezember 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2009 aufzuheben.

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des FG für zutreffend.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang des Revisionsbegehrens zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Familienkasse befugt war, die Kindergeldfestsetzungen betreffend die Kinder B und C im streitbefangenen Umfang aufzuheben und das insoweit ausbezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern. Denn eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen war wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht möglich.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin für ihren Sohn B in den Streitjahren 2001 bis 2003 und für ihren Sohn C im Streitjahr 2003 kein Kindergeld im streitbefangenen Umfang zustand.

a) Für ein über 18 Jahre altes Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG u.a. dann Anspruch auf Kindergeld, wenn die Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfüllt sind und wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind, 7.188 € nicht überschreiten (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.).

b) Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die Einkünfte und Bezüge der Kinder B und C in den streitbefangenen Zeiträumen jeweils den nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. maßgeblichen Grenzbetrag von 7.188 € überschritten haben. Das FG hat insoweit zu Recht angenommen, dass die von den Söhnen der Klägerin in den streitbefangenen Zeiträumen bezogenen Halbwaisenrenten und das Waisengeld als Bezüge der Kinder zu berücksichtigen waren (vgl. BFH-Beschluss vom 26. April 2002 VIII B 169/01, BFH/NV 2002, 1029 ). Dies ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Die Familienkasse war nicht berechtigt, die streitbefangenen Kindergeldfestsetzungen aufzuheben.

a) Das FG hat zu Recht entschieden, dass eine Aufhebung nach § 70 Abs. 4 EStG a.F. in den Streitzeiträumen nicht in Betracht kam.

aa) Gemäß § 70 Abs. 4 EStG a.F. war eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wurde, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. über- oder unterschritten.

bb) Das FG hat zutreffend erkannt, dass diese Änderungsvorschrift hinsichtlich des Streitjahres 2001 noch nicht anwendbar war, weil die Bestimmung erst am 1. Januar 2002 in Kraft getreten (Art. 1 Nr. 21 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16. August 2001, BGBl I 2001, 2074 , BStBl I 2001, 533 ) und eine rückwirkende Anwendung nicht zulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 6/03, BFH/NV 2005, 890 ) und für die übrigen streitbefangenen Zeiträume (2002 bis 2003) entsprechend der vom FG vertretenen Auffassung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

cc) Die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung nach §§ 169 ff. AO gelten auch im Verfahren über die Aufhebung von Bescheiden über die Festsetzung von Kindergeld, da dieses nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt wird. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung sind gemäß § 155 Abs. 4 AO die Vorschriften über die Steuerfestsetzung —also auch die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO )— sinngemäß anzuwenden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Mai 2006 III R 80/04, BFHE 214, 1 , BStBl II 2008, 371 , unter II.1.a; vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237 , Rz 10; vom 26. November 2014 XI R 41/13, BFH/NV 2015, 491 , Rz 29).

dd) Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist im Regelfall vier Jahre. Die Frist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist.

ee) Bei entsprechender Anwendung auf die streitbefangenen Kindergeldfestsetzungen war damit für das Streitjahr 2001 mit Ablauf des Jahres 2005 Festsetzungsverjährung eingetreten, für das Streitjahr 2002 mit Ablauf des Jahres 2006 und für das Streitjahr 2003 mit Ablauf des Jahres 2007. Sämtliche Aufhebungsbescheide sind aber erst am 20. November 2008 ergangen, also zu einem Zeitpunkt, als bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

ff) Im Streitfall haben die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nicht vorgelegen, so dass die Festsetzungsfrist auch nicht ausnahmsweise nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO fünf bzw. zehn Jahre betragen hat. Die vom FG insoweit durchgeführte Würdigung sämtlicher Einzelumstände des Streitfalls begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

Das FG ist insoweit von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen, die von ihm durchgeführte Würdigung ist möglich, enthält keinen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und ist nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden. Sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO ; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424 , BStBl II 2014, 734 , Rz 26, m.w.N.). Auch dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren unstreitig.

b) Eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen für die Streitzeiträume nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO war ebenfalls nicht möglich.

aa) Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen.

Diese Vorschrift gilt für das als Steuervergütung nach § 31 Satz 3 EStG gewährte Kindergeld grundsätzlich entsprechend (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 491 , Rz 29, m.w.N.).

bb) Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet aber im Streitfall schon deshalb aus, weil eine Aufhebung hiernach nur innerhalb der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO zulässig ist (vgl. dazu z.B. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 173 AO Rz 106). Im Streitfall war die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Ergehens der Aufhebungsbescheide aber —wie dargelegt— bereits abgelaufen.

c) Die Aufhebung der streitbefangenen Kindergeldfestsetzungen konnte auch nicht nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 175 Abs. 2 AO erfolgen.

aa) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet (rückwirkendes Ereignis). Auch diese Korrekturnorm ist auf das als Steuervergütung nach § 31 Satz 3 EStG gewährte Kindergeld grundsätzlich entsprechend anzuwenden (BFH-Urteile vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287 , BStBl II 2007, 714 , unter II.2.c; vom 16. Oktober 2012 XI R 46/10, BFH/NV 2013, 555 , Rz 52).

bb) Auch insoweit war bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Entgegen der Auffassung des FG führt die in § 175 Abs. 1 Satz 2 AO vorgesehene Anlaufhemmung im Streitfall nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

(1) Danach beginnt die Festsetzungsfrist in den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Nach der Rechtsprechung des BFH zur Änderung von Kindergeldfestsetzungen wegen nachträglicher Kenntnis vom Überschreiten der Einkünfte– und Bezügegrenze nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und § 175 Abs. 2 AO ist für das erforderliche rückwirkende "Ereignis" maßgeblich auf das Überschreiten der Einkünfte– und Bezügegrenze abzustellen (BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 76/01, BFHE 199, 116 , BStBl II 2002, 525 , unter II.1., Rz 9, m.w.N.; in BFH/NV 2005, 890 , unter II.2.a und b).

(3) Für die Anwendung der Anlaufhemmung kommt es danach auf das tatsächliche Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenzen in den Zeiträumen 2001 bis 2003 an. Da die Familienkasse die streitbefangenen Aufhebungsbescheide erst im November 2008 erlassen hat, war zu diesem Zeitpunkt die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist für die Zeiträume 2001 bis 2003 bereits abgelaufen.

3. Das FG ist insoweit von abweichenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Entscheidung des FG war betreffend die Jahre 2001 bis 2003 aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Aufhebungsbescheide für die Streitzeiträume vom 20. November 2008 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen waren betreffend die Kinder B und C aufzuheben. Die entsprechende Rückforderung des Kindergeldes nach § 37 Abs. 2 AO durfte nicht erfolgen. Der Klage war insoweit stattzugeben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO .

5. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO ).

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, vom 03.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 8188/09